Die Empfehlungen des internationalen Kongresses "Nationalbibliographische Dienstleistungen"

International Conference on National Bibliographic Services
  • Stimmt dem Konzept der Universal Bibliographic Control (UBC) als dem Langzeitprogramm für die Entwicklung eines weltweiten Systems für die Kontrolle und den Austausch bibliographischer Informationen zu;
  • betont mit Nachdruck die Notwendigkeit, die nationalbibliographische Kontrolle als Voraussetzung für die universale bibliographische Kontrolle zu stärken;
  • anerkennt die Wichtigkeit der Nationalbibliographie als Hauptinstrument, mit dessen Hilfe die Verzeichnung des gesamten veröffentlichten nationalen Erbes sichergestellt und eine effektive bibliographische Kontrolle erreicht wird;
  • erklärt, daß Nationalbibliotheken und nationalbibliographische Agenturen zwar mit anderen Agenturen zusammenarbeiten können, aber die übergeordnete Verantwortung für die Koordination und die Anwendung der Standards bei der nationalbibliographischen Agentur liegen sollte;
  • bestätigt erneut die Bedeutung der Ablieferungspflicht als Mittel, mit dessen Hilfe sowohl das kulturelle und intellektuelle Erbe als auch die sprachliche Vielfalt gesichert und erhalten sowie den heutigen und auch künftigen Nutzern zugänglich gemacht werden kann
  • und beschließt daher folgende Empfehlungen:

    Ablieferungspflicht

  1. Die Staaten sollen - als besonders eilbedürftige Aufgabe - die bestehenden gesetzlichen Regelungen der Ablieferungspflicht überprüfen, um gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen Rechnung zu tragen; soweit erforderlich soll die bestehende Gesetzgebung novelliert werden.
  2. Staaten, die zur Zeit noch keine Ablieferungspflicht besitzen, werden dringend ersucht, diese einzuführen.
  3. Neue Pflichtabgabegesetze oder Verordnungen, die sich daraus ableiten, sollen den Zweck der Ablieferungspflicht nennen; sie sollen sicherstellen, daß die Pflichtabgabe dazu dient, die oben genannten Ziele zu erreichen. In Terminologie und Formulierung sollen sie so umfassend sein, daß sowohl bereits existierende Materialien informativen Inhalts als auch künftige Entwicklungen berücksichtigt werden; schließlich sollen sie auch Maßnahmen zur Durchsetzung der Gesetze aufführen.
    Eine derartige Gesetzgebung kann auch die Möglichkeit berücksichtigen, daß die Verantwortung für die Pflichtexemplare auf mehr als eine nationale Institution aufgeteilt ist.
  4. Erfassungsbreite der Nationalbibliographie

  5. Nationalbibliographien sollen die Neuerscheinungen des Staates und - soweit praktisch - auch retrospektiv die Veröffentlichungen verzeichnen. Soweit notwendig sollen Selektionskriterien durch die nationalbibliographischen Agenturen definiert und veröffentlicht werden.
  6. Die Nationalbibliographien sollen Titelanzeigen für Materialien in allen Sprachen und Schriftarten verzeichnen, die in dem Staat hergestellt werden; wann immer möglich, sollen diese die Sprache und/oder Schriftart einschließen, in der die Publikation als Pflichtexemplar abgeliefert worden ist.
  7. Die Präsentation und Aktualität der Nationalbibliographie

  8. Aufgrund der Vielfalt der physischen Formate, in denen die Nationalbibliographie verbreitet werden kann, sollen die nationalbibliographischen Dienste in einer oder mehreren Formen angeboten werden, um den Bedürfnissen der Nutzer, einschließlich der Nutzer mit besonderen Interessen, zu entsprechen. Diese Formate sollen international gebilligten Standards folgen. Wenigstens eines dieser Formate, die genutzt werden, um die Nationalbibliographie zu verbreiten, sollte geeignet sein, die notwendige Archivierung und Konservierung der Nationalbibliographie dauerhaft sicherzustellen und einen permanenten Zugang zu garantieren.
  9. Die Nationalbibliographie soll das Material so schnell wie möglich nach dessen Erscheinen verzeichnen. Eine effektive Verbreitung soll sichergestellt sein. Sie soll in regelmäßigen Abständen aktualisiert erscheinen, um den Anforderungen der Nutzer zu entsprechen; dadurch soll sie diese auch in die Lage versetzen, das verzeichnete Material ohne Verzug zu erwerben.
  10. In jeder Ausgabe soll die Nationalbibliographie folgende Informationen für Identifikationszwecke enthalten:

    • Titel der Bibliographie
    • Erfassungszeitraum
    • Verlagsort und Verlagsname
    • Erscheinungstag
    • Internationale Indentifizierungsnummer-Copyright-Angaben
    • CIP-Angabe (sofern verfügbar)
    • Angaben zu Lieferbedingungen und Preis

  11. Zusätzlich soll die Nationalbibliographie eine Einführung und soweit erforderlich eine Benutzeranweisung enthalten. Falls notwendig, z.B. bei elektronischen Publikationen, können diese Informationen auch separat veröffentlicht werden. Folgenden Einzelheiten sollen angegeben werden:
    • Die Basis für die Titelaufnahme, z.B. aufgrund der Autopsie von Pflichtexemplaren, die in der Nationalbibliothek aufgrund von Pflichtabgabegesetzen abgeliefert wurden
    • Der Umfang, einschließlich der Ausnahmen, z.B. Material, das nicht angezeigt wird
    • Die Erscheinungsweise
    • Die Anordnung
    • Die bibliographischen und Katalogisierungs- sowie Klassifikationsregelwerke unter Einschluß aller lokalen und nationalen Erweiterungen/Abweichungen
    • Eine Liste der verwendeten Fachbegriffe, einschließlich Definitionen und Abkürzungen
    • Eine Übersicht über das benutzte Klassifikationsschema (falls verwendet)
    • Eine Beschreibung des Einordnungssystems
    • Systemvoraussetzungen (soweit für die Nutzung erforderlich)

  12. Die Anzeige der in der Nationalbibliographie verzeichneten Materialien soll auf international anerkannten Standards basieren und in einer Anordnung erfolgen sowie mit Zugriffsmöglichkeiten versehen sein, die sicherstellen, daß die Bedürfnisse der Nutzer befriedigt werden und eine Übereinstimmung mit den für die Verbreitung genutzten Formaten erreicht wird;

    Eingesetzte internationale Standards

  13. Die nationalbibliographische Agentur soll verantwortlich sein für die Erstellung der umfassenden bibliographischen Anzeigen des nationalen Pflichtexemplarmaterials (oder koordinierend an den Vorbereitungen dafür mitwirken). Sie soll nationale und internationale Standards und Prinzipien für die Katalogisierung, für die Identifikationssysteme wie z.B. ISBN und ISSN, für die Systeme zur Schriftkonversion und zum Authority Control sowie für Klassifikationssysteme, für Metadaten sowie für die dauerhafte Bezeichnung von digitalen Objekten anwenden.
  14. Nationalbibliographische Agenturen sollen die Komponenten des "Basic Level Record" gemäß den Empfehlungen des Schlußberichts der IFLA Study Group on the Functional Requirements for Bibliographic Records (München, Saur: UBCIM Publications New Series, Vol. 19) annehmen.
  15. Die nationalbibliographischen Agenturen sollen die Federführung bei der Aktualisierung und dem Einsatz nationaler und internationaler Standards und Prinzipien sowie in der Entwicklung von bibliographischen Hilfsmitteln, die unter Punkt 11 näher beschrieben sind, haben; eingeschlossen sind hierbei auch Projekte zur Entwicklung und Förderung von Standards, Richtlinien und Methoden für den Bereich "Authority Control", um den internationalen Austausch von Normdateien zu erleichtern.
  16. Eine besonders hohe Aufmerksamkeit muß auf nationaler und internationaler Ebene der Kompatibilität und der Konversionsfähigkeit sowie den Zugriffsmöglichkeiten der bibliographischen Austauschformate der Bibliotheks-, Informations- und Verlagsgemeinschaft gezollt werden, mit dem Ziel, dafür Sorge zu tragen, daß alle bibliographischen Elemente eindeutig identifiziert werden können und keines von ihnen bei dem Konversionsprozeß verloren geht.
  17. Nationalbibliographische Agenturen sollen die laufenden Arbeiten an der Harmonisierung von bibliographischen Standards bezüglich aller Formen von Veröffentlichungen fördern und dabei mit den fortlaufenden Veröffentlichungen beginnen.
  18. Zukünftige Aktivitäten

  19. Die IFLA soll die Überarbeitung bestehender Richtlinien fördern, um Vorsorge für alle neuen und zukünftigen Veröffentlichungsformen zu treffen.
  20. Die IFLA soll Untersuchungen fördern, die sich mit der Erstellung von multinationalen Bibliographien in den Gebieten beschäftigen, in denen es - aus welchen Gründen auch immer - zur Zeit nicht möglich ist, Nationalbibliographien zu publizieren, in denen aber geographische, sprachliche oder kulturelle Verbindungen bestehen.
  21. Die IFLA soll intergouvernementale und internationale nicht-gouvernementale Organisationen ermutigen, ihre Veröffentlichungen in Bibliographien (vorzugsweise eigenen) entsprechend den international vereinbarten Standards zu erfassen.
  22. Dort, wo es notwendig ist, soll die IFLA nationalbibliographischen Agenturen helfen, ihre Aktivitäten zu entwickeln, z. B. bei Pilotprojekten um Nationalbibliographien zu erstellen oder um Richtlinien für die Erstellung von Nationalbibliographien zu erarbeiten sowie bei der Organisation von nationalen, regionalen oder internationalen Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen.
  23. Nationalbibliographische Agenturen sollen tatkräftig bei der Durchsetzung von neuen bibliographischen Standards sowie von neuen Pflichtexemplargesetzen mitwirken sowie hierzu Seminare und Fortbildungskurse veranstalten, um sicherzustellen, daß sowohl die Fachkräfte als auch die Endnutzer mit den neuen Praktiken vertraut werden.
  24. Nationalbibliographische Agenturen sollen regelmäßig die Erfolgsquote dieser Empfehlungen überprüfen.
  25. Es sollen Anstrengungen gemacht werden, die sicherstellen, daß nationalbibliographische Agenturen ohne elektronische Zugriffsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden und im universalen bibliographischen Verbundnetz bleiben können.
  26. Die IFLA oder ein UNESCO-Mitgliedsstaat soll die UNESCO bitten, diesen Empfehlungen zuzustimmen.

Back to ICNBS Conference page

*    

Latest Revision: October 1, 2002 Copyright ©
International Federation of Library Associations and Institutions
www.ifla.org