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66th IFLA Council and General
Conference

Jerusalem, Israel, 13-18 August

 
 


Code Number: 035-130-E
Division Number: IV
Professional Group: Classification and Indexing
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 130
Simultaneous Interpretation: No

Sacherschließung unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit und verschiedenen Schriftsystemen: Der Fall Israel

Elhanan Adler
Israel Center for Digital Information Services,
Hebräische Universität und Bar-Ilan-Universität
Jerusalem, Israel


Abstract

Israel stellt den Extremfall einer multilingualen Umgebung mit mehreren Schriftsystemen dar. Im Bibliothekswesen gab es verschiedene Bemühungen, den sachlichen Zugriff in verschiedenen Sprachen und Schriftsystemen zu ermöglichen. Die Verwendung von Schlagwörtern und die verbale Suche, überwiegend im Englischen, scheint der vorherrschende Trend in den wissenschaftlichen Bibliotheken zu sein, während die öffentlichen Bibliotheken gerade beginnen, sich vom systematischen Katalog zu lösen und hebräische Schlagwörter zu benutzen.


Paper

Der Staat Israel hat zwei Amtssprachen, Hebräisch und Arabisch, dazu Englisch als allgemein verbreitete, wenn auch nicht offizielle dritte Sprache. Autobahnschilder, Firmenlogos u.ä. sind meist in zwei oder sogar allen drei Sprachen geschrieben, die nicht nur unterschiedliche Schriften, sondern sogar verschiedene Schreibrichtungen haben, da Hebräisch und Arabisch von rechts nach links geschrieben werden. Es gibt häufig Formen von Latinisierung, offiziell und individuell, und das Fehlen der Vokalisierung in den meisten hebräischen und arabischen Texten macht es noch schwieriger, eine einheitliche Schriftumsetzung für Daten zu entwickeln. Dies hat natürlich auch zu Einschränkungen bei der Verwendung dieser Schriften bei bibliographischen Anwendungen geführt.

Neben der Frage der offiziellen und nicht-offiziellen Sprachen und Schriften ist Israel auch deshalb einzigartig, da Hebräisch, die erste Amtssprache, als gesprochene Sprache erst im letzten Jahrhundert wiederbelebt wurde, nachdem es 2000 Jahre lang vorwiegend nur für geschriebene Texte und für das Gebet verwendet wurde. Die Wiedergeburt des Hebräischen als moderne gesprochene Sprache war von heftigem Widerstand begleitet und führte zu einer Fülle neu geschaffener Begriffe, um sich den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft anzupassen. Die Akademie für hebräische Sprache erfindet noch immer bei Bedarf neue hebräische Wörter und kämpft (mit begrenztem Erfolg) gegen die Ausbreitung des Englischen in der hebräischen Alltagssprache.

Darüber hinaus ist in einem Land, das die jüdische Einwanderung aus allen Ländern der Erde aktiv unterstützt, die Muttersprache vieler Israelis keine der offiziellen oder halb-offiziellen Sprachen. Man sagt, dass viele israelische Mütter die Muttersprache von ihren Kindern lernen. Ein solches Babel hat seine Sputen in der bibliographischen Praxis Israels hinterlassen.

Die alphabetischen Kataloge in Israel, sowohl konventionelle wie automatisierte, sind je nach Schrift getrennt geführt worden: für hebräisch, arabisch und lateinisch geschriebene Buchstaben. Viele israelische Bibliotheken haben darüber hinaus noch einen vierten, im kyrillischen Alphabet geführten Katalog; auch wenn sich die kyrillische Schrift leichter in lateinische Buchstaben umsetzen lässt als Hebräisch oder Arabisch, so ist doch Russisch die Muttersprache eines großen Teils der Israelis, vor allem in den letzten Jahren, was die Aufrechterhaltung dieser Praxis rechtfertigt.

In einer solchen mehrsprachigen Umgebung ist Sachkatalogisierung noch wesentlich schwieriger und bietet noch mehr Variationsmöglichkeiten.

Die frühe israelische Bibliothekstradition wurde von der Jüdischen National- und Universitäts-bibliothek (JNUB) begründet, die 1892 gegründet wurde und für viele Jahre die größte und wichtigste des Landes und der Sitz der einzigen bibliothekarischen Ausbildungseinrichtung war. Ihre vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren entwickelten bibliothekarischen Praktiken wurden de facto zum Standard für alle anderen Bibliotheken in Israel. Erst in den letzten dreißig Jahren hat sich ihre Rolle durch die Entwicklung anderer israelischer Universitäten und die Eröffnung weiterer Bibliotheksschulen vom Vorreiter zum Ersten unter Gleichen gewandelt, was andere Vorgehensweisen möglich macht. Dies gilt insbesondere für die Sacherschließung.

Die ursprüngliche Form der in der JNUB üblichen Sacherschließung war der systematische Katalog nach DDC mit speziellen Expansionen für Judaica und Islamica. Die Verwendung der künstlichen Zahlensprache statt einer natürlichen Sprache war eine ideale Lösung in einer mehrsprachigen Umgebung, besonders zu einer Zeit, in der Hebräisch unzulänglichin der Entwicklung der wissenschaftlicher Terminologie und Englisch noch nicht so verbreitet wie heute war. Hätte man damals die Terminologie einer natürlichen Sprache verwendet, so wäre es wahrscheinlich eher Deutsch als Englisch gewesen, da ein großer Teil der Akademiker in Deutschland ausgebildet worden waren. Die Tradition des systematischen Katalogs (in der Regel ohne Register) ist auch heute noch in Israel verbreitet und zwar nicht nur in wissenschaftlichen, sondern auch in den meisten öffentlichen Bibliotheken.

Die erste größere Bibliothek in Israel, die mit dieser Tradition gebrochen hat, war die der Universität Haifa. Als neue, schnell wachsende Bibliothek war sie die erste größere in Israel, die die Library of Congress Classification (LCC) verwendete, die sich für große Freihandbestände sehr gut, für einen systematischen Katalog aber sehr wenig eignet. Nachdem man die Einführung hebräischer Schlagwörter erwogen hatte, entschloss sich die Universität Haifa, die vorhandenen Schlagwörter der Library of Congress zu nutzen. Die Gründe für diese Entscheidung waren überwiegend pragmatisch: die Übersetzung der englischen Schlagwörter, die vorwiegend für nicht-jüdische wissenschaftliche Literatur benutzt wurden, ins Hebräische und die Pflege eines hebräischen Thesaurus hätte eine erhebliche zusätzliche Facharbeit erfordert und die Vorteile bei der Verwendung der Katalogisierungs- und Klassifikationsdaten der LoC wieder eingeschränkt. Die Universität Haifa war außerdem der Auffassung, dass in einem universitären Umfeld, wo im Allgemeinen gute englische Sprachkenntnisse zu erwarten sind, die Verwendung der englischen Schlagwörter kein großer Nachteil sein würde. Einige andere israelische Universitätsbibliotheken schlossen sich dieser Praxis an, darunter auch einige Bibliotheken an der Hebräischen Universität selbst, mit der die Jüdische National- und Universitätsbibliothek verbunden ist.

In der Folge entwickelte die Universität Haifa einen Thesaurus hebräischer Schlagwörter für ihren Index to Hebrew Periodicals (ab 1977 bis heute). Dieser Thesaurus enthält einige zehntausend hebräische Schlagwörter mit den nötigen Verweisungen. Da er für die Indexierung von hebräi-schen Zeitschriftenartikeln entwickelt wurde, fehlen jedoch viele der für eine wissenschaftliche Bibliothek mit einem großen Prozentsatz an nicht-hebräischer Literatur nötigen Schlagwörter. Dieser Thesaurus dient auch als Basis für eine Liste hebräischer Schlagwörter für öffentliche Bibliotheken, die kürzlich erschienen ist und vom israelischen Bibliothekszentrum, der Katalogi-sierungszentrale für die meisten öffentlichen Bibliotheken, verwendet wird. Ein fachlich begrenz-ter hebräischer Thesaurus wurde auch vom Henrietta-Szold-Institut für sein bibliographisches Projekt Current Research in Behavioral Sciences entwickelt.

Einen anderen Weg ist die Bibliothek der Bar-Ilan-Universität gegangen. So wie man einerseits erkannt hatte, dass die bestehende hebräische Terminologie für die Erschließung vieler Publikationen in lateinischer Schrift unzureichend war, so hat man dort andererseits auch eine Liste hebräischer Schlagwörter für Veröffentlichungen in hebräischer Sprache geschaffen. Da ein großer Prozentsatz hebräischer Veröffentlichungen sich mit israelischen und jüdischen Themen befasst, ist die Verwendung der hebräischen Terminologie für diese Themen viel einfacher; andere Schlagwörter sind Übersetzungen der in der LoC verwendeten Begriffe. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist eine Aufteilung des Schlagwortkatalogs, und um Literatur zu einem bestimmten Thema sowohl in hebräischer als auch in lateinischer Schrift zu finden, muss man in zwei Sackatalogen mit jeweils verschiedenen Suchbegriffen recherchieren.

In den letzten Jahren haben einige Universitätsbibliotheken, die systematische Kataloge unterhalten, zusätzliche Elemente für die verbale Suche eingebracht. So hat das Technion, das israelische Institute of Technology, das weiter seinen nach UDK klassifizierten Katalog pflegt, ihn mit einem englischen Register für zusätzliche Sacheinstiege versehen, die sowohl als Schlagwort als auch Wort für Wort recherchierbar sind. Die Jüdische National- und Universitätsbibliothek hat ihren systematischen Katalog ebenfalls mit englischen Suchbegriffen, die mit den DDC-Notationen verbunden sind, angereichert, indem z.B. Schlagwörter wie

    372.114.4 Elementary school teachers - Evaluation.
    296.54 Halakha and poseqim after Moses ben Maimon and before Joseph Caro
Der Text, der den Notationen folgt, stellt eine Erklärung der Notation dar, oft verbunden mit Anmerkungen zum sachlichen Umfang, und kann nur durch eine wortweise Suche gefunden werden. Die Verwendung der englischen Terminologie bei diesen Schlagwörtern dient vor allem dazu, die technischen Probleme eines Textes, der in zwei Richtungen geschrieben wird, zu umgehen.

In den frühen siebziger Jahren gab es Überlegungen zur Schaffung einer einheitlichen, auf den LCSH basierenden hebräischen universale Schlagwortnormdatei. Für diese Projekt waren jedoch keine finanziellen Mittel zu bekommen, und so wurde es zurückgestellt.

Mit Ausnahme der getrennten Sachkataloge an der Bar-Ilan-Universität scheinen die israelischen Universitätsbibliotheken mit der englischen Terminologie gut zurecht zu kommen, entweder durch Verwendung der LCSH-Schlagwörter oder durch Ergänzungen zu den systematischen Katalogen. Die öffentlichen Bibliotheken in Israel glauben allerdings, dass sie nicht von allen ihren Lesern englische Sprachkenntnisse erwarten können. Da sie mit systematischen Katalogen nicht zufrieden sind, haben sie in letzter Zeit vermehrt Katalogdaten mit hebräischen Schlagwörtern bezogen, deren Verwendung aber erst noch evaluiert werden muss.

Die Möglichkeiten der modernen OPAC-Systeme bei der verbalen Indexierung stellen eine neue Herausforderung für Datenbanken in mehreren Sprachen und Schriften dar. Auch wenn hebräische oder arabische Schlagwörter in den meisten OPACs fehlen, ist es doch möglich, relevantes Material durch die Eingabe von Wörtern zu ermitteln, die im Titel, Zusatz zum Titel oder anderen indexierten Feldern zu finden sind. Auch wenn Trefferquote und Genauigkeit sehr eingeschränkt sind, sind die Schnelligkeit dieser Suche und die Vertrautheit damit, die durch ähnlich vorgehende Suchmaschinen im Internet gegeben ist, Grund für die zunehmende Verwendung als Alternative zur konventionellen sachlichen Recherche. Auch wenn dies in allen OPAC-Systemen ein Problem darstellt, so wird es doch in einer Umgebung, in der verschiedene Schriftsysteme verwendet werden, noch komplexer.

Bibliographie

Adler, Elhanan. "Implementation of the Library of Congress system in the Library of the University of Haifa", Yad Lakore 14 (November 1974), 64-86 (in Hebrew)

Adler, Elhanan. "Judaica cataloging: the Hebrew bibliographic and Israeli traditions", Judaica librarianship, 6 (1-2) (spring 1991-Winter 1992), 8-12.

Hoffman, Gita, et.al. "Hebrew Subject Headings: development and implementation at Bar-Ilan University", Judaica librarianship 6 (1-2) (spring 1991-Winter 1992), 24-37.

Lazinger, Susan and Elhanan Adler. Cataloging Hebrew materials in the online environment.

Englewood, CO, Libraries Unlimited, 1998. particularly chapter 7: "Hebraica, Judaica and Israelitica Subject Cataloging"

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