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To Bangkok Conference programme

65th IFLA Council and General
Conference

Bangkok, Thailand,
August 20 - August 28, 1999


Code Number: 108-131-G
Division Number: IV
Professional Group: Cataloguing
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 131
Simultaneous Interpretation:   No

Die Anwendung der "Functional Requirements for Bibliographic Records" im Katalogisierungsunterricht

Kirsten Strunck
Department of Information Studies
Royal School of Library and Information Science
Copenhagen, Denmark


Abstract

Der im Titel genannte Bericht der gleichnamigen Arbeitsgruppe der IFLA wird als theoretische Grundlage für den Katalogisierungsunterricht verwendet. Dieser Vortrag schildert, wie wir die Ideen des Berichts im Katalogisierungsunterricht der Royal School of Library and Information Science, Kopenhagen, umgesetzt haben. Unsere Erfahrungen sind befriedigend und wir werden unseren Lehrplan auf dieser Basis weiterentwickeln.


Paper

Hintergrund

Im dänischen Katalogisierungsunterricht gibt es eine lange Tradition der Betonung des "warum" anstelle des "wie katalogisieren wir". Regeln können von Bibliothek zu Bibliothek oder von Produkt zu Produkt unterschiedlich sein. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, die allgemeinen Grundlagen der Katalogisierung zu unterrichten, um so den Studentinnen die eigentlichen Gründe für die Erstellung von Datensätzen, die Dokumente repräsentieren, klar zu machen.

In Dänemark gibt es Katalogisierungs- und Formatstandards für die Nationalbibliographie sowie für öffentliche und viele wissenschaftlich Bibliotheken. Diese Standards sind Modifikationen von AACR2 und MARC. Dänische Studentinnen sind mit diesen Standards vertraut und in gewissem Ausmaß auch in ihrer Anwendung geübt - hauptsächlich durch Selbstunterricht. Wenn die Studentinnen später in der Katalogisierung arbeiten, müssen sie die Standards bei der praktischen Arbeit im Detail lernen.

Die bibliographische Kontrolle, die sich heute in der Produktion von bibliographischen Datensätzen und ähnlichen maschinenlesbaren Produkten, die Dokumente repräsentieren, realisiert, ist für uns der Ausgangspunkt des Katalogisierungsunterrichts.

Bevor die FRBR erschienen waren, verwendeten wir

  • Cutters Katalogprinzipien
  • und die Katalogfunktionen gemäß den Pariser Prinzipien für die Begründung der Anforderungen an die Inhalte bibliographischer Datensätze.

Der Vorteil von Cutters Prinzipien ist, daß sie folgende Erfordernisse zum Ausdruck bringen:

  • Dokumentbeschreibung
  • Funktion des Katalogs, zusammenzuführen und in Beziehung zu setzen, die mit Hilfe von Normdaten erfüllt wird
  • Sacherschließung.

Die Nachteile der Verwendung von Cutters Prinzipien noch in den 1990er Jahren sind:

  • unzeitgemäße Terminologie
  • keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen "work" und "manifestation".

Diese Unterscheidung ist jedoch in den Pariser Prinzipien enthalten. Andererseits haben diese den Nachteil, daß sie nur Ansetzungen für Personen und Titeldaten behandeln.

In 1997 haben wir zum ersten Mal die FRBR (in der Entwurfsfassung) in unser Unterrichtsmaterial eingearbeitet. Nach dem Erscheinen des endgültigen Berichts wurden diese Materialien aktualisiert. Vor 1997 wurden frühere Entwürfe nur für Sepzialkurse herangezogen.

Neben anderen machen die folgenden Punkte die FRBR zu einer hervorragenden Grundlage für den Katalogisierungsunterricht:

  • Im Mittelpunkt steht der bibliographische Datensatz - Cutter und die Pariser Prinzipien behandeln den Katalog; ihre Kriterien für die Definition von Katalog und Sammlung sind jedoch fragwürdig im Licht der heutigen Informationstechnologie, die Fernzugriff und Datentausch möglich macht.
  • Das funktionale Basisniveau der FRBR berücksichtigt alle Datenarten in bibliographischen Datensätzen:
    • beschreibende Daten
    • Ansetzungen für Personen/Körperschaften und Titeldaten
    • Sacherschließungsdaten
    • Lokaldaten.
  • FRBR sind nutzerorientiert, da sie die allgemeinen Nutzeranforderungen, die die Daten zu befriedigen haben, berücksichtigen:
    • finden
    • identifizieren
    • auswählen
    • erwerben oder erlangen.
  • Die Unterscheidung zwischen "work", "expression", "manifestation" und "item" ist überall durchgehalten.
  • Aktuelle Methodologie und Terminologie, durch die die Studentinnen identische Konzepte und Terminologie in Katalogisierung und Systemanalyse vorfinden.

Die Anwendung der FRBR im LIS Foundation Programme (Bachelor Programme)

Ich werde nun schildern, wie der Katalogisierungsunterricht der Royal School of Library and Information Science mit den FRBR im Mittelpunkt strukturiert ist.

Die einzelnen Bestandteile der FRBR werden in einem Kurs mit folgenden Unterpunkten vorgestellt:

  • bibliographische Kontrolle
  • bibliographische Datensätze
  • Nutzeranforderungen
  • Funktionales Basisniveau
  • Entitäten im Begriffsmodell
  • Arten von Verfasserschaft
  • Normdaten.
  • Beschreibungsniveaus

Wenn eine Studentin zum ersten Mal in eine Katalogisierungsklasse kommt, hat sie einige Erfahrung sowohl mit der Suche in bibliographischen und anderen Datenbanken als auch mit dem Internet. Wir beginnen mit dem Hinweis, daß Katalogisierung ein Prozeß ist, der in einem bibliographischen Universum stattfindet. Wir untersuchen bibliographische Daten anhand zahlreicher Fälle von unterschiedlichen Materialien, die Objekte der Katalogisierung und unmittelbare Entitäten der bibliographischen Kontrolle sein können. Wir definieren, daß diese Objekte unter bibliographischer Kontrolle stehen, wenn sie in bibliographischen Datensätzen oder ähnlichen "Ersatzdokumenten" beschrieben sind, die in bibliographische Datenbanken oder andere bibliographische Hilfsmittel übernommen werden. Wir definieren Katalogisierung als einen Prozeß, in dem bibliographische Datensätze für Speicherung in Datenbanken und anschließendes Retrieval produziert werden.

Wenn wir bibliographische Daten für unterschiedliche Materialarten untersuchen, nehmen wir uns auch einige Zeit, um uns mit bibliographischen Datensätzen, die nach unterschiedlichen Regeln und Formaten produziert sind, zu beschäftigen. Dadurch gewinnen die Studentinnen Verständnis für die Unterschiede zwischen

  • den Materialarten, die der bibliographischen Kontrolle unterzogen werden sollen
  • den Katalogisierungsregeln, Formaten und Beschreibungsniveaus
  • den Arten von Daten in bibliographischen Datensätzen.

Wenn dieses Verständnis vorhanden ist, betrachten wir den Gebrauch, der von den bibliographischen Datensätzen gemacht wird. Zu diesem Zweck werden die Nutzeranforderungen gemäß den FRBR vorgestellt

  • finden
  • identifizieren
  • auswählen
  • erwerben oder erlangen.

Wir diskutieren die Situationen des Informationsretrievalprozesses, in denen die Nutzeranforderungen und die verschiedenen Materialarten relevant werden:

  • Suche
  • Anzeige
  • Identifizierung
  • Bewertung der Suchergebnisse
  • Aussonderung nicht relevanter Ergebnisse
  • Neuformulierung von Suchkriterien

Dabei gehen wir beispielhaft bei einigen bibliographischen Datensätzen mehr ins Detail und diskutieren ihre Qualität hinsichtlich der Nutzeranforderungen.

Diese detaillierte Diskussion führt uns zur Vorstellung des funktionalen Basisniveaus, das einen wesentlichen Bestandteil der FRBR ausmacht und in dem ausdrücklich die Erfordernisse angegeben sind, die für die Unterstützung der Nutzeranforderungen benötigt werden:

  • Finde alle "manifestations", die
    • die Werke, für die eine gegebene Person oder Körperschaft verantwortlich ist
    • die verschiedenen "expressions" eines gegebenen Werkes
    • die Werke zu einem gegebenen Thema
    • die Werke einer gegebenen Schriftenreihe enthalten.
  • Finde eine einzelne "manifestation",
    • wenn der Name der verantwortlichen Person oder Körperschaft bekannt ist
    • wenn der Titel der "manifestation" bekannt ist
    • wenn der Identifizierer der "manifestation" bekannt ist.
  • Identifiziere ein "work"
  • Identifiziere eine "expression" eines "work"
  • Identifiziere eine "manifestation"
  • Wähle eine "work" aus
  • Wähle eine "expression" aus
  • Wähle eine "manifestation aus
  • Beschaffe eine "manifestation"

Die Formulierung des funktionalen Basisniveaus erwähnt die meisten Entitäten im "E/R Modell" der FRBR. Die Diskussion sachlicher Entitäten wird im Rahmen des Sacherschließungsunterrichts geführt.

Die Studentinnen finden es nicht schwer, die Entitäten in

  • Gruppe 2: Person, Körperschaft
  • Gruppe 3: Konzept, Objekt, Veranstaltung, Ort zu verstehen.

Andererseits finden es viele Studentinnen schwer die Entitäten in

  • Gruppe 1: Work, Expression, Manifestation, Item
    • "work": abgegrenzte intellektuelle oder künstlerische Schöpfung
    • "expression": intellektuelle oder künstlerische Realisierung eines "work"
    • "manifestation": die physische Verkörperung einer "expression" eines "work"
    • "item": einzelnes Exemplar einer "manifestation" zu verstehen.
Einige Studentinnen finden es unnötig kompliziert, mit den abstrakten Entitäten des Modells zu arbeiten, da man nicht die Entitäten per se "greifen" kann. Sie finden die Definition der Entitäten akademisch und "abgehoben".

Wir versuchen diesen Problemen auf pragmatische Weise zu begegnen:

Wir erläutern, daß es eines der Resultate, die wir mit bibliographischen Datensätzen erzielen wollen, ist, Übereinstimmungen und Unterschiede im Inhalt verschiedener "items" zu dokumentieren. Mit anderen Worten: Welche Beziehung besteht zwischen "items", die wir katalogisieren. Um die Beziehungen zwischen "items" zu erkennen und zu beschreiben, benötigen wir abstrakte Entitäten als Beziehungsgerüst.

Wir untersuchen "manifestations", die

  • dieselbe "expression" eines "work"
  • unterschiedliche "expression" eines "work" beinhalten.

Nachdem wir uns die Entitäten der Objekte, die zur Katalogisierung anstehen, angesehen haben, untersuchen wir die korrespondierenden bibliographischen Datensätze um zu sehen, wie die Entitäten und Beziehungen in den Datensätzen beschrieben werden.

Während dieser Arbeitsprozesse tauchen unvermeidlich die Grundfragen auf:

  • wo sind die Grenzen eines "work"?
  • wie kann man festlegen, wann die Bearbeitung eines "work" ein neues "work" darstellt?

Als Lehrer können wir diese Fragen nicht eindeutig beantworten. Wer wird das können? Wir versuchen pragmatisch vorzugehen. Für Katalogisierungszwecke können wir uns auf Pat Oddy beziehen: "In der Katalogisierung können wir auch ohne eine Definition von "work" leben. - wir haben alle ein Gefühl dafür, wann eine Vorlage ein neues "work" ist und wann eine Vorlage eine "manifestation" eines existierenden "work" ist. Dieses Gefühl basiert vor allem auf unserer professionellen Fähigkeit beurteilen zu können, ob die Zusammenführung von "manifestations" dem Benutzer bei der Suche im Katalog nützlich sein können."

  • Finde alle "manifestations", die ... umfassen
    • führt zu einer Diskussion der Ordnungs- und Beziehungsfunktion
    • welche Methoden stehen für die Umsetzung dieser Anforderung zur Verfügung?
    • führt zu einer Diskussion über Arten der Verfasserschaft und über Authority Control.
  • Finde eine einzelne "manifestation" ...
    • führt zur Diskussion von beschreibenden Daten
    • begründet, daß "manifestations" über ihre spezifischen Daten suchbar gemacht werden
  • Identifiziere ein "work" / "expression" eines "work" / "manifestation"
    • führt zur Diskussion von eindeutigen Daten
    • von individualisierenden Daten
    • von Beschreibungsniveaus
  • wähle ein "work" /"expression" eines "work" / "manifestation" aus
    • führt zur Diskussion der Chancen des Benutzers zur qualifizierten Auswahl aus den vorhandenen Treffern
    • aus den individualisierenden Daten
    • aus den Beschreibungsniveaus
  • Beschaffe eine "manifestation"
    • führt zur Diskussion von Daten, die sich auf den Publikationsvorgang beziehen,
    • von lokalisierenden Daten
    • von Daten zu Systemanforderungen bei elektronischen "manifestations"

Die Verwendung der FRBR im "Master Programme"

In unserem Master Programme sind die FRBR Teil des Lehrplans von zwei, nicht vorwiegend auf Katalogisierung bezogenen Kursen:

  • Systemanalyse und -design
  • Systemevaluation

Im erstgenannten Kurs werden den Studentinnen Methoden, Modelle und Hilfsmittel für die allgemeine Systemanalyse nahegebracht. In Verbindung mit diesem allgemeinen Kurs haben wir einige Katalogisierungsklassen, die die FRBR von Anfang bis Ende studieren. Der Zweck ist:

  • ein konkretes Beispiel für die E/R Analysetechnik bezogen auf bibliographische Daten zu geben
  • die Kenntnis bibliographischer Daten und ihrer Funktion zu verbessern.

Nach der Einführung in die FRBR haben wir den Eindruck, daß sie von den Studenten oft, in Teilen oder komplett, für größere und kleinere Arbeiten genutzt werden. Typische Beispiele für solche Papiere sind:

  • In welchem Umfang stimmt der Standard (das Regelwerk) XX mit den Anforderungen des funktionalen Basisniveaus überein?
  • Erarbeite ein Katalogisierungskonzept für die Bibliothek XX unter Nutzung der "Mapping Attributes and Relationships to User Tasks" (Tables 6.1-6-4)

Im Kurs, der die Systemevaluation zum Inhalt hat, werden die Studentinnen ebenso Methoden, Kriterien und Ansätze zur Bewertung gelehrt wie systemorientierte und nutzerorientierte Bewertung. In diesem Kurszusammenhang haben wir das funktionale Basisniveau als spezielles Bewertungskriterium für bibliographische Daten eingeführt.

Das funktionale Basisniveau kann als Evaluationskriterium auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden:

  • Systemebene: Ist die Systemfunktionalität in Übereinstimmung mit dem funktionalen Basisniveau?
  • Regelwerks- und Formatebene: Können die Regeln und das Format die Anforderungen des funktionalen Basisniveaus umsetzen?
  • Datensatzebene: Sind die Daten, die entsprechend einer bestimmten Katalogisierungspolitik auf einem bestimmten Beschreibungsniveau produziert werden, in Übereinstimmung mit dem funktionalen Basisniveau?

Ideale, Regeln und Katalogisierungspolitik

Die dänische Version der AACR2 sieht keine verschiedenen Katalogisierungniveaus wie das Original vor. In der Einleitung wird dazu gesagt, daß es Sache jeder bibliographischen Agentur ist, ihre Katalogisierungspolitik und ihr Katalogisierungsniveau entsprechend ihren Produkten und den Nutzeranforderungen festzulegen.

Da es die Intention der Regeln ist, von den Anwendern im Detail gestaltet zu werden, behandeln wir im Unterricht nur folgende Themen:

  • Katalogisierungspolitik
  • Katalogisierungsökonomie

Im Hinblick auf diese Themen sind die Kapitel

  • "basic level of functionality"
  • "mapping attributes and relationsships to user tasks" der FRBR besonders nützlich.

"Basic Level of Functionality" skizziert die allgemein gültigen funktionalen Anforderungen, die "tables mapping attributes and relationships to user tasks" sind ein wertvolles Hilfsmittel, um Gewinn/Verlust durch die Einbeziehung/Ausschließung eines Attributs oder einer Beziehung klar zu machen. Selbst wenn man ein Attribut oder eine Beziehung anders bewertet, können die Tabellen doch das Bewußtsein für deren Funktionalität schärfen und zur eigenen Bewertung beitragen.

Wir lehren nicht die FRBR oder ein Regelwerk in Art eines Gesetzbuchs. Wir betrachten beide als Ideale, die, soweit möglich, anzustreben sind, d.h.

  • wenn es für ein bestimmtes Produkt mit einem bestimmten Zweck sinnvoll ist,
  • wenn die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Wir versuchen, den Studentinnen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Funktionalität bewußt zu machen, wenn eine ideale Lösung nicht möglich ist.

Zusammenfassung

Ich habe hoffentlich klar dargestellt, daß wir die FRBR als theoretische Grundlage für den Katalogisierungsunterricht verwenden. Sie sind immer unser Bezugspunkt, wenn wir Katalogisierungsvorgänge diskutieren. Wir verwenden die FRBR als Ideal oder Standard, an dem wir mögliche Lösungen von Katalogisierungsproblemen messen. Wir sind zufrieden mit unseren Erfahrungen bei der Nutzung der FRBR und werden so fortfahren, wie wir begonnen haben.

Literatur

IFLA Study Group on the Functional Requirements for Bibliographic Records. (1998). Functional Requirements for Bibliographic Records : Final Report. München : Saur. (UBCIM Publications. New Series; vol. 19)

Oddy, Pat. (1996). Future libraries, future catalogues. London : Library Association Publishing

Strunck, Kirsten; Lund, Haakon; Thorlund Jepsen, Erik. (1998). Katalogiseringsteori. København: Danmarks Biblioteksskole

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Latest Revision: August 3, 1999 Copyright © 1995-2000
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