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To Bangkok Conference programme

65th IFLA Council and General
Conference

Bangkok, Thailand,
August 20 - August 28, 1999


Code Number: 054-83-G
Division Number: V
Professional Group: Government Information and Official Publications
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 83
Simultaneous Interpretation:   No

Internationaler Amtlicher Schriftentausch

Johannes Metz
Staatsbibliothek zu Berlin
Preussischer Kulturbesitz
Berlin, Germany


Abstract

Internationale Tauschvereinbarungen dienen potentiell dazu, den freien Zugang zu amtlichen Materialien des Auslandes zu erleichtern, ähnlich wie die Depotprogramme für nationale Amtsdruckschriften-Sammlungen mit entsprechenden Fragen der Erwerbung und Archivierung elektronischer Publikationen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen institutionellen Tauschbeziehungen und solchen zwischen Staaten, deren Intention es ist, einander über ihre in den amtlichen Veröffentlichungen dokumentierten Aktivitäten zu informieren. Deshalb hat dieser Bericht vor allem zum Ziel, an die Unesco-Konvention von 1958 über den zwischenstaatli-chen Austausch von amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumenten zu erinnern. Es wird auf die wichtigsten Aussagen und Bestimmungen der Konvention eingegangen sowie die Praxis ihrer Anwendung durch die deutsche Tauschzentrale in der Staatsbibliothek zu Berlin beschrieben.


Paper

Vorbemerkung

Der Zweck dieses Vortrags ist es, zum einen die Konzeption und die rechlichen Grundlagen des internationalen Austauschs amtlicher Veröffentlichungen darzustellen und zu erläutern, und zum anderen über ihre Anwendung durch die deutsche Tausch-zen-trale in der Staatsbibliothek zu Berlin zu berichten. Was die Zukunft dieses Schriftentauschs betrifft, gibt es ähnliche Fragen und Probleme wie bei den nationalen Depotprogrammen und entsprechende Überlegungen, wie sie gelöst werden können.

Im Zuge der technologischen Entwicklung und der zunehmenden weltweiten Vernetzung zeichnen sich neue Methoden des zwi-schenstaatlichen Informationsaustauschs ab. Es ist deshalb es umso wichtiger, den freien Zugang zu solchen Informationen in elektronischer Form nicht nur im Inland, sondern wenigstens auch an einigen zentralen Stellen im Ausland zu ermöglichen. Die Grundidee des internationalen Tauschs ist es, daß jedes beteiligte Land amtliche Materialien von seinem Tauschpartner erhält, um es den inländischen Benutzern direkt zur Verfügung zu stellen. Dies gilt zumindest in allen Fällen, in denen die ausländischen Publikationen nicht auf verschiedene Institutionen im Lande verteilt werden, sondern in der Bibliothek verbleiben, in der die Tausch-zentrale ihren Sitz hat.

Es wird nicht genügen, einen Internet-Zugang zu ausländischen Publikationen zu haben, wenn es ungewiß bleibt, wie lange sie auf den betreffenden Datenbanken vorgehalten werden. Aber selbst wenn ein langfristiger Zugriff gesichert ist, dürfte es dennoch vorzuziehen sein, elektronische Dokumente des Auslandes zu erwerben, um über eine unabhängige und kontinuierliche Sammlung für die künftige historische Forschung zu verfügen. Behörden entstehen und verschwin-den wieder, wie auch die Regierun-gen und deren politische Interessen wechseln. Die Nutzung elektronischer Sammlungen in den betreffenden Nationalbibliotheken setzt voraus, daß diese selbst wirklich alles erhalten und speichern und einen dauerhaften Zugriff darauf gewährleisten können, und dies wiederum unter wechselnden tech-nischen Bedingungen. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß friedliche bzw. freundschaftliche Verhält-nisse zwischen den Staaten ebenfalls dem Wechsel unterworfen sind. Wenn diese Auffassung von den zentralen Amtsdruckschriften-Bibliotheken allgemein geteilt wird, dann folgt daraus, daß die über das Internet erhältlichen Texte heruntergeladen, kopiert oder ausgedruckt und in den allgemeinen bzw. speziellen elektronischen Bestand der Bibliothek überführt werden sollten. In der Gegenwart verläuft der Tausch jedoch noch weitgehend in den traditionellen Bahnen, wobei CD-ROMs und Disketten auf die gleiche Weise wie konventionelles gedrucktes Material geliefert werden. Um sie auf Dauer zu erhalten, müssen sie - wie alle anderen elektronischen Formate - in Abständen umkopiert werden. Hinzu kommen Probleme der Aufbewahrung der für das Lesen solcher Publikationen notwendigen Software.

Die Unesco-Konventionen von 1958

Lassen Sie mich nun die internationalen Rechtsgrundlagen des amtlichen Schriftentauschs vorstellen, deren Prinzipien auch für die Zukunft gültig sein dürften. Die Generalkonferenz der Unesco hat auf ihrer 10. Tagung am 3. Dezember 1958 in Paris zwei Kon-ventionen verabschiedet: die "Convention Concerning the International Exchange of Publications" und die "Convention Concerning the Exchange of Official Publications and Govern-ment Documents between States". Zum besseren Verständnis einzelner Festlegungen und Formulie-rungen wäre es von Interesse, auf die vorausgegangenen Verhandlungen und Erörterungen der Thematik vor allem in den von der Generaldirektion der Unesco veranstalteten Experten-Konferenzen im Februar 1956 und Mai/Juni 1958 näher einzugehen. Doch würde dies hier zu weit führen. Erwähnen möchte ich aber folgende Punkte:

Ursprünglich war ein gemeinsame Konvention für den Austausch von amtlichen und nicht-amtlichen Veröffentlichungen vorgesehen. Auf Anregung von Frankreich entschied man sich schließlich für zwei getrennte Konventionen, welche die unterschiedliche Natur des "amtlichen" und des allgemeinen "wissenschaftlichen" Schriftentauschs klarer zum Ausdruck bringen. Im letzteren Fall handelt es sich um individuelle Tauschbeziehungen zwischen in- und ausländischen Institutio-nen (einschl. amtlicher Körperschaften), die von den Vertragsstaaten lediglich zu fördern und zu erleichtern sind. Im ersteren Fall hingegen verpflichten sich die Vertragsstaaten (mit den in der Konvention festgelegten Einschränkungen) selbst dazu, miteinander in Tausch-beziehungen treten, um sich gegenseitig über die in ihren amtlichen Publikationen dokumentierten Aktivitäten zu informieren.

Die neuen Konventionen sollten die frühere Brüsseler "Convention for the In-terna-tional Exchange of Official Documents, Scientific and Literary Publications" von 1886 (1) ersetzen, weil sich diese als unzulänglich erwiesen hatte. Ihr Hauptschwäche war, daß sie die beteiligten Staaten automatisch zum jeweiligen Austausch ihrer sämtlichen Amtsdruck-schriften mit allen anderen Staaten ver-pflichtete, was zur Folge hatte, daß ihr wichtige Staaten wie Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Sowjetunion nicht beitraten. Kritisiert wurde an der Brüsseler Konvention außerdem die als zu vage bzw. nicht mehr zeitgemäß angesehene Definition des auszutauschenden amtlichen Schrift-tums, das neben "official documents, parliamen-tary and administrative, which are published in the country of their origin" alle "works executed by the order and at the expense of the governments" einschloß; dies erschien vor allem in Hinblick auf solche Länder problematisch, bei denen die Buchproduktion zum großen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Allerdings hat man auch bei den Beratungen der neuen, den amtlichen Schriftentausch betreffenden Kon-vention von dem Versuch einer genaueren Definition des Begriffs Amtsdruck-schriften schließlich Abstand genommen.

Betrachten wir die wichtigsten Aussagen und Bestimmungen der Convention Concerning the Exchange of Official Publications and Govern-ment Documents between States, die in der deutschen amtlichen Übersetzung lautet: "Übereinkommen über den zwischenstaatli-chen Austausch von amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumenten". (2) Schon mit dieser Bezeichnung ist ausgedrückt, daß es sich hier um unmittelbare Tauschbeziehun-gen zwischen den Vertragsstaaten handelt. Die Grundsätze dieser Tauschbeziehun-gen sind in den Artikeln 1 - 3 niedergelegt.

In Artikel 1 geben "die Vertragsstaaten ... ihrem Willen Ausdruck, ihre amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumente auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und gemäß den Bestimmungen dieses Übereinkommens auszutauschen". Mit der Formel "geben ihrem Willen Ausdruck" sollte eine unmittelbare Verpflichtung der einzelnen Staaten, mit allen anderen Vertragsstaaten in Tauschbeziehungen zu treten, vermieden werden; ansonsten hätte man wieder das gleiche Problem wie bei der Brüsseler Konvention von 1886 gehabt. Somit bedeutet aber die 1958 einstimmig erfolgte Annahme des Übereinkommens durch die Generalversammlung der Unesco und die folgende Ratifikation bzw. Annahme durch die einzelnen Mitgliedstaaten rechtlich gesehen auch nur ein unverbindliche Zusage zum gegenseitigen Austausch der amtlichen Veröffentlichungen. Dennoch bietet sie einen gewissen Rückhalt, wenn es um die Anknüpfung solcher Tauschbeziehungen mit einzelnen Vertragsstaaten und die techni-sche Durchführung des Tauschs geht. Entsprechend weist unsere Tauschzentrale bei der Aufnahme neuer Tauschbeziehungen jeweils ausdrücklich darauf hin, daß der Austausch nach den Bestimmun-gen dieser Konvention erfolgt, und zwar auch gegen-über Staaten, die (noch) nicht dem Übereinkommen beigetreten sind. Bezüglich des Austauschs "auf der Grundlage der Gegenseitigkeit" ist anzumerken, daß bei allen Tauschbeziehungen das Prinzip der Ausgewogenheit, des Gleichge-wichts von Gabe und Gegen-gabe gilt. Ein einzelner Staat mag zusätzliches Material liefern, insbesondere wenn er daran interessiert ist, im Partnerland mit seinen Publikationen präsent zu sein.

Artikel 2 bietet eine "Bestimmung des Begriffs amtliche Veröffentlichungen und Regierungsdokumente", die jedoch, wie schon erwähnt, keinen Anspruch auf Genauigkeit und Allgemeingültigkeit erhebt, sondern lediglich eine gewisse Vorstellung von dem Gegenstand des zwischenstaatlichen Austauschs geben soll. Dies erfolgt hauptsächlich durch die Aufzählung von als typisch anzusehenden Arten amtlicher Publikationen, auf die man sich in den vorbereitenden Expertengesprächen schließlich geeinigt hatte, nämlich "Amtsblätter, Dokumente, Berichte und Jahrbücher der Parlamente und sonstige Texte gesetzgebender Körperschaften; Veröffentlichungen und Berichte zentraler, föderativer oder regionaler Staatsbehörden aus dem Bereich der Verwaltung; nationale Bibliographien, amtliche Handbücher, Gesetzessammlungen, Gerichtsentscheidungen und andere Veröffentlichungen, deren Austausch vereinbart wird". Der Hinweis "und andere Veröffentlichungen ..." unterstreicht den Beispielcharakter der zuvor genannten Gruppen und ermöglicht die Einbeziehung von weiteren Dokumenten, die in einzelnen Ländern als amtlich angesehen und für den Tausch zur Verfügung gestellt werden. Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, daß die betreffenden Publikationen "im Auftrag und auf Kosten einer innerstaatlichen Behörde herausgegeben werden". Diese nähere Bestimmung von amtlichen Materialien wurde fast wörtlich aus der Brüsseler Konvention von 1886 übernommen, stand aber dort in einem anderen textlichen Zusammenhang. In der neuen Konven-tion ist sie allen aufgeführten Beispielen als Maßstab für "amtliche" Veröffentlichungen vorangestellt. Eine solche Prämisse halte ich für problematisch, da es sehr wohl auch amtliche Publikationen geben kann, die nur zum Teil bzw. nur indirekt aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Maß-geblich sollte der öffentlich-rechtliche Status des Herausgebers oder Auftraggebers der jeweiligen Schrift sein, ohne prüfen zu müssen, in welchem Umfang die betreffende Institution auch finanziell beteiligt ist. Nun spielt dies in der Praxis keine wesentli-che Rolle, da die Tauschpartner sich gegenseitig nur solche Publikationen anbieten können, die in ihrem Land als "amtlich" gelten. Im übrigen steht es - laut Artikel 2, Ziffer 2 - den Vertragsstaaten generell frei "zu bestimmen, welche amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumente Gegenstand des Austausches sein sollen"; ausge-schlossen werden jedoch "vertrauliche Dokumente, Rundschreiben und sonstige Schriftstücke, die nicht veröffentlicht sind" (Art. 2, Ziffer 3).

Ein besonderes Gewicht kommt Artikel 3 zu, der bestimmt, daß "die Vertragsstaaten ... in allen Fällen, in denen sie es für angebracht halten, zweiseitige Abkommen zur Durchführung dieses Übereinkommens und zur Regelung der sich bei seiner Anwendung ergebenden Fragen von gemeinsamem Interesse" schließen. Gemeint sind damit "formale" Regierungsabkommen, die normalerweise durch Notenwechsel abgeschlossen werden. Die Alternative sind direkte "formlose" Vereinbarungen oder der Abschluß von sog. Verwaltungsabkommen zwischen den für den Tausch zuständigen Stellen. Auf jeden Fall sind zweiseitige Abkommen - in welcher Form auch immer - unabdingbar, um den Austausch zwischen den einzelnen Vertragsstaaten überhaupt in Gang zu bringen, zumal das Übereinkommen die Klärung bestimmter Fragen wie die der zu tauschenden Publikationen solchen Vereinbarungen überläßt. In Verbindung mit Artikel 1 sind sie auch unter dem rechtlichen Aspekt erforderlich: erst durch sie tritt an die Stelle der "Willensäußerung" eine verbindliche Zusage des Austauschs amtlicher Veröffentli-chungen. Formlose Vereinbarungen kommen im allgemeinen durch einen einfachen Briefwechsel zustande, indem die eine Seite die Aufnahme von Tauschbeziehungen vorschlägt und die andere Seite dem zustimmt. Absprachen über das verfügbare und gewünschte Material werden dann im Zuge des weiteren Schriftwechsels getroffen. In der Praxis ist es weder für den Umfang noch für die Qualität der Tauschbeziehungen von Belang, ob diese auf einem Regierungsabkommen oder einer formlosen Vereinbarung beruhen. Allerdings kann eine formlos getroffene Tauschvereinbarung von jeder Seite ebenso formlos beendet werden, während ein Regierungsabkommen auf diplomatischem Wege gekündigt werden muß. In manchen Ländern werden die Tauschzentralen vielleicht ein Regierungsabkommen vorziehen, um die Beschaffung von amtlichen Publikationen für Tauschzwecke zu erleichtern.

In den folgenden Artikeln geht es um die technische Durchführung des Tauschs. Gemäß Artikel 4 obliegen "die auf den Austausch bezüglichen Aufgaben ... in jedem Vertragsstaat dem staatlichen Austauschdienst oder, in Ermangelung eines solchen, der zentralen Behörde oder den zentralen Behörden, die hierzu bestimmt sind". Diese "sind in jedem Vertragsstaat für die Anwendung dieses Übereinkommens und gegebenenfalls der zweiseitigen Abkommen gemäß Artikel 3 verantwortlich". Zu diesem Zweck sollen sie die "Befugnis" erhalten, "sich die auszutauschenden Dokumente zu beschaffen", und mit ausreichenden Geldmitteln "zur Durchführung des Austausches" versehen werden. Die Ermächtigung der Tauschbehörden zur Beschaffung der eigenen Tauschgaben ist eine wesentliche Voraussetzung ihrer Arbeit. Dazu bedarf es einer klaren innerstaatlichen Regelung. Diese kann gewiß auch in der Weise erfolgen, daß die Regierung Mittel für den Kauf der erforderlichen Tauschexemplare bereitstellt. Doch ist in dem Übereinkommen wohl vornehmlich an nationale Erlasse zur Abgabe von Freiexemplaren für Tauschzwecke gedacht. Jedenfalls bezieht sich nach meiner Interpretation des Wortlauts des Artikels die Verpflichtung der Vertragsstaaten, "ausreichende Geldmittel" bereitzustellen, nicht auf das Tauschmaterial, sondern auf die Unterhaltung der Tauschstelle selbst (einschl. der Versandkosten etc.). Wesentlich ist, daß jede Seite ihre eigenen amtlichen Veröffentlichungen (einschl. Parlamentsschriften), wie vereinbart, liefert. Für die Behandlung der eingehenden Materialien gibt es keine Festlegungen. Viele Tauschzentralen in National- oder Parlamentsbibliotheken werden sie in den eigenen Bestand aufnehmen. Aber sie haben natürlich das Recht, im Tausch erworbene Publikationen an andere inländische Bibliotheken oder Behörden weiterzugeben, die sie dann auch auf Dauer erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen sollten.

Artikel 5 legt fest, daß "Verzeichnis und Anzahl der auszutauschenden amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumente" von den Tauschbehörden der Vertragsstaaten "im gegenseitigen Einvernehmen" bestimmt werden und daß "dieses Verzeichnis und diese Anzahl ... durch Vereinbarung zwischen diesen Behörden geändert werden" können. In der Praxis handelt es sich jedoch meist um vom Tauschpartner zusammengestellte Angebotslisten laufend erscheinender Publikationen, die von ihm einseitig modifiziert werden, wenn bestimmte Titel nicht mehr erscheinen oder für den Tausch nicht mehr zur Verfügung stehen oder wenn neue Titel angeboten werden sollen. Ich denke, daß dies auch die Praxis bei elektronischen Dokumenten sein wird.

Die Artikel 6 bis 9 regeln Fragen der Übermittlung und des Transports des Tauschmaterials: "Die Übermittlung kann unmittelbar an die Austauschbehörden oder an jeden von diesen Behörden bezeichneten Empfänger erfolgen." Die Kosten der Beförderung bis zum Bestimmungsort sind in der Regel von der betreffenden Austauschbehörde zu tragen; beim Überseeversand übernimmt sie jedoch nur die Verpackungs- und Transportkosten "bis zum Zollamt des Ankunftshafens". In diesem Zu-sammenhang werden die Vertragsstaaten verpflichtet, "alle erforderlichen Maßnahmen" zu treffen, "um den Austauschbehörden, gleichgültig, ob zur Beförderung Post, Straße, Eisenbahn, Fluß- oder Seeweg, Luftpost oder Luftfracht benutzt werden, die günstigsten Beförderungssätze und -bedingungen zugute kommen zu lassen". Des weiteren sollen sie ihnen "Zollfreiheit" für das eingeführte oder ausgeführte Material sowie "die günstigste Behandlung bei der Zollabfertigung und anderen Förmlichkeiten" gewähren.

Die übrigen Artikel 10 bis 22 des Übereinkommens betreffen im wesentlichen administrative bzw. juristische Fragen. Erwähnen möchte ich hier nur Artikel 15 (Ziffer 1) und 16: Das Übereinkommen "bedarf der Ratifikation oder der Annahme durch die Mitgliedstaaten" der Unesco "nach Maßgabe ihrer verfassungsmäßigen Verfahren". Es "liegt für jeden Nichtmitgliedstaat der Organisation ... zum Beitritt auf", der vom Exekutivrat der Unesco dazu eingeladen wird.

Nach dem Stand vom 31.12.1993 sind dieser Konvention 50 Staaten beigetreten, darunter in jüngster Zeit: Estland (Ratifikation, 1993), Litauen (Annahme, 1993), Tschechische Republik, Slowakische Republik, Georgien und Tadschikistan (Übernahmeerklärungen als Nachfolgestaaten, 1992 bzw. 1993). (3)

Internationaler Amtlicher Schriftentausch in Deutschland

Zum Schluß möchte ich kurz über die Praxis des amtlichen Schriftentauschs in der Bundesrepublik Deutschland berichten. Die für die Anwendung der betreffenden Unesco-Konvention ver-antwortliche Tauschzentrale ist die Abteilung Amtsdruckschriften und Internationaler Amtlicher Schriftentausch der Staatsbibliothek zu Berlin. Die Ratifizierung der Konvention durch die Bundesrepublik erfolgte erst im Jahre 1969. (4) Diese verhältnismäßig späte Ratifizierung hängt mit der im föderativen System der Bundesrepublik vorgesehenen Beteiligung der Bundesländer am Ratifizierungsverfahren zusammen, da nach Artikel 2, Ziffer 1 neben Ver-öffentlichun-gen zentraler Staatsbehörden grundsätzlich auch solche von föderativen und regionalen Behörden in den Austausch einbezogen sind.

Für die Verrichtung des Tausches gibt es Erlasse des Bundes und der meisten Bundesländer, die die Abgabe von Freiexemplaren ihrer Veröffentlichungen an die Staatsbibliothek zu Berlin bzw. an die Abteilung für Zwecke des internationalen amtlichen Schriftentauschs regeln, und zwar beim Bund auf Anforderung bis zur Höhe von 20 Exemplaren, bei den Ländern jeweils bis zu 10 Exemplare. Parlamentsschriften (Bundesrat, Bundestag, Landesparlamente) sind durch die Abgabeerlasse der "Exekutive" nicht erfaßt, werden aber ebenfalls für Tausch-zwecke kostenlos abgegeben. Diese Regelungen ermöglichen es der Abteilung, eine "Tauschliste laufend erscheinender Amtsdruckschriften der Bundesrepublik Deutschland" zu erstellen. Die Liste wird in größeren Abständen aktualisiert, indem nicht mehr erscheinende oder nicht mehr für den Tausch erhältliche Titel gestrichen und ggf. neue Titel aufge-nommen werden. In letzter Zeit gab es wiederholt Probleme mit der Abgabebereit-schaft einzelner Bundes-behör-den, insbesondere bei Bitten um Erhöhung der Exemplarzahl wegen Neubestellungen von Tausch-partnern. Die Abteilung pflegt in solchen Fällen darauf hinzuweisen, daß sie den Inter-nationalen Amtlichen Schriftentausch für die Bundesrepublik nur wahrnehmen kann, wenn die Abgabe der Veröffentlichungen der betreffenden Einrichtungen des Bundes in der erforderli-chen Anzahl gewährleistet ist. Eine "Fußangel" bei den jeweiligen Auseinandersetzungen ist die in den Tauscherlassen sowohl des Bundes als auch der Länder enthal-tene Einschränkung der Abgabe-pflicht aus Etatgründen ("nicht zumutbare" oder "nicht vertret-bare" Etatbelastung). Der Bundeserlaß läßt offen, in wel-chen Fällen eine "nicht zumutbare Etatbe-lastung" konkret entsteht. Deutlicher äußern sich die Ländererlasse, die sich hier auf die Kosten des Einzelexemplars beziehen. Dies dürfte auch im Bundeserlaß so gemeint sein. Eine nicht zumutbare Etatbelastung kann m.E. überhaupt nur geltend gemacht werden, wenn es sich um sehr teure Publikationen handelt, nicht aber wegen der Anzahl der abzugebenden Tauschexem-plare. Ansonsten verlöre die Anforderungsmöglichkeit bis zu 20 Exemplare ihren Sinn. Wegen der hier geschilderten Abgabeeinschränkung werden CD-ROMs und Disketten noch nicht in unserer offiziellen Tauschliste angeboten, selbst wenn sie teilweise für Tauschzwecke erhältlich sein mögen.

Tauschbeziehungen bestehen zur Zeit mit 38 Staaten, davon mit 10 Ländern auf der Basis von Regierungsabkommen (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Israel, Kanada, Nieder-lande, Norwegen, Spanien, USA), mit den übrigen auf der Grundlage formloser Vereinbarungen oder "Verwaltungsabkommen" mit den betreffenden Tauschzen-tralen, häufig den Nationalbiblio-theken (außerhalb Europas u.a. Japan, Südkorea und Taiwan). Bis 1995 bzw. 1998 hatten wir auch Tauschbeziehungen mit Australien und Südafrika. Da es sich hierbei um formlose Vereinbarungen handelte, konnten sie von unseren Partnern direkt und ohne Kündigungsfrist beendet werden. Die Nationalbibliothek von Australien (Canberra) gab als Begründung eine Änderung ihrer Sammelprioritäten mit Konzentration auf Materialien aus der asiatisch-pazifischen Region an. Die südafrikanische Staatsbibliothek (Pretoria) verwies auf einen sinkenden Etat sowie eine neue Sammelpolitik und informierte uns, daß sie alle Tauschver-einbarungen für Materialien in anderen Sprachen als Englisch beendet hat.

Die im Tausch geliefer-ten Amtsdruckschriften werden in der Regel nicht an andere deutsche Stellen weitergegeben, sondern in der Staatsbibliothek gesammelt und der Benutzung am Ort und im Leihverkehr uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Umfang und Inhalt der eingehenden ausländischen Materialien werden durch die realen Ab-gabemöglichkeiten des jeweiligen Tauschpartners bestimmt. Dies entspricht sowohl den Bestim-mungen der Unesco-Konvention als auch der Praxis bilateraler Verein-barungen, und zwar unabhängig von der Form, in der sie getroffen werden. Insofern erfolgt der zwischenstaatliche Austausch amtlicher Veröffentlichun-gen qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich. Im Vordergrund stehen Parlamentsschriften, Gesetzesblätter, Statistiken und andere Veröffentlichungen der Ministerien und zentraler staatlicher Einrichtungen. Die Auswahl der ausländischen Publikationen wird von der Abteilung u.a. anhand von Angebotslisten und National-bibliographien getroffen. Aus den USA, Kanada und Ja-pan erhält die Abteilung einen Full set, d.h. eine von dem jeweili-gen Land zusammengestell-te große Titelmenge. Bezüglich Kanadas hat die Staatsbibliothek zu Berlin den Status einer Full Depository Library. Die US-amerikanischen Amtsdruckschriften (nur der Bundesregierung und des U.S. Congress) werden seit 1982 zu 95 % in Form von Mikro-fiches geliefert; wegen ihres Umfangs wird diese Sammlung nicht katalogisiert, sondern geschlossen in der Abteilung nach der "Superintendent of Documents classifi-cation number" aufgestellt.

Hauptsächlich werden laufende Zeitschriften und Serien getauscht. Dabei handelt es sich in der Regel um Printmedien (Papierausgaben und Mikroformen); vermehrt gehen neben Disketten (z.T. als Begleitmaterial) auch CD-ROMs ein. Von der Library of Congress erhalten wir seit 1996 zusätzlich zu den regulären Lieferungen in Mikrofiche- und Papierform zahlreiche statistische und andere Veröffentlichungen von fast allen Ministerien der US-amerikanischen Bundesregierung auf CD-ROM. Die Anzahl der Gaben und Gegengaben soll zwar in etwa ausgewogen sein, bei den Ländern jedoch, die uns einen Full set ihrer amtlichen Veröffentli-chungen zur Verfügung stellen, überwiegen deren Gaben die deutschen Gegengaben zum Teil beträchtlich. Angesichts der rapiden Ausweitung des elektronischen Publikationsverfahrens und des Internet-Zugriffs ist die Zukunft der Full sets ungewiß. Ähnlich wie die USA, die auf dem Wege zu einem elektronischen Depository Library Program sind, plant Kanada eine Umbildung seines Depository Services Program, in dessen Rahmen "resource"-Bibliotheken mit spezieller Verantwortung für elektronische Informationen eingeführt werden sollen. (5) Gegenwärtig sind davon nur kanadische Institutionen betroffen, so daß wir noch nicht wissen, wie sich das neue Modell auf die ausländischen Depot- und Tauschprogramme auswirken wird. Bestimmte Publikationen der kanadischen Bundesregierung werden nur noch im Internet angeboten. Dazu gehören auch "low demand titles" von Statistics Canada. Um einen unentgeltlichen Zugang zu diesen und allen anderen Publikationen in der Sammlung elektronischer Publikationen des Depository Services Program zu haben, wurde auf unsere Bitte die IP-Adresse eines PC in der Abteilung entsprechend registriert.

Ein Amtsdruckschriftentausch mit möglichst allen Staaten der Welt verbietet sich aus praktischen Gründen aufgrund der verschiedenen Interessen, politischen Systeme, Sprachen und Kulturen, sofern es nicht traditionelle Beziehungen zu den betreffenden Ländern gibt. Die Abteilung ist vor allem darum bemüht, mit den europäi-schen Ländern, mit denen noch keine Tauschbeziehun-gen bestehen, Tauschverträge abzuschließen. Die sich dabei erge-benden Schwierigkeiten haben verschiedene Gründe. So erlauben z.B. Personal- oder Etatengpässe in einzelnen National-biblio-theken die Durchführung eines Tausches nicht. Oder es besteht dort keine Möglichkeit, genügend Freiexemplare von Amtsdruckschriften für den Tausch zu erhalten. Probleme bereiten auch die häufigen Überschneidungen des zwischenstaatlichen Schriftentauschs und des "institutionellen" Schriftentauschs der Staats-bibliothek mit mittel- und osteuropäischen Nationalbibliotheken, die zwischen den verschiedenen Arten des Tauschs nicht zu trennen wissen bzw. keinen Unterschied zwischen amtlichen und nicht-amtlichen Veröffentlichun-gen machen. Bei Angeboten oder Anforde-rungen von nicht-amtlichen Publikationen steht unsere Abteilung deshalb im ständigen Kontakt mit der Osteuropa-Abteilung der Bibliothek, um diese Fällen jeweils pragmatisch zu lösen.

Die Philosophie des zwischenstaatlichen Austauschs amtlicher Veröffentlichungen ist "die freie Verbreitung des Gedanken- und Wissensguts unter den Völkern der Welt" (Präambel der Konvention). Praktisch gesehen dient der Schriftentausch dem Zweck sicherzustellen, daß es in den beteiligten Ländern an einer oder an mehreren Stellen umfassende Sammlungen ausländischer Amtsdruckschriften gibt, die aufgrund sinkender Etats und einer oft zu geringen Bewertung dieser Schriftengattung, aber auch wegen mangelhafter bibliographischer Nachweise sonst nicht erworben würden. Allerdings kann auch die Einrichtung des Internationalen Amtlichen Schriftentauschs ihren Zweck nicht erfüllen, wenn die der Unesco-Konvention beigetretenen Staaten ihrer jeweiligen Tauschstelle nicht die erforderliche Anzahl von Freiexem-plaren oder die entsprechenden Mittel für deren Beschaffung zur Verfügung stellen. Dies dürfte analog für den Austausch von Regierungsinformationen im elektroni-schen Zeitalter gelten. Die Methoden ändern sich, nicht aber die in der Konvention niedergelegten Pflichten und Ziele.

Anmerkungen

  1. Am 15. März 1886 wurden in Brüssel zwei interna-tiona-le Tauschvereinbarungen ge-schlos-sen: die hier behandelte "Convention A for the in-terna-tional exchange of official docu-ments, scientific and literary publications" und die "Convention B for the immediate exchange of official journals, public parliamentary annals and docu-ments", in welcher sich die betreffenden Regierungen außerdem verpflichteten, je ein Exem-plar der genann-ten Publika-tionen sofort nach Erscheinen den "legislative chambers of each Contracting State" zu übermit-teln. Zu den Unterzeichnerstaaten der beiden Konventionen gehörten 1886 Belgien, Brasilien, Italien, Portugal, Serbien, Spanien, die USA sowie (nur der Konvention A) die Schweiz. - Texte der Konventionen s. Handbook on the international exchange of publications. Manuel des échanges internationaux de publications. ... 3rd edition. Paris: Unesco, 1964, S. 61-62 (englische Fassungen der französischen Originaltexte; russische Fassun-gen: S. 302-303).

  2. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 5. Dezember 1958 über den zwischenstaatli-chen Austausch von amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumenten vom 20. Mai 1969 (Bundesgesetzblatt II S. 997-1011) mit Veröffentlichung des Übereinkommens in englischer, französischer, spanischer und russischer Sprache und in einer deutschen Übersetzung, aus der im folgenden zitiert wird.

  3. Unesco's Standard-setting Instruments. V.1.A.2. Paris 1980, einschl. Suppl. 3 (1994).

  4. S. Anm. 2.

  5. Vgl. den Bericht von Vivienne Monty (Chair of the Depository Services Remodelling Committee): Proposal for a revised Model Depository System, June 2, 1998.

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Latest Revision: August 10, 1999 Copyright © 1995-2000
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