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63rd IFLA General Conference - Conference Programme and Proceedings - August 31- September 5, 1997

Neue Entwicklungen bei Bibliotheksdienstleistungen und -technologie: Die Modernisierung der Informationsdienstleistungen der Parlamentsbibliothek der Tschechischen Republik

Karel Sosnar
Direktor
Parlamentsbibliothek
Parlament der Tschechischen Republik


Zusammenfassung

Dieser Vortrag wird den Vergleich von Dienstleistungen auf dem Gebiet der bibliographischen Arbeit und allgemeiner bibliothekarischer Dienstleistungen in einer traditionellen Bibliothek, einer vollständig automatisierten Bibliothek und einer elektronischen, „virtuellen" Bibliothek behandeln. Dieser Abhandlung folgt eine Beschreibung der Digitalisierung des Kartenkataloges (ein Retrokonversionsprojekt) und der parlamentarischen Berichte als Volltext (ein „Elektronische Bibliothek - Tschechisches Parlament" genanntes Projekt). Der Vortrag schließt mit der Beschreibung eines Projektes zur Erstellung eines wissensbasierten Zugangssystems für die Benutzer der Parlamentsbibliothek.


Das Informationszeitalter ist im Vergleich zur postindustriellen Gesellschaft durch die Tatsache gekennzeichnet, daß es sich immer weniger mit Materie und immer mehr mit Information befaßt. Zur Veranschaulichung dieses Punktes: während vor 20 Jahren eine Produktionseinheit zu 80 Prozent aus Materie und zu 20 Prozent aus Information bestand, ist es heute gerade umgekehrt. Oder um es auf eine andere Art zu sagen: Wenn Sie Ihren Körper als biologische Materie verkaufen wollten, bekämen Sie in New York ungefähr 7 US-Dollar dafür. Ihr Körper besteht zum größten Teil aus Wasser, einer kleinen Menge Kalzium und ein paar wenigen wertvolleren Spurenelementen. Wenn Sie jedoch ihr Erbgut, d.h. Ihre genetischen Informationen, verkaufen wollten, bekämen Sie 7000 US-Dollar.

Man kann diese Sache auch noch anders darstellen. In einer Geschichte wird erzählt, daß der Wagen eines Mannes eine Panne hat. Glücklicherweise geschieht dies in der Nähe eines Dorfes. Also klopft er bei der nächstgelegenen Tür an und fragt einen Dorfbewohner: „Kennen Sie sich mit Autos aus? Mein Wagen hat gerade eine Panne." „Nun, ich bin zwar kein Kfz-Mechaniker, aber ich werde ihn mir einmal ansehen", sagt der Dorfbewohner. Er nimmt einen Schraubenzieher, öffnet die Motorhaube, betrachtet eine Weile den Motorraum und schraubt etwas fest. „Es müßte jetzt in Ordnung sein", sagt er. Der Wagen läuft wirklich, und der Fahrer sagt mit glücklicher Stimme: „Vielen herzlichen Dank, Sie haben mich gerettet. Was macht das?" „ Das ist keine große Sache", behauptet der Landmann. „Aber ich würde mich freuen, Ihnen etwas Geld zu geben. Sagen Sie mir nur, wieviel", besteht der Fahrer auf seinem Angebot. „In Ordnung", stimmt der Dorfbewohner zu „geben Sie mir hundert Dollar." Diese Antwort ist für den Fahrer ziemlich überraschend. „Was? Hundert Dollar? Sie haben doch nur eine Schraube angezogen!" „Möchten Sie eine genau spezifizierte Rechnung? Ich werde Ihnen eine schreiben", ist die Antwort. „Daran bin ich wirklich interessiert" erwidert lautstark der Wagenbesitzer. Der Dorfbewohner schreibt: „Für das Anziehen einer Schraube - 1 Dollar, für das Wissen, welche Schraube - 99 Dollar."

Das ist es, worum es in dem neuen Zeitalter geht. Um die Fähigkeit, die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt auszuwählen, zu wissen wann, wo und wie zu suchen ist und nicht das zu entdecken, was schon entdeckt worden ist. Für Bibliothekare bedeutet dies, daß sie ihre Benutzer mit der Information vorsorgen müssen, die diese verlangen, in der Form, die sie wünschen, zu dem Zeitpunkt, an dem sie sie benötigen und an den Ort, an dem sie die Information vorliegen haben möchten. Was eine Bibliothek als Informationsinstitution anbieten kann oder was sie gern tun möchte, ist nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, was gefragt wird.

Somit kommen wir zu den Bibliotheken als solche. Die Informationsgesellschaft durchläuft Entwicklungsstufen ähnlich den Entwicklungsstufen einer Bibliothek: von der traditionellen Bibliothek über die automatisierte Bibliothek zur elektronischen Bibliothek und schließlich zur „virtuellen" Bibliothek. Während dieses Prozesses sind auch ihre geschichtliche Form, ihre wichtigsten Ziele und ihr Dienstleistungsangebot dabei, sich auf eine dramatische Weise zu verändern.

Um es deutlicher zu sehen, kann man sich ein Bild von den Unterschieden der Entwicklungsstufen machen. In einer traditionellen Bibliothek findet man gedruckte Dokumente, Leser, Bibliothekare und Katalogkästen. Eine automatisierte Bibliothek, die den Zugang zu ihren gedruckten Dokumenten mit Hilfe von Online-Katalogen (OPACs) ermöglicht und die eine Retrokonversion ihrer Zettelkataloge durchgeführt hat, ist physisch nicht mit Katalogkästen ausgerüstet. Eine elektronische Bibliothek, die eine Anbindung an das Internet hat, durch die sie den Zugang zu ihren digitalisierten (ursprünglich gedruckten) Büchersammlungen ermöglicht, behält in physischer Hinsicht keine Regale mit Büchern und Zeitschriften. Die Bibliothek wird optisch gesehen kleiner. Eine virtuelle Bibliothek, so wie man sie kennt, existiert physisch eigentlich nicht, so daß sie auch keine Bibliothekare benötigt. Ihre Informationsmittel können über die ganze Welt verstreut sein, ihre vorliegende Information an sich ist nicht an einem Ort zusammengetragen. Der Zugang zu der Information erfolgt am Ort und zur Zeit der ursprünglichen Entstehung der Information. Somit gibt es nur eine Beziehung zwischen dem Hersteller (Autor oder Datenquelle) und dem Empfänger (Leser oder Benutzer) einer Information. In dieser Situation wird der in einer traditionellen Rolle als Hüter und Bereitsteller von Informationen verbleibende Bibliothekar völlig überflüssig. Wir wissen nicht, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist oder ob dieses jemals eintreffen wird.

Was wir aber wissen und im Gedächtnis behalten müssen, ist die Tatsache, daß die typischen Bibliotheksdienstleistungen wie das Führen eines Kataloges und das Ausleihen von Büchern, ihre ursprüngliche Hauptbedeutung in einer elektronischen (digitalen) Bibliothek verlieren, in deren Richtung wir uns alle zur Zeit hinbewegen. In der Praxis ist das an dem Rückgang der registrierten Ausleihen und der Leseranzahl zu erkennen. Zur gleichen Zeit gibt es aber einen Anstieg der Benutzerzahlen (Verbraucher von Information). Dieser Trend wird sogar noch ausgeprägter werden, weil:

  1. die Entwicklung der Informationsdienstleistungen weg geht von der Bereitstellung von sekundärer bibliographischer Information hin zu einer Fakten- und Volltext-Information und von dem Zusammentragen von Informationen zu einem Zeitpunkt in Richtung ununterbrochene Bereitstellung der Information (24 Stunden lang)
  2. der kommerzielle Austausch von Dokumenten oft direkt zwischen dem Unternehmen, das das Dokument hergestellt hat, und dem Zielbenutzer durchgeführt wird. Dadurch entsteht eine starke Konkurrenz für Bibliotheken.

Im allgemeinen sind elektronische Bibliotheken durch drei Hauptmerkmale gekennzeichnet:

Wenn man es noch genauer ausdrücken will, sind die Merkmale von vollständig elektronischen Bibliotheken nach Meinung von Experten folgende:

Der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Informationsdienstleistungen der Parlamentsbibliothek

Lassen Sie mich die Parlamentsbibliothek der Tschechischen Republik als typisches Beispiel für diesen Übergangsprozess benutzen. Wir stellten die elektronische Dienstleistungen fest, die wir als Basis für eine zukünftige Entwicklung benutzen würden - und sorgten für die etappenweise Einführung dieser Dienstleistungen:

  1. Einführung von OPACs (Online Public Access Catalog) und anderer sekundärer elektronischer Informationsquellen für Büchersammlungen, plus einer Katalog-Retrokonversion,
  2. Schulungen für Suchmethoden in Datenbanken,
  3. Erstellung von Datenbankhandbüchern und -führern sowie anderer Informationsmaterialien, sowohl gedruckt als auch in elektronischer Form,
  4. Unterstützung bei der Fragestellung nach Informationen und bei der Auswahl einer geeigneten Suchmethode bzw. einer Strategie für Hintergrundforschung für jeden Typ von Informationsquelle,
  5. Hilfe beim Drucken von Hintergrundforschungsergebnissen und beim Dateienladen, wenn nötig,
  6. Hilfe beim Erstellung einer persönlichen bibliographischen Benutzerdatenbank,
  7. Hintergrundrecherchen in bibliographischen, Fakt- und Volltext-Online-Datenbanken,
  8. Einführung von Datenbanken in der Bibliothek für unterschiedliche Benutzerzielgruppen,
  9. Angebot von individuellen Informationsdienstleistungen in der Art von Current Contents oder SDI (Selective dissemination of information = Individueller Informationsdienst)
  10. Einführung der Leser in die Benutzung des Internets; jeder Informationsspezialist in der Bibliothek wird ein Internet-Bibliothekar,
  11. Schaffung eines Meta-Informationssystems kognitiver Art, das es mit Hilfe seines interaktiven Modus seinen Benutzern ermöglicht, alle relevanten zugänglichen Informationen zu erhalten, ungeachtet ihres Aufbewahrungsortes, Medientypes und Art von Bibliotheksmaterial (Büchersammlung, Computerdatenbank); falls das System nicht in der Lage ist, das benötige Dokument oder die notwendige Information direkt zur Verfügung zu stellen, hat es über ausreichende Hinweise auf andere Informationsquellen oder menschliche Ansprechpartner zu verfügen, die den Benutzer in die Lage versetzen, das eigentliche Dokument oder die Information zu erlangen,
  12. Konversion von einzigartigen und speziellen Bibliothekssammlungen in eine elektronische Form,
  13. Informationsdienstleistungen per E-Mail.

Drei dieser Aufgaben möchte ich eingehender besprechen. Ihre Ausführung wird für die Dienstleistungen der Parlamentsbibliothek und deren Umstellung auf Computerbasis ein großer Schritt vorwärts sein.

Retrokonversion des Zettelkataloges

Die Retrokonversion von Zettelkatalogen, d. h. ihre Konversion in eine elektronische Form, ist eine grundlegende Voraussetzung für die Vollendung der Vollautomatisierung einer Bibliothek und gleichzeitig eine Bedingung für eine vollständige Anbindung der Bibliothek an Informationsnetzwerke auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene.

Die Parlamentsbibliothek der Tschechischen Republik hat ungefähr 200 000 Druckbände, die in ihren Zettelkatalogen nachgewiesen sind. Diese wurden von 1857, dem Gründungsjahr der Bibliothek, bis zum Jahre 1993 gesammelt. Mit der Einführung des integrierten Bibliothekssystems TINLIP am 1. Januar 1993 hat die Bibliothek ihre Zettelkataloge nicht mehr weitergeführt. Dieses System ermöglicht den Zugang zu allen Dokumenten mit Hilfe von OPACs. Zur gleichen Zeit beschlossen wir, alle nach der „samtenen Revolution" 1989 gesammelten Dokumente in TINLIP zu rekatalogisieren und sie über die OPACs zugänglich zu machen. Die sogenannte „live collections" wird seit drei Jahren rekatalogisiert, gleichzeitig mit der schon erwähnten allgemeinen Rekatalogisierung der Bücher von 1989 bis 1993. Das bedeutet, daß die Ausleihe jedes älteren Buches eine Rekatalogisierung des Dokumentes in TINLIP auslöst, womit es zu einem Teil des Bestandsverzeichnisses des elektronischen Online-Kataloges wird.

Da es eindeutig war, daß es mehr als zehn Jahre dauern würde, um auf diese Art der Rekatalogisierung jedes einzelnen Buches einen allgemeinen Online-Katalog zu erstellen (da die Bibliothek nur 14 Angestellte hat, rekatalogisieren nur 1,5 Mannjahren entsprechende Arbeitskräfte Titel in TINLIP), haben wir beschlossen, die Mitglieder des Parlaments und die Leitung der Kammer davon zu überzeugen, die finanziellen Mittel für eine Retrokonversion der Zettelkataloge zur Verfügung zu stellen. Dies gelang uns Ende letzten Jahres. Der ständige parlamentarische Ausschuß für die Tätigkeiten des Parlaments beschloß am 6. .November 1996, der Bibliothek 1.000.000 tschechische Kronen (ungefähr 33.300 US-Dollar) für die Retrokonversion des Bibliothekskataloges im Jahre 1997 zu gewähren. Wir veranlaßten ein Gutachten über die finanziellen Forderungen für das Projekt, die von mit diesen Tätigkeiten befaßten Privatunternehmen (einschließlich des OCLC) gestellt wurden. Das Gutachten zeigte, daß der Preis für die Konversion einer Katalogkarte in eine elektronische Form von 3 bis zu 40 tschechischen Kronen geht, je nach Methode und Perfektionsgrad der benutzten Retrokonversionstechnologie. Wenn man bedenkt, daß die Büchersammlung aus 200.000 Bänden besteht, würden die Kosten zwischen 600.000 und 8.000.000 tschechischen Kronen betragen. Da wir nur 1.000.000 tschechische Kronen zur Verfügung haben, sind wir dabei, uns zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden:

  1. ein externes Unternehmen den ganzen Katalog nur in einer grundlegenden Abbildungsform scannen lassen (was auf der Katalogkarte ist, ist in der gleichen Form für alle Benutzer im Computer zugänglich, sie können genau wie in einem traditionellen Katalog suchen), der Preis würde dann 3 tschechische Kronen pro Karte betragen. Der restliche Betrag (ungefähr 400.000 tschechische Kronen) würde für die vollständige Retrokonversion von ungefähr 10.000 Katalogkarten benutzt werden, oder

  2. ein externes Unternehmen eine vollständige Retrokonversion für 1.000.000 tschechische Kronen ausführen lassen, d. h. Scannen, Konversion der Angaben in eine Textform und deren Strukturierung in das Austauschformat Unimarc. Die vollständige Retrokonversion würde nur für ungefähr 25.000 Katalogkarten durchgeführt werden , d. h. nur für ein Achtel des Kataloges.

Das Auswahlverfahren für ein Unternehmen wird im zweiten Quartal 1997 nach Vorschriften des Gesetzes für Öffentliche Aufträge abgehalten werden. Diese Stufe der Retrokonversion wird gegen Ende des Jahres beendet sein. Egal welche der oben aufgeführten Möglichkeiten gewählt wird, ist es in Anbetracht unserer finanziellen Mittel sicher, daß wir im darauffolgenden Jahr damit fortfahren müssen. Der Verfasser dieses Berichtes bevorzugt die erste Möglichkeit. Ihre Ausführung würde das physische Entfernen der Katalogkästen ermöglichen und so freien Raum schaffen für die Erweiterung der Handbibliothek des Lesesaales mit zusätzlich benötigten Büchern, die zur Zeit nicht aufgestellt werden können.

Ein Meta-Informationssystem kognitiver Art

Die Parlamentsbibliothek ist dabei, ein neues Unternehmen zu beginnen, bei dem sie fortschrittliche Automatisierungstechniken und künstliche Intelligenz für die Verbesserung der Suchstrategien ihrer Benutzer anwendet. Wenn das Unternehmen abgeschlossen ist, wird das Meta-Informationssystem die Leser in die Lage versetzen, Informationen zu recherchieren und zu erhalten, egal wo (geographisch gesehen) und egal in welcher Form (Bücher, Dokumente, Filme, Datenbanken) diese aufbewahrt werden. Wenn keine Hinweise gefunden werden können, wird das System Verbindungen zu Personen oder Örtlichkeiten zur Verfügung stellen, wo weitere Informationen gefunden werden können. Diese neue Service wird zur Zeit für die Mitglieder und Senatoren des Parlaments der Tschechischen Republik in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Informationstechnologie des Parlamentes vorbereitet. Einige vorbereitende Schritte dieser anspruchsvollen Aufgabe sind schon ausgeführt worden. Es ist eine Untersuchung weltweit bei Parlamentsbibliotheken durchgeführt worden, deren Ziel es war herauszufinden, ob diese momentan die Anwendung eines Meta-Informationssystems des dargestellten Typs in Erwägung ziehen. Hiermit möchte ich mich bei allen Kollegen bedanken, die sich die Mühe gegeben haben, unseren Fragebogen auszufüllen. Wir haben unseren Fragebogen letztes Jahr an 37 Parlamentsbibliotheken gesandt, von denen 22 antworteten. Die interessantesten Antworten kamen aus Polen (vom Senat ebenso wie vom Sejm [Volksvertretung]), Finnland und Neuseeland. Wahrscheinlich werden wir uns dieses Jahr an unsere Kollegen in diesen Ländern mit der Bitte um Rücksprache wenden.

In unserer Republik haben wir eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung für Wissenschaftliche Technik und Informationsstudien der Hochschule für Wirtschaft in Prag begründet, durch die nach vielen Besprechungen eine Studie von ungefähr 50 Seiten mit dem Titel „Intelligente Suchstrategien in Informationsressourcen" während des Jahres 1996 und zu Beginn des Jahres 1997 vorbereitet wurde. Der Direktor der Abteilung für Informationsstudien und Bibliothekswissenschaft der Fakultät für Philosophie der Karls-Universität in Prag schrieb eine Besprechung dieser Studie. Der Inhalt der Studie folgt nun in Kurzform.

Die einleitenden Abschnitte der Studie analysieren die aktuelle Situation: die Struktur typischer Benutzeranforderungen wie auch die internen und externen Informationsquellen des Parlaments und ihre Benutzung gemäß den Untersuchungen, die im März 1996 und im Januar 1997 durchgeführt worden sind. Der nächste Abschnitt behandelt die allgemeinen Trends in der Entwicklung von verschiedenartigen Informationssystemen, wobei die Betonung auf der Integration von Informationsdienstleistungen und dem Einfluß des Internets auf Informationssysteme liegt.

Die beabsichtigte Struktur des Meta-Informationssystems des Parlamentes basiert auf der Teilung des Systems in drei hierarchisch getrennte Ebenen. Die oberste Ebene behandelt die Benutzerschnittstelle und findet in einer WWW-Umgebung statt. Die mittlere Ebene, das Meta-Informationssystem selbst, bietet Hilfen für den Benutzer und die Möglichkeit, einen Thesaurus für einfacheres Suchen zu benutzen. Die unterste Ebene umfaßt Sprache und technische Schnittstellen von individuellen Informationsquellen.

Der nächste Abschnitt behandelt die Rolle des EUROVOC-Thesaurus ( ein mehrsprachiger Thesaurus des Europäischen Parlamentes, der fächerübergreifend ist) im Informationssystem des Parlamentes und seine Integration in dieses System. Der nächste Teil der Studie beschreibt das Verhalten aktuellen Informationsquellen gegenüber und gibt einige Empfehlungen zum verbesserten Gebrauch, insbesondere durch die Gründung eines Meta-Informationssystems auf der Basis von SGML. Es ist vorgesehen, die Struktur der Dokumente des Parlaments, die als nichtstrukturierte Textdateien aufbewahrt werden, mit struktureller Information zu erweitern. Dafür würde die Computersprache SGML benutzt werden. Dies würde die Suche nach Verbindungen und verwandten Dokumenten erleichtern.

Der folgende Abschnitt behandelt die Suche nach Informationen im Internet und gibt Empfehlungen für das Informationssystem des Parlamentes bezogen auf Zugangsmöglichkeiten zu Informationssquellen im Internet. Diese Empfehlungen beinhalten: Erstellen und Instandhalten einer speziellen Liste von Informationsquellen ( eine umfassende Liste von passenden Hauptseiten von WWW-Servern) für Parlamentszwecke, eine spezielle Liste von Informationsquellen, die sich auf kommende Ereignisse und besprochene Gesetzesvorlagen beziehen, und eine Liste von bewährten Suchmaschinen hoher Qualität.

Die Studie schließt mit einem Abschnitt, der die Einsatzmöglichkeiten von Methoden der künstlichen Intelligenz zur Unterstützung der Benutzer behandelt. Drei Methoden zur Unterstützung werden vorgeschlagen: ein Expertensystem zur dynamischen Erstellung von Menüs je nach Benutzer, ein Expertensystem zur Suche in Informationssystemen und die Benutzung eines intelligenten WWW-Werkzeuges.

Es ist ein weiter Weg von der Studie bis zur Ausführung selbst eines kleinen Teiles eines Meta-Informationssystemes kognitiver Art. Der erste wichtige Schritt ist wie immer, die notwendigen finanziellen Mittel zu erhalten. Wir beabsichtigen, sobald wie möglich einige praktische Vorschläge aus dem Bericht umzusetzen und unsere Mitarbeiter bei den Informationsaktivitäten miteinzuschließen.

Elektronische Bibliothek „Tschechisches Parlament"

Das Projekt einer elektronischen Bibliothek ist auch ein bedeutender Schritt der Parlamentsbibliothek in Richtung Umstellung auf Computer und Neue Medien. Diese Bibliothek soll die vollständigen Texte von parlamentarischen Veröffentlichungen (d.h. Gesetzesvorlagen einschließlich Lesungen und Beschlüssen), stenographischen Berichten (d.h. wörtliche Protokolle aller Sitzungen und Abstimmungen) und anderer parlamentarischer Dokumente von 1861 an bis heute in elektronischer Form enthalten. Das Ganze würde Zehntausende von Textseiten umfassen, was eine ansehnliche Bibliothek mit Hunderten von Bänden schaffen könnte.

Die Bibliothek hat schon einige vorbereitende Schritte in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für Informationstechnologie des Ausschusses des parlamentarischen Hauses unternommen. Auf der Basis eines Angebotes der privaten Firma ESU Praha im Juni 1995 unterbreiteten die Bibliothek und die Abteilung für Informationstechnologie dem Direktor des Parlaments einen Vorschlag für eine elektronische Bibliothek mit dem Namen „Tschechisches Parlament". Der Direktor des Amtes billigte das Projekt und ernannte einen Ausschuß von leitenden Beamten seines Amtes unter seiner Vorherrschaft zur endgültigen Beurteilung des Vorschlages vor einer Bekanntgabe eines Auswahlverfahrens. Der Ausschuß hatte die Aufgabe, über den Nutzen des Projektes nachzudenken, seinen Inhalt und seinen Umfang bekannt zu machen und zu versuchen, im Etat von 1996 einige Mittel für den Start des Projektes zu finden ( der Etat des Amtes für 1996 war zum Zeitpunkt der Billigung des Projektes schon festgesetzt). Der Ausschuß beschloß, die Konversion der parlamentarischen Texte in eine elektronische Form von der Produktion und dem Vertrieb einer CD-ROM, die vom dem Projekt als Träger von Daten vorgesehen war, zu trennen und ein Auswahlverfahren nur für die Konversion abzuhalten. Ende 1995 wurden die Marktpreise untersucht, was uns bei der Kalkulation der zu erwartenden Kosten half. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß wir Maßnahmen mit Kosten bis zu 1.000.000 tschechischer Kronen 1996 durchführen könnten.

Die Ziele des Projektes sind:

Bei der Ausführung des Projektes wird weiterhin argumentiert, daß der Investitionsertrag aus den Texten der elektronischen Bibliothek nicht nach dem entsprechenden finanziellen Wert berechnet werden kann, sondern daß die Hauptziele des Projektes folgende sind:

  1. das Ansehen des Parlamentes erhöhen, dessen Aktivitäten immer noch der Öffentlichkeit verborgen bleiben oder durch die Massenmedien interpretiert (gefiltert) werden,

  2. gegen Zerstörung oder Verlust schützen. Im Falles einer überraschenden Naturkatastrophe, im Falle von Feuer, Krieg und einer nachfolgenden Zerstörung der Bibliothekssammlungen und -archive würden die Parlamentsdokumente für kommende Generationen weiterhin an mehreren Orten auf Ersatzmedien verfügbar sein, ungeachtet des ursprünglichen Herstellungs- und Aufbewahrungsortes (dies trifft auch für den Fall der Zerstörung der gedruckten Dokumente als Folge von natürlichem Verschleiß durch unvermeidbare physische und chemische Prozesse zu),

  3. den Zugriff für Parlamentsmitglieder und Senatoren auf die parlamentarischen Dokumente, die eine Wissens- und Inspirationsquelle für deren gesetzgeberischen Tätigkeiten sind, beschleunigen und vereinfachen.

Innerhalb von drei Jahren sollte das ganze Projekt durchgeführt sein. Es wurde entschieden, daß die sogenannte „nestartige" Methode angewendet werden soll, d. h. die parlamentarischen Dokumente würden chronologisch in eine elektronische Form umgewandelt werden, und zwar schrittweise ausgehend von wichtigen, geschichtlichen Zeitabschnitten unserer neuzeitlichen Souveränität, an denen das größte Interesse besteht. Im Jahre 1996 waren folgende bedeutende Zeitabschnitte durch die Konversion in ein elektronisches Format abgedeckt: die parlamentarischen Dokumente von 1989 bis heute (Föderalversammlung, Tschechischer Nationalrat, Parlament der Tschechischen Republik) und von 1968 bis 1970 (Nationalversammlung, Einrichtung der Nationalversammlung, Einrichtung des Tschechischen Nationalrates). 1997 werden die parlamentarischen Dokumente der Zeit von 1945 bis 1948 (Gesetzgebende Versammlung, Nationalversammlung), von 1913 (das Ende des Regionalkongresses) und von 1961 (erneute Tätigkeit des Regionalkongresses) in eine elektronische Form umgewandelt. 1998 werden die restlichen Dokumente konvertiert werden. Nach Abschluß dieser Unternehmungen werden die Texte auf mehreren CD-ROMs für die Zwecke des Parlaments der Tschechischen Republik gespeichert. Für die Herstellung und Verteilung der CD-ROMs wird ein weiteres Auswahlverfahren stattfinden.

Zwei Privatunternehmen haben das Auswahlverfahren zu Anfang des Jahres 1996 mit Erfolg bestanden. Sie boten die besten technischen und finanziellen Parameter und führten gleichzeitig den erfolgreichsten Konversionstest von 10.000 Textseiten durch. Zur Zeit ist fast die Hälfte des Projektes vollendet, und die Arbeit daran geht weiter. Nun würden wir gern die endgültige Bearbeitung aller bis jetzt konvertierten Dokumente durchführen. Wir beabsichtigen, diese Mitte des Jahres 1997 zur allgemeinen Benutzung in das Internet zu geben. Wenn das gesamte Projekt nächstes Jahr fertiggestellt ist, wird die Parlamentsbibliothek der Tschechischen Republik oder zum mindesten ihr besonderer Schatz an parlamentarischen Dokumenten vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet sein.

Schlußfolgerung

In der kommenden Informationsgesellschaft werden die Bedeutung und der Nutzen von Bibliotheken nicht an der Anzahl ihrer Bände und Mitarbeiter und der Zahl der Ausleihen gemessen werden. Diese Zahlen werden ihre Bedeutung verlieren, so wie es schon in vielen Bibliotheken geschehen ist, die ernsthaft darum bemüht sind, auf Computer umzustellen und elektronische Informationsdienste zur Verfügung zu stellen.

Die Bedeutung und der Nutzen von Bibliotheken ungeachtet ihrer Größe werden um so beträchtlicher, je schneller sie sich von bloßen Sammlern, Aufbewahrern und Ausleihern von gedruckten Dokumenten in die Position von erfahrenen Suchern, Bewertern und Bereitstellern von relevanten Informationen aller möglichen Träger, einschließlich der elektronischen, begeben. Mit anderen Worten gesagt wird ihre Bedeutung um so größer sein, je mehr sie in der Lage sind, moderne Informationstechnologien anzuwenden, je nach ihren menschlichen, finanziellen und technischen Mitteln und je mehr sie die reichhaltigen Quellen, die zur Zeit in Online-Datenbanken, auf CD-ROMs und im Internet verfügbar sind, in internationaler Zusammenarbeit mit ihren Benutzern zu teilen. Um auf die Geschichte des Autoschlossers aus dem Dorf zurückzukommen: es hängt davon ab, ob die Bibliothekare in der Lage sein werden, sich ihren Benutzern gegenüber einen fachmännischen Vorsprung anzueignen und ihn im Laufe der Zeit zu behalten, anders gesagt, die technischen Fähigkeiten besitzen, um zu wissen, welche Schrauben angezogen werden müssen. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die Bibliotheken von Bücherspeichern (Verwahrorten von Büchern) in eine reiche Quelle oder eine Schatzkammer (Fundgrube) von Informationen umzuwandeln und gleichzeitig als dort hineinführendes, offenes Tor zu dienen.