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63rd IFLA General Conference - Conference Programme and Proceedings - August 31- September 5, 1997

Versorgung der Unversorgten im Jahr 2000

Elizabeth M. Gericke


PAPER

Die Bibliothek kann nur eine Rolle in Entwicklung und Bildung spielen, wenn sie Dienstleistungen für alle potentiellen Benutzergruppen im Gemeinwesen anbietet. Obwohl die öffentliche Bibliothek in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswerte Veränderungen erlebt hat, in einem Ausmaß, daß mit ihr zunehmend die Bezeichnung "Bibliothek für das Gemeinwesen" verbunden wird, muß immer noch viel getan werden, um die Fähigkeit von Gemeinwesen zu entwickeln, Zugang zu Information zu erhalten und sie zu gebrauchen. Wenn öffentliche Bibliotheken effizient und in der Lage sein sollen, für alle Bevölkerungsgruppen und ihre verschiedenartigen Bedürfnisse zu sorgen, müsse neue Methoden eingeführt werden. Die Fähigkeit örtlicher Gemeinwesen, mit de täglichen Problemen des wirtschaftlichen und sozialen Wandels fertigzuwerden und an der Demokratie zu partizipieren, hängt in hohem Maße von Zugang zu und Gebrauch von Information ab. Bibliothekare und Informationsvermittler neigen dazu, den Zugang zu Information überzubewerten. Wenn das Ziel ist, Gemeinwesen zu "stärken", sollten Dienstleistung danach zielen, Information ins Bewußtsein der Menschen zu rücken und sie in die Lage zu versetzen, sie zu verwenden. Eine Paradigma für Dienstleistung, das aus den Funktionen Informationsangebot, Benutzerunterweisung, Leserberatung und erzieherischer Anleitung auf der Basis von Zusammenarbeit im Gemeinwesen und Einschätzung der Bedürfnisse, relevanten Beständen, Teilen von Ressourcen und Marketing der Dienstleistungen besteht, wird vorgeschlagen. Im Zentrum aller Dienstleistungen sollte die Anleitung zu lebenslangem Lernen und Informationsverwendung stehen.

Einleitung

Versorgung der Unversorgten im Jahr 2000 bedeutet nicht nur eine aktive, sondern eine pro aktive Rolle bei der Entwicklung. Obwohl auch andere Bibliotheken beteiligt sind, ist es die Verantwortung der öffentlichen Bibliothek oder der Bibliothek des Gemeinwesens, alle potentiellen Benutzer im Gemeinwesen zu erreichen. So spricht auch unsere professionelle Definition des Benutzers "in fast missionarischem Ton vom Ziel, die Versorgten und auch die Unversorgten zu erreichen ... und bestätigt die feste Absicht, allen zu dienen" (Wilson 1992:23).

Auch wenn der Begriff "Bibliothek des Gemeinwesens" schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Literatur zur Praxis der öffentlichen Bibliothek in Großbritannien und vielen anderen Ländern gebraucht wurde, wurde das Konzept "Bibliothekswesen für das Gemeinwesen" erst in den 1980er Jahren zum Schlagwort und propagierte die Vorstellung, daß alle Menschen des Gemeinwesens versorgt werden müssen. "Die Untersuchung der Menschen, die versorgt werden sollen, und ein entsprechendes Bibliotheksangebot ist seit langem ein Anliegen öffentlicher Bibliothekare; als Pioniere könnte man die Amerikaner bezeichnen". Das Konzept, "Menschen an erste Stelle zu rücken", steht im Zentrum der Dienstleistungsorientierung des Bibliothekswesens. Aber "die unvermeidbare Frage war immer und ist immer noch: 'welche Menschen?'" (Redfern 1989:1 2). Als Ergebnis des Versagens der traditionellen öffentlichen Bibliothek, die Bedürfnisse aller Menschen im Gemeinwesen zu erfüllen, haben sich in den vergangen beiden Jahrzehnten verschiedene alternative Informations und Bibliotheksdienste, wie Ressourcenzentren, entwickelt (Fairer Wessels & Machet 1993).

Die öffentliche Bibliothek des 21. Jahrhunderts wird auch diejenigen Menschen versorgen müssen, die bisher die "Unversorgten" waren, wenn sie eine Existenzberechtigung haben will. Aber wer sind die Unversorgten? Begriffe wie "entwickelnde Gruppen", die "Unterentwickelten", "Unterprivilegierten", "Benachteiligten" und "schlecht Vorbereiteten" können auch benutzt werden, um diese Gruppe zu bezeichnen, aber manche dieser Begriffe, wenn nicht alle, sind pejorativ geworden. Im nächsten Jahrhundert wird unsere Einstellung sein müssen, "daß es nicht die Menschen sind, die benachteiligt sind, sondern Gemeinwesen, die Benachteiligung erfahren wegen unseres Versagens als Dienstleister, ihnen den gleichen Dienstleistungsstandard zu bieten wie anderen Benutzern" (Coleman 1992:308).

Die Entwicklung ist mit diesen Begriffen eng verbunden und wird als ein Prozeß gesehen, die Lebensqualität in materieller und ideeller Hinsicht zu verbessern. Unterentwicklung wird als das Versagen angesehen, menschliches Potential zu nutzen, um eine gute Lebensqualität zu erreichen. Deswegen sieht man die Entwicklung von Menschen als entscheidende Voraussetzung für den Prozeß der Entwicklung an (Shillinglaw 1986:38). Zaaiman (1988:6), unter Bezug auf Todaro (1981), unterscheidet drei Aspekte der Entwicklung, nämlich: den Lebensstandard von Menschen verbessern, Bedingungen schaffen, die zur Zunahme der menschlichen Selbstachtung führen, und die menschliche Wahlfreiheit erhöhen, indem die Bandbreite ihrer Wahlmöglichkeiten vergrößert wird. Die zentrale Strategie der Entwicklung muß die Schaffung formeller und nicht formeller Lernmöglichkeiten sein, im die menschliche Entwicklung zu fördern (Shillinglaw 1986:39). Formelle, nicht formelle und informelle Bildung sind die traditionellen Anliegen der öffentlichen Bibliothek (Shillinglaw 1986:38), deshalb muß man nicht für die Wichtigkeit einer effektiven Bibliotheksdienstleistung als Beitrag zur Entwicklung und zu Fortschritt von Gemeinwesen argumentieren. Darüber hinaus könnte Entwicklung als Aufgabe der öffentlichen Bibliothek angesehen werden und Bildung als ihre Hauptaufgabe. Shillinglaw (1986:41) unterscheidet drei Formen der Bildung, an der die öffentliche Bibliothek beteiligt sein sollte: formelle Bildung: Ressourcen von Schulen ergänzen und Studienmöglichkeiten und quellen für das Hochschulstudium bereitstellen nicht formelle Bildung: Ressourcen für die Fortbildung außerhalb formeller Bildungsstrukturen (wie Schulen, Colleges und Universitäten) bereitstellen, d.h. für freiwillige Aktivitäten zum Zweck des Selbststudiums und der Weiterbildung informelle Bildung: der Prozeß, an Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Erkenntnissen durch tägliche Erfahrung und Kontakt mit der Umgebung zu wachsen (mit Einschluß von Lernen durch Lektüre, Filme und Diskussionen) Die öffentliche Bibliothek des Jahres 2000 wird ihre ursprüngliche Begeisterung für und Hingabe an die Bildung der Massen auf diesen drei Ebenen wiederbeleben müssen, wenn sie einen Anspruch auf Teilnahme am Fortschritt und der Entwicklung erheben will. Eine Erweiterung der konventionellen Dienstleistungen wird jedoch notwendig sein, um für die Bedürfnisse von Entwicklungsgruppen zu sorgen. Dienstleistungen werden oft mit großen Kosten und Anstrengungen eingeführt, ohne daß man wirklich die potentiellen Kunden und die Ziele kennt, nach denen sie ausgerichtet sind.

Multikulturelle Kundschaft

Engere Identifikation mit dem Gemeinwesen ist notwendig, besonders wenn es Klassen oder ethnische Barrieren gibt, die überwunden werden müssen (Redfern 1989:5). Wenn öffentliche Bibliotheken effizient und umfassend sowie in der Lage sein sollen, für alle Bevölkerungs und ethnischen Gruppen zu sorgen, sind neue Methoden unerläßlich. Zu ihnen gehört es, die Bedürfnisse verschiedener ethnischer Gruppen zu identifizieren und mit Gemeinschafts und Freiwilligenverbänden zu arbeiten, um Dienstleistungen zu propagieren und zu entwickeln. Unsere Dienstleistungen müssen so eng wie möglich an der sich wandelnden Kundenbasis orientiert sein. Verschiedene Autoren berichten von einem dramatischen Wandel in der "demographischen Mischung" in Bibliotheken in den vergangenen 20 Jahren, und Chancengleichheit für alle ist zum Ziel geworden. Das Konzept Chancengleichheit "beinhaltet normalerweise eine Verpflichtung, eine Dienstleistung ohne Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Geschlecht anzubieten ... oder jedem zu helfen, ihr Potential zu erreichen" ... "Chancengleichheit ist auch ein wichtiges Element darin, das politische und soziale Ungleichgewicht, das so viele Jahre lang existiert hat, aufzuheben und dadurch die Öffentlichkeit zu stärken" (Morris 1992:91 93).

Man sollte jedoch die Warnung Zaaimans (1988:224 226) berücksichtigen, sich vom paternalistischen Weg zu entfernen oder das Modell "großmütiger Bibliothekar weist den dankbaren Armen den Weg" (Walker 1994:124) auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, und statt dessen das kooperative Modell für volle Partizipation, Beratung und Beteiligung der Gemeinschaften anstreben. Eine Kenntnis der vielsprachigen und multikulturellen Gesellschaft, die versorgt werden soll, und neue Einstellungen und Fähigkeiten sind notwendig, um kulturelle und Sprachbarrieren zu überwinden, wenn man mit verschiedenen individuellen Benutzern kommuniziert.

Weitverbreiteter Analphabetismus, Fehlen einer Lesekultur, allgemeines Unwissen darüber, was für Material und Dienstleistungen in Bibliotheken verfügbar sind, und Vorherrschen einer mündlichen Tradition bei der schwarzen Bevölkerung beeinflussen die Benutzung von traditionellen öffentlichen Bibliotheken (Fairer Wessels & Machet 1993:101). Die Landflucht einer großen Zahl von armen und ungebildeten Menschen ist ein universelles Phänomen, mit dem die öffentliche Bibliothek fertig werden muß. Mehr als 50 % der schwarzen Südafrikaner waren 1983 bereits Stadtbewohner (Bekker & Lategan 1988:64). Fairer Wessels (1990) stellte fest, daß die Bedürfnisse schwarzer Frauen, den Alltag zu bewältigen, besonders dringend sind, da viele von ihnen allein für die wirtschaftlichen, physischen und psychologische Bedürfnisse und Hilfen ihrer Familien zuständig sind. Wegen der Verstädterung, die zu Entwurzelung führt, dem Fehlen von sozialer Unterstützung, einer mündlichen Tradition, Analphabetismus und einem niedrigen sozio kulturellen Standard haben schwarze Frauen in der Stadt vermutlich größere Schwierigkeiten, Informationen zur Lebenshilfe zu erhalten, um damit grundlegende Bedürfnisse zu erfüllen, als ihre weißen Altersgenossinnen.

Einige der signifikanten sozio ökonomischen Faktoren in ländlichen Gemeinwesen in den meisten Ländern der Dritten Welt sind Armut und Unterentwicklung, fehlender Landbesitz, unsichere Lebensmittelversorgung und hohes Bevölkerungswachstum (Bembridge 1987:667). Z.B. leben fast 40 % der ländlichen Haushalte in Südafrika unter dem Mindestlebensunterhalt. Nur 10 % des Haushalteinkommens stammt aus häuslicher Lebensmittelproduktion. Der Rest besteht aus Gehältern, Pensionen und Überweisungen von Familienmitgliedern.

Menschen in ländlichen Gebieten haben oft einen niedrigen Bildungsstand. Oft sind sie Analphabeten. Frauen, die etwa 60 80 % der Landbevölkerung oder der Landarbeiter ausmachen, werden oft durch Mangel an Bildung, Wissen und Fähigkeiten sowie durch traditionelle Vorbehalte gegen Frauen, die Führungspositionen einnehmen oder eine größere Rolle bei Entscheidungsprozessen spielen, daran gehindert, landwirtschaftliche Entwicklungen mitzumachen (Bembridge 1987:681).

Analphabeten nutzen vor allem persönliche Informationsquellen wie die Familie und Freunde, um mit den Ansprüchen des täglichen Lebens fertig zu werden, und persönliche Sozialnetze sind wichtige Informationsquellen für das tägliche Leben. Sogar Lesekundige verlassen sich zunächst auf mündliche Kommunikation und nutzen erst dann unpersönliche Informationsquellen. Analphabeten und nur teilweise Lesekundige brauchen einen Informationsvermittler, der Teil des Gemeinwesens ist und den jeder kennt, jemand, der mündlich Informationen geben kann und Informationen zu verschiedenen Themen so verpacken kann, daß sie leicht verständlich ist (Fairer Wessels 1990:366).

Menschen, die in Arbeitergesellschaften leben, neigen dazu, sehr wenig strukturierte Informationsumgebungen zu haben. Das formelle Angebot an Information hat meist einen sehr geringen Stellenwert, da die direkte Bedeutung der Information für ihre Zwecke nicht dargelegt werden kann. In armen und schwierigen Lebensumständen kann der freie Zugang zu Information als unwesentlich angesehen werden. Darüber hinaus werden Menschen einen Informationsdienst nicht verwenden, wenn sie meinen, daß es weniger umständlich ist, auf die Information zu verzichten als sie zu erhalten, und Zugang ohne Benutzung wird bedeutungslos. Deswegen ist die Umgebung der Benutzung von Information in Gemeinwesen nicht förderlich; die Menschen haben meist wenig Zeit, Ressourcen und Fähigkeiten, um Information zu erkennen, zu lokalisieren und zu nutzen, die ihnen nicht unmittelbar verfügbar ist (Harris 1992:50) und die sie für ihren persönlichen Gewinn nutzen können.

Es ist klar, daß der Kontext für Information in Entwicklungsländern verschiedenartig und flexibel ist. Wir finden aber auch einen gewissen Grad an formeller Organisation, z.B. Beratungsstellen. Doch oft fehlt die Vernetzung, die für den Informationsfluß so grundlegend ist. Die Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung und Stärkung von Gemeinwesen sind Zugang zu Information und die Fähigkeit, Information zu benutzen.

Zugang zu Information

Das Problem liegt darin, daß Menschen keinen gleichen Zugang zu Information haben. Harris (1992:45 46) warnt davor, daß "Zugang zu Information" kein neutrales Konzept ist. Es enthält die Implikation, daß Zugang erweitert oder eingeschränkt werden kann es impliziert eine Aktion entweder auf der Seite desjenigen, der Zugang sucht, oder desjenigen, der in der Lage ist, Zugang zu gewähren. z.B. können Menschen, die Zugang zu Information brauchen, nicht über die Fähigkeit verfügen, sie zu gebrauchen. Auf der anderen Seite ist Zugang zu Information eine politische Frage, da Information so oft eine Voraussetzung für Macht ist und Machtlosigkeit oft durch einen Mangel an Information gekennzeichnet ist. Deswegen "ist die Vorstellung, daß Information neutral sein kann, daß Information irgendeine passive Ressource ist, die darauf wartet, benutzt zu werden, politisch naiv und gleichbedeutend mit dem stillschweigenden Einverständnis mit Prozessen, die Benachteiligung fortbestehen lassen".

Bedeutung des Zugangs zu Information

Zugang zu Information ist von entscheidender Bedeutung zur Bewältigung des täglichen Lebens, zur Sicherung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, zur Verbreitung von Bildung und lebenslangem Lernen, Demokratie und zum Aufbau einer Nation (Lor 1996). Information ist ein wesentlicher Teil der Entwicklung eines Gemeinwesens, und die Entwicklung eines Gemeinwesens ist ein wesentlicher Faktor auf dem Weg zu einer Partizipations Demokratie. Die Fähigkeit örtlicher Gemeinwesen, mit wirtschaftlichem und sozialem Wandel fertig zu werden, hängt erheblich vom Zugang zu Information ab, und wenn Gemeinwesen nicht funktionieren, werden andere politische Maßnahmen scheitern (Harris 1992:48). Deswegen sollten öffentliche Bibliothekare alle möglichen Methoden anwenden, um Information zu schaffen und zu verpacken, sowohl in gedruckter als auch in multimedialer Form (Poller 1995:271). Die öffentliche Bibliothek sollte sowohl geographisch als auch psychologisch leicht zugänglich sein, aber sollte auch gemäß den Bedürfnissen verschiedener Gruppen im Gemeinwesen differenziert sein (Brink 1987:136).

Faktoren, die den Zugang beeinflussen

Es ist klar, daß Zugang zu Information ein kompliziertes Thema ist. Harris (1992:49) führt die folgenden Aspekte an, die Zugang beeinflussen:

Harris (1992:51) bezeichnet Abbau von Institutionalisierung und Informationsfähigkeiten als die wichtigsten Faktoren dabei, freien Zugang zu Information zu fördern, und sieht beides als Prinzipien der Entwicklung eines Gemeinwesens an.

Abbau von Institutionalisierung

"In den vergangenen Jahrzehnten haben Analytiker das Bewußtsein für den Institutionscharakter der öffentlichen Bibliothek und von Informationsdienstleistungen sowie die sich daraus ergebenden negativen Folgen geschärft. Moderne Formen, das Gemeinwesen zu informieren und zu erreichen, entwickelten sich aus diesem Bewußtsein." Drei Gebiete, auf denen Institutionalisierung zu beobachten ist, sind: Gebäude, Organisationsstrukturen (Bürokratie) und Einstellungen. "Bibliotheken als Institutionen neigen dazu, sich selbst zu dienen und sozialen Wandel zu verhindern: sie neigen dazu, Barrieren zu errichten, um ihre eigenen Interessen zu schützen und Stabilität, Flexibilität und Kundenorientierung zu repräsentieren" (Harris 1992:52).

Die Bibliothek neigt wegen ihres Umgang mit Dienstleistungen und ihres sehr bürokratischen Wesens dazu, elitär zu sein (Brink 1987:137). Ohne einen Wandel in der Arbeitsweise der Organisation kann es nur wenig Raum für grundlegende Veränderungen in der Rolle der Bibliothek für das Gemeinwesen und in der Wahrnehmung der Bibliothek durch Menschen geben. Die Prinzipien von Team Management sind in hohem Maße angemessen. Keine Veränderung in der Dienstleistung ist möglich, wenn sich die Management Strukturen nicht ändern (Dola 1989:8).

Harris (1992:53) plädiert für ein Modell, das auf der Annahme basiert, daß Menschen in der Lage sind, Aktionen auszulösen, statt nur als reagierende Ziele von Überredung zu dienen. "Wir brauchen Strukturen, die die Präsentation des eigenen Wissens eines Gemeinwesens unterstützen, z.B. durch öffentliche Besprechungen, Broschüren und Faltblätter, Ressourcencenter mit Desktop Publishing, öffentliche Bibliotheken, die Zugang zu schwarzen Brettern bieten, wo Agenturen Dokumente über ihre Erfahrungen und Ansichten verbreiten können, den Gebrauch von Datenbanken und Multimedia, um Texte marginalisierter Gruppen zu veröffentlichen", etc.

Informationsfähigkeiten

Bibliotheks und Informationsarbeiter neigen dazu, die physische und intellektuelle Zugänglichkeit von Information, von der oben die Rede war, zu stark zu betonen, und die Bedeutung von Fähigkeiten zu vernachlässigen, die den Umgang mit Information ermöglichen. Der Slogan "Information ist Macht" kann nur für Menschen zutreffen, die die Fähigkeit haben, verfügbare Informationen zu benutzen. Macht in bezug auf Information bedeutet Informationsfähigkeit, die beinhaltet: (1) Wissen über Information, (2) Fähigkeit, Information zu verwenden (d.h. Fähigkeiten, mit Information umzugehen), und (3) Gelegenheit, Information anzuwenden (Harris 1992:55).

Viele Menschen haben Schwierigkeiten zu erkennen, daß sie ein Bedürfnis nach Information haben. Das Wissen über Information ist auch die Fähigkeit zu erkennen, daß Probleme lösbar sind und daß Entwicklung (die persönliche, die des Gemeinwesens, wirtschaftliche und soziale) durch den Zugang zu und die Benutzung von Information erreicht werden kann (Harris 1992:56). Fairer Wessels (1990) stellte z.B. fest, daß schwarzen Frauen in der Stadt Wissen über ihre Bedürfnisse vermittelt werden muß und sie sie nicht selbst artikulieren und so ihre Probleme lösen können. Mangelnde Fähigkeiten in dieser Hinsicht können in hohem Maße hinderlich sein.

Die Fähigkeit, mit Information umzugehen, kann vielerlei Gestalt haben: fähig sein, einzelne Daten zusammenzubringen, Zugang zu Informationsquellen und kanälen zu gewinnen, die Benutzung von Textverarbeitungsprogrammen, Fotokopiergeräten, Desktop Publishing, elektronischen Schwarzen Brettern etc.; festzustellen, wem die Information noch nützen könnte oder wer am besten fähig sein könnte, sie zu benutzen (Harris 1992:56).

Die Fähigkeit, mit Information umzugehen oder sie anzuwenden, steht in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Potential einer Gruppe oder eines Gemeinwesens, Probleme zu lösen und sich zu entwickeln. Dies stellt das Konzept von Informationskompetenz in den Vordergrund, das von Rader & Coons (1992:113) so definiert wird: ... die Fähigkeit, an Information effektiv heranzugehen und sie zur Problemlösung und Entscheidungsfindung zu bewerten ... zu wissen, wie Wissen und Information organisiert sind, wie man verschiedene Arten von Information findet, wie man Information organisiert und wie man Information bei der Problemlösung verwendet. In bezug auf Information kompetent zu sein, bedeutet: für das Leben und Erfolg in einer Informations /Technologieumgebung ausgebildet zu sein, in einer demokratischen Gesellschaft ein produktives, gesundes und erfüllendes Leben zu führen, mit einer schnell sich wandelnden Umgebung effektiv fertig zu werden, Herausforderungen ... zu bewältigen ..., um eine bessere Zukunft für die nächste Generation zu sichern, ein effektiver Verbraucher von Information zu sein, der passende Informationen für Problemlösungen im privaten und beruflichen Bereich finden kann, schreiben und mit dem Computer umgehen können, und über eine Reihe von Fähigkeiten in bezug auf Suchstrategie und Bildung sowie über Kenntnisse von fachlichen Hilfsmitteln und Ressourcen zu verfügen. Kurz: Menschen, die in bezug auf Information kompetent sind, wissen, wie man in einer Informationsgesellschaft lebenslang lernt.

Harris (1992:58) warnt vor einer übermäßigen Beschäftigung mit physischem und intellektuellem Zugang auf Kosten des Wissens über Information und ihre Anwendung. Informationsarbeiter müssen ihre Fähigkeiten und Erfahrungen verwenden, um Informationsfähigkeiten in Gemeinwesen zu entwickeln, um den Gebrauch von Information sicherzustellen (d.h. Benutzerschulung). Das bringt uns auf die Analyse bestimmter Dienstleistungen, die angeboten werden sollten.

Ein Paradigma für Dienstleistung

"Das Paradigma des öffentlichen Bibliotheksdienstes, das aus vier Dienstleistungsfunktionen besteht", nämlich "Information, Schulung, Anleitung und Anregung, hat sich allmählich im Laufe dieses Jahrhunderts herausgebildet" (Dresang 1982:13). Rothstein (1955) wies auf Information, Schulung und Anleitung als grundlegende Funktionen der Wissensvermittlung hin. Monroe (1979) fügte Anregung hinzu und sieht sie nicht mehr als Funktionen der Wissensvermittlung, sondern als Funktionen aller Bibliotheksdienstleistungen, darunter auch der Wissensvermittlung. Dresang (1982:13) führt aus: Bibliotheksdienstleistungen sind unbedingt erforderlich, d.h. eine dringende Aufgabe, die nicht vermieden oder umgangen werden kann. Die grundlegenden Funktionen des öffentlichen Bibliotheksdienstes, unabhängig vom Bibliothekstyp oder den Zielen des Dienstes, sind Information, Schulung, Anleitung und Anregung. Das Zusammentreffen dieser vier Funktionen stellt ein Paradigma dar, das zur Untersuchung aller öffentlichen Bibliotheksdienste verwendet werden kann.

Dieses Paradigma liefert einen wichtigen Ausgangspunkt für unser Verständnis von Dienstleistung in Bibliotheken, bedarf aber der Aktualisierung für die Dienstleistung im nächsten Jahrhundert. Walker (1994:124) unter Bezug auf Zaaiman (1988) warnt Bibliothekare vor einem Paradigmenwechsel, weil sie es gewohnt waren, die Informationsbedürfnisse der am meisten, und nicht der am wenigsten gebildeten Mitglieder des Gemeinwesens zu erfüllen. Deswegen sollte das Paradigma, das Dresang vorschlägt, erweitert werden, um "eine Dienstleistung für alle" einzuschließen (auch wenn die Orientierung auf Dienstleistung mehr als ein Jahrhundert alt ist, muß das Interesse an Bildung für die Massen wiederbelebt werden) und daneben die "Zusammenarbeit von allen" (anstelle eines hierarchischen bürokratischen Modells) zu umfassen. Im Lichte der Akzentverlagerung auf den Benutzer einer Dienstleistung anstelle der Dienstleistungssysteme selbst kann man Benutzerschulung als das Zentrum aller Bibliotheksfunktionen und so aller Dienstleistung sehen. Die Beteiligung an Bildung sollte in einem solchen Paradigma einen herausragenden Platz einnehmen und dabei die folgenden Funktionen umfassen: Angebot an Information, Ausbildung der Benutzer, erzieherische Anleitung und Leseberatung. Die Anregung ist bei jeder Funktion eingeschlossen und wird daher nicht als separate Funktion angesehen, obwohl Marketing (also Öffentlichkeitsarbeit und Werbung) als eine wichtige Management Funktion betrachtet wird, die diese Funktionen beeinflußt.

Diese Funktionen sollten jedoch auf Kontakt mit dem Gemeinwesen (Interaktion mit dem Gemeinwesen und Beurteilung der Bedürfnisse) und auf Zugang zu Materialien und Information (Bestandsentwicklung und Teilen von Ressourcen) basieren, wie Monroes (1982) Hierarchie der Benutzerdienste vorschlägt.

Interaktion mit dem Gemeinwesen und Beurteilung der Bedürfnisse

Die Akzeptanz der Bibliothek im Gemeinwesen ist sehr wichtig, wie Karlsson (1993:507) feststellt: Auf dem untersten Niveau wird die Ausübung der Demokratie dadurch abgesichert, daß jeder Teilnehmer am Prozeß der Entscheidungsfindung beteiligt wird: die Innovatoren (oder Animatoren), die Lenker des Gemeinwesens, die Öffentlichkeit, Spezialisten, Informationsarbeiter und Sponsoren. Diese Tradition der partizipierenden Demokratie, die von den vorhandenen Ressourcenzentren umgesetzt wird, ist ein Erbe und eine Kultur, die Bibliotheks und Informationsdienste auf oberstem Niveau bereichern kann.

Beständiger Austausch mit alle Organisationen und Gruppen ist notwendig, um über alle Aktivitäten in einem Gemeinwesen informiert zu sein, aber auch, um ihre Bedürfnisse nach Bibliotheksdiensten zu erkennen. Einer der Wege zur Identifikation von Lücken im Dienstleistungsangebot waren üblicherweise Befragungen von Benutzern (und Nicht Benutzern). Aufgrund dieser Befragungen, Daten aus Volkszählungen und anderen Analysen eines Gemeinwesens kann das Profil eines Gemeinwesens erstellt werden. Aber Benutzer Untersuchungen werden sich anschließend mit der Partizipation von Benutzern befassen, um den Abstand zwischen der Institution und der Öffentlichkeit zu überwinden (Redfern 1989:3). Morris (1992:96) erwähnt die Einrichtung von Kundengruppen, die sich mit bestimmten Gruppen von Einwohnern befassen und eine Reihe von Fragen stellen, die danach zielen, die Bedürfnisse und den Gebrauch und die Akzeptanz spezifischer Dienstleistungen zu bestimmen. Manche Bibliotheken haben auch mit Kundenforen und Tagen der offenen Tür experimentiert, die einen zweifachen Sinn haben, nämlich einen einzelnen Aspekt der Dienstleistung zu propagieren und zu fördern sowie Feedback vom Publikum zu ermutigen.

Unsere Beurteilung der Bedürfnisse der Benutzer sollte sich nicht auf Bedürfnisse beschränken, die zum Ausdruck gebracht werden (d.h. Forderungen), sondern auch auf verschwiegene und sogar unbewußte Bedürfnisse. Informationsarbeiter müssen Bedürfnissen zuvorkommen. Man sollte sowohl für Bedürfnisse in bezug auf die Ausführung von Aufgaben als auch für Bedürfnisse in bezug auf persönliche Entwicklung, d.h. Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und bereicherung sorgen. Harris (1992:46) warnt davor, daß wir die Bedeutung von Information als eine Ressourcen für Entwicklung übersehen könnten, wenn wir uns lediglich auf ein Informationsangebot für praktische Bedürfnisse wie Problemlösung und Entscheidungsfindung konzentrieren. Er stellt fest: Die Verfügbarkeit einer großen Bandbreite an verschiedenen Informationsquellen ist von grundlegender Wichtigkeit für ein funktionierendes Gemeinwesen, so daß Menschen von Information umgeben sind und zufällig auf sie stoßen und sie als Anregung für Ideen und Initiativen verwenden. Wenn wir Information diese Rolle verweigern als eine Art von Kompost, auf dem Individuen und Gemeinwesen gedeihen, nicht als ein Pestizid, das auf soziales Ungeziefer versprüht werden kann , machen wir uns schuldig daran, menschliches Potential für soziale, wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Entwicklung zu unterdrücken. Zugang zu Information bedeutet also Zugang zu Ressourcen ohne Rücksicht auf ausgedrückte Bedürfnisse.

Bestandsentwicklung und Teilen von Ressourcen

Bestandsentwicklung ist sehr wichtig: "der Buchbestand muß der Nachfrage entsprechen, wobei die traditionelle Bewertung nach 'guter Literatur' und dem, 'was man lesen sollte' aufzugeben sind... auch bei den neuen Medien ist das Prinzip, sie zu verbreiten, um Kulturbedürfnisse zu erfüllen, nicht, ehrfurchtgebietende Sammlungen für die Durchsicht aufzubauen" (Dolan 1989:10). Eine schriftlich fixierte Erwerbungspolitik ist sehr wichtig, da sie als Instrument für die Kommunikation und Planung dient, Ziele der Bibliothek festhält, Bedürfnisse angibt, die erfüllt werden sollen, und Konsequenzen für die Zusammenarbeit und das Teilen von Ressourcen bestimmt.

Multikulturelles Vorgehen Es ist wichtig, daß unsere Erwerbungspolitik den multikulturellen Charakter der Gesellschaften spiegelt. Auch wenn bestimmte ethnische Gruppen keinen signifikanten Teil des örtlichen Gemeinwesens darstellen, ist entscheidend, daß verschiedene Kulturen im Bestand repräsentiert sind, und wie sie präsentiert werden. Bibliothekare sollen beim Suchen nach Informationen über Einwanderung, Gesundheit und andere Themen, die für verschiedene ethnische Gruppen relevant sind, pro aktiv vorgehen. Sammlungen von Nachschlagewerken neigen dazu, eine ethnozentrische Tendenz zu haben. Es ist offensichtlich, daß es wichtig ist, daß Materialien wie Lexika, Wörterbücher, statistische Informationen etc. die Bedürfnisse verschiedener Gruppen spiegeln. Beiträge und Beratung durch einzelne Mitglieder des Gemeinwesens beim Anlegen solcher Sammlungen ist ein wichtiges Element dafür, sie so adäquat wie möglich zu machen.

Einstellungen gegenüber verschiedenen ethnischen Gruppen Man sollte über die Einstellungen, die einzelnen Gegenständen und Medien zugrunde liegen, sorgfältig nachdenken. Viele Bibliothekare sprechen sich für grundsätzliche Neutralität aus, während andere der Ansicht sind, daß die Bibliothek bei der Arbeit gegen Rassismus eine bedeutende Rolle spielt, indem sie Material ablehnt, das ein negatives Bild verschiedener Kulturgruppen verbreitet. Wenn aber der Bibliotheksdienst seine Rolle bei der Arbeit gegen Rassismus spielen soll, dann ist es unerläßlich, daß Material, das negative rassistische Vorurteile enthält, abgelehnt wird. Genauso wichtig ist es, eine Auswahlpolitik zu haben, die einen Bestand in den Vordergrund rückt, der positive Bilder enthält. Das trifft besonders für Bücher und andere Materialien für Kinder und Jugendliche zu (Morris 1992:94 95).

Sprachen

Sammlungen von Materialien in verschiedenen Minderheitssprachen sind unverzichtbar, wenn die Bibliothek verschiedene Gruppen im Gemeinwesen ansprechen soll. Ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Sprachen im Bestand wird nur schwer zu erreichen sein, da viele Benutzer Lesestoff in der Amtssprache oder in einer Weltsprache vorziehen und Materialien in verschiedenen Minderheitssprachen rar sind. Eine Auswahlpolitik ist notwendig.

Form und Präsentation

Um Gruppen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder sogenannten Interessengemeinschaften zu dienen, müssen öffentliche Bibliotheken Aktivitäten durchführen, um sicherzustellen, daß Material und Information in einer Form präsentiert werden, die es ihnen zugänglich macht. Du Plooy (1988:15 20) berichtet über ein Experiment, bei dem Tonkassetten dazu verwendet wurden, Informationen für das Gemeinwesen zu liefern. Leichte Lektüre und Lesematerialien ist wichtig, um Leseanfänger zu ermutigen, während Poller (1995:270) die Verwendung von Multimedia hervorhebt, die als "eine machtvolle und flexible multisensorische Informationsquelle dienen können, wenn die Erfordernisse von Schriftlichkeit nicht länger ausschlaggebend sind", und sieht sie "als ein Kommunikationsinstrument, das für Entwicklungszwecke außerordentlich passend ist".

Fairer Wessels (1990:365) stellten fest, daß persönliche Informationsquellen und örtliche soziale Hilfsnetze in der Nachbarschaft die hauptsächlichen Informationsquellen für schwarze Frauen in der Stadt sind, zusammen mit verschiedenen Organisationen, die sich dem Gemeinwesen widmen, wie Kirchen, Frauengruppen, Begräbnisvereine etc. Diese Medien werden überhaupt nicht weit verwendet. Es ist offensichtlich, daß persönliche/primäre Quellen in unserer Informationsgesellschaft nicht ausreiche, aber als Ergebnis des fehlenden kritischen Bewußtseins und Schreib und Lesefähigkeit der schwarzen Frau in der Stadt sind formelle Informationsquellen weitgehend unzugänglich und für sie unpassend, da sie ihre Bedürfnissen nicht angepaßt sind.

Zeitungen und Zeitschriften in verschiedenen Sprachen sind ein wichtiges Hilfsmittel, um eine breitere Benutzung im Gemeinwesen zu fördern. Genauso sind audiovisuelle Materialien, d.h. sprechende Bücher, Videos und Musik, die die verschiedenen Sprachen und Kulturen spiegeln, wichtig um sicherzustellen, daß die Bibliothek jeden im Gemeinwesen anspricht (Morris 1992:95 96).

Funktionen der Benutzerführung

Bibliotheken werden oft von Menschen nicht benutzt, obwohl sie gute ausgestattet und geleitet sind, da Menschen Beratung brauchen, die Gelegenheit brauchen, Fragen zu stellen und um weitere Erklärungen zu bitten d.h. sie brachen Anleitung, um Bibliotheksmaterial und Information zu benutzen. Redfern (1989:5) stellt z.B. fest: Bibliotheksdienst für das Gemeinwesen geht über die tapferen Versuche hinaus, den Inhalt und die Präsentation des Bestandes in Zusammenhang mit dem Gemeinwesen zu stellen ... Was bezeichnend erscheint, ist das Fehlen des Willens oder der Fähigkeit, den Inhalt von Bibliotheken auf eine Art, die den Reichtum an Ideen und die Nützlichkeit der Information sinnvoll einsetzt, auf die Individuen zu beziehen ... eine bestimmte Art von Hingabe an die Vermittlung von Information.

Benutzerführung kann als die Handlung definiert werden, durch die ein Benutzer geführt wird und zur Erfüllung eines Lese oder Informations Bedürfnisses geleitet wird. Sie zielt danach, eine effektive Kommunikation zwischen dem Dokument und dem Benutzer herzustellen, und ist damit gleichbedeutend mit aktiver Bereitstellung von Dienstleistung. Führung kann direkt stattfinden, d.h. von Angesicht zu Angesicht, oder indirekt durch:

  1. Bereitstellung von Information und Nachschlagewerken

  2. Unterweisung und Schulung des Benutzers im Gebrauch der Bibliothek und von Information

  3. Beratung bei der Auswahl von Lesestoff und dem Gebrauch anderer Medien

  4. Lesetherapie (Bibliotherapie)

Bereitstellung von Information

Sowohl die Idee der Information für das Gemeinwesen und die Bewegung für Bibliotheksdienst im Gemeinwesen entstanden als Reaktion gegen die vorherrschende Bereitstellung öffentlicher Bibliotheksdienste, die weitgehend irrelevant für viele potentielle Benutzer waren, da sie auf den Ansichten und Annahmen von Bibliothekaren anstatt auf einer Analyse der Bedürfnisse der Gemeinwesen beruhten (Coleman 1992:299 300).

Das Bedürfnis nach Informationsdiensten auf lokaler Ebene, um mündliche und schriftliche Information in verschiedener Komplexität zu allen Menschen im Gemeinwesen zu verbreiten, und nach Einrichtungen und Ressourcen für das Studium und die Erwachsenenbildung war so groß, daß sich viele Ressourcenzentren außerhalb der öffentlichen Bibliothek entwickelten, um die Bedürfnisse des Gemeinwesens zu erfüllen. (z.B. existieren noch heute 120 Ressourcenzentren in Südafrika.)

Die Entwicklung von Informationsdiensten für das Gemeinwesen steht i engem Zusammenhang mit Versuchen, arme Gemeinwesen zu fördern und entwickeln und ist aus drei Gründen heute besonders aktuell: die wachsende Komplexität der modernen Gesellschaft, ungleicher Zugang zu Information und die Entwicklung der Informationstechnologie (Fairer Wessels:359 360).

Information für das Gemeinwesen hat zwei Aspekte, nämlich die Art der Kundschaft, die versorgt werden soll (das Gemeinwesen) und die Art der Information, die geliefert wird. Die Wege der Informationsbereitstellung sind heute verschiedenartiger als je zuvor. Nach Coleman (1992:301) haben sich die meisten Bibliothekare von einer engen Definition von "Information des Gemeinwesens" entfernt, hin zu "Information für das Gemeinwesen". Der Zweck von Information für das Gemeinwesen war, Menschen in die Lage zu versetzen, selbst die Kontrolle zu übernehmen um Information direkt zu interpretieren und sie zu verwenden, um aktiv zu werden, ihre Probleme zu lösen, und um ihre Kreativität für ihre eigene persönliche Erfüllung und Freude und die ihres Gemeinwesens zu entwickeln. Heute beschäftigen wir uns mehr damit, Dienstleistungen zu liefern, die auf dem Bestand basieren, Ressourcen zu organisieren und zu verbreiten, als damit, im Gemeinwesen eine Entwicklungsrolle auf breiterer Basis zu übernehmen. Paradoxerweise hat dies zu einer größeren Bandbreite an Methoden geführt, wie man 'Gemeinwesen informieren' kann (anstatt Informationen über das Gemeinwesen zu sammeln), da die Art der Reaktion den spezifischen Umständen angepaßt ist.

Während des vergangenen Jahrzehnts haben sich viele öffentliche Bibliotheksdienste dezentralisiert und anderen haben erstmals eine Rolle im Gemeinwesen entwickelt, viele von ihnen in einem solchen Ausmaß, daß sie ihren Namen von 'öffentlicher Bibliothek' zu 'Bibliothek für das Gemeinwesen' geändert haben. "Aber es bleibt noch eine sehr greifbare Rolle, den Wert von Information allgemein zu fördern, bestimmte Aspekte von Information auf Menschen und Gruppen auszurichten, die von ihrem Gebrauch profitieren werden, und Menschen auf die Hilfe von Spezialisten zu verweisen, so daß sie beanspruchen, worauf sie ein Recht haben" (Coleman 1992:301).

Coleman (1992:303 307) unterscheidet die folgenden wichtigeren Typen von Information für das Gemeinwesen: Information über Gesundheit, Information über Arbeit, Information über Bildung, Ereignisse und Aktivitäten, Ortsgeschichte, Information über Kinderbetreuung, Information über Behörden und Information über Unternehmen.

Erzieherische Anleitung

Erwachsenenbildung oder offenes Lernen ist eine der interessantesten Entwicklungen in öffentlichen Bibliotheken. Durch seine zunehmende Verbreitung hat sich die Rolle öffentlicher Bibliotheken im ganzen Bereich von Unterstützung der Erwachsenenbildung gewandelt. Offenes Lernen aktualisiert tatsächlich die Vorstellung von der öffentlichen Bibliothek als alternative 'Volkshochschule' (Coleman 1992:312).

Erzieherische Anleitung für weiterführende Bildung wird im nächsten Jahrzehnt eine der wichtigsten Funktionen von Bibliothekaren sein. Erwachsene, die erwägen, wieder am Bildungswesen teilzunehmen, werden oft dadurch abgeschreckt, alle Informationen finden und verstehen zu müssen, die sie brauchen. Sie stoßen auf verschiedene Schwierigkeiten: zuverlässige Beratung über das beste Vorgehen zu finden, erzieherische Ziele mit ihren persönlichen und beruflichen Bedürfnissen, Verantwortlichkeiten und Ambitionen und mit der abschreckenden bürokratischen Natur erzieherischer Institutionen im allgemeinen und ihren Zulassungsverfahren im besonderen zu vereinbaren. Erzieherische Anleitung stellt den fragenden Erwachsenen ins Zentrum der Abläufe und hilft ihm oder ihr, aus der ganzen Bandbreite der Angebote von Institutionen eine Auswahl zu treffen. Deswegen ist erzieherische Anleitung auf den Kunden ausgerichtet, nicht auf die Institution, und unabhängig von den institutionellen Anwerbebedürfnissen (Butler 1988:9 10).

Erzieherische Anleitung ist ein Oberbegriff, der suggeriert, daß der lernende Erwachsene ein Angebot von erzieherischer Information und Hilfe bei ihrem Verständnis braucht, Ratschläge, wenn er von einer ganzen Reihe passender Möglichkeiten auswählen soll, Beratung, Bewertung und Umsetzung. Normalerweise beschränkt sich erzieherische Anleitung auf ein Angebot an Information und Beratung über Bildungsmöglichkeiten (Fisher 1988:44).

Benutzerschulung Benutzerschulung sollte weit gefaßt werden, um alle Formen von Unterweisung zu umfassen, die danach zielen, die Benutzung von Bibliotheken und aller Arten von Bibliotheksmaterialien und Informationsquellen zu verbessern (Fähigkeit, mit Information umzugehen). Sie sollte Bibliotheksführungen und bibliographische Anleitung und Übungen in der Fähigkeit, mit Information umzugehen, umfassen, die danach zielen, Informationskompetenz zu vermitteln. Die Teilnahme an der Vermittlung von Lese , Schreib und Rechenfähigkeiten, Kompetenz im Umgang mit Medien und Computern sollte ebenfalls eingeschlossen sein. Das Konzept der Benutzerschulung sollte auch Unterweisung im Erwerb von Studierfähigkeiten umfassen (vgl. die Diskussion über Informationsfähigkeiten).

Leseberatung

Forschungen in Sheffield zeigten, daß Lesen ein wesentlicher und entscheidender Faktor im Leben von Bibliotheksbenutzern ist; für die Mehrheit der 518 Befragten kann es durch keine andere Aktivität ersetzt werden (Proctor u.a. 1997). Lesen ist eine grundlegende Fähigkeit für das Leben und ein einzigartiger Weg zu Information und Imagination (Goodall 1992:214). Deswegen ist die Förderung von Leseverhalten in Gemeinwesen genauso wichtig wie ein Angebot an Information für das Gemeinwesen oder erzieherischer Anleitung, und Benutzer aller Altergruppen und mit unterschiedlichen Graden der Kompetenz sollten motiviert werden, zu lesen. z.B. ist es sehr wichtig, Anleitung für Leseanfänger zu bieten, um ihre Lesefähigkeit so weit wie möglich zu entwickeln. Geschichtenerzählen, lautes Lesen und Aufführungen sind sehr effiziente Techniken der Leseberatung, wenn man mit Kindern und Menschen mit niedriger Lesefähigkeit zu tun hat.

Beratung bei der Auswahl von Lektüre ist von großer Wichtigkeit, um Menschen zu helfen, eine Liebe zu Büchern und zum Lesen zu entwickeln. Wie Neil Napper (1990) festhält: "In der einfachen Hierarchie der Lesefähigkeit folgt auf das Lesenlernen das Lesen, um zu lernen, dann das Vergnügen am Lesen und schließlich das Lesen zum Lernen und zum Vergnügen."

Goodall (1992:213 314) betont ebenfalls die Wichtigkeit von Lesegewohnheiten für die persönliche Entwicklung, wenn sie sagt, daß obwohl die heutige Sorge um Lesefähigkeit berechtigt ist, hat sie dazu tendiert, sich auf Lehrmethoden (besonders für Kinder) zu konzentrieren, anstatt die weiteren und grundlegenden Probleme anzugehen, d.h. die Motivation zu lesen".

Das Lesen von fiktionaler Literatur ist ein wichtiger Teil von Dienstleistungen zur Förderung der Lesefähigkeit von Erwachsenen, insbesondere weil solche Dienstleistungen auf Kundenbedürfnisse in bezug auf das Material reagieren sollten. Es gibt ein fortdauerndes Bedürfnis nach Hilfe für diejenigen, die als Erwachsene mit dem Lesen und grundlegenden Rechenfähigkeiten Schwierigkeiten haben (Goodall 1992:212 213). Passende fiktionale Literatur auf einem angemessenen Niveau und inhaltliches Interesse sind ebenfalls notwendig, um die Bedürfnisse derjenigen zu erfüllen, die wenig Selbstvertrauen und geringe Lesefähigkeit haben. So sind Romane z.B. ein Mittel, unsere Welt und unsere Vorstellungen zu verstehen, und erfüllen eine wichtige Funktion in unserer Kultur (Goodall 1992:227).

Literatur und Lesen ist eines der offensichtlichsten Gebiete, auf dem öffentliche Bibliotheken Anleitung bieten können, aber lange Jahre hindurch wurden keine wirklich zielgerichteten Versuche unternommen, das zu tun. Viele Menschen sind begierig nach Anleitung und wenden sich an andere Quellen, wenn Empfehlungen von Bibliothekaren fehlen. Von Bibliothekaren gut durchdachte Bücherlisten, Leseprogramme und Ausstellungen können Menschen dabei helfen, die Bücher auszuwählen, die ihren persönlichen Bedürfnisse und Interessen entgegenkommen. Es ist wichtig zu erkennen, daß in manchen Fällen fiktionale Literatur der beste Weg sein kann, auf dem man Menschen helfen kann, Information zu gewinnen und zu verstehen, z.B. über körperliche oder seelische Krankheit oder das Leben in einem anderen Land (Coleman 1992:307). Leseberatung sollte sich daher auch auf Lesetherapie (d.h. Bibliotherapie) erstrecken.

Dienstleistungen nach außen Bei allen erwähnten Funktionen steht die Außenwirkung im Zentrum, aber Bekker und Lategan (1988:71) führen die folgenden Aktivitäten als Dienstleistungen nach außen an: Die Entwicklung und Durchführung von Alphabetisierungsprogrammen, zusätzliche Hintergrundsangebote bei Alphabetisierungsprogrammen, Hilfe für Individuen, mit Lernbedürfnissen fertig zu werden, Rat und Hilfe für Rentner und Senioren, Entwicklung von Lebenshilfe Programmen, Förderung von Programmen für berufliche Fähigkeiten, Unterweisung in bezug auf Kinderbetreuungsfähigkeiten, Angebot von alternativen Bildungsprogrammen, Förderung von Entwicklungsprogrammen für Eltern.

Es ist klar, daß von der öffentlichen Bibliothek des 21. Jahrhunderts erheblich mehr erwartet wird als ein Informationszentrum, und daß sie eine Vielfalt von Bedürfnissen im Gemeinwesen erfüllen sollte. Der größte Beitrag, den Bibliothekare zur Entwicklung leisten könnten, ist es, Menschen in Bibliotheken zu bringen.

Marketing (Öffentlichkeitsarbeit und Werbung)

Ein gutüberlegter Umgang mit Marketing und Werbung ist notwendig, andernfalls können viele Initiativen für Dienstleistung umsonst sein. Broschüren und anderes Werbematerial mit Übersetzungen in relevante Sprachen sollte so weit wie möglich verbreitet werden. Alles Werbematerial sollte jedoch positive Bilder von Kultur enthalten, die die Gemeinwesen spiegeln, die die Bibliothek zu erreichen hofft. Photographien, die die kulturelle Vielfalt zeigen, können verschiedene Gruppen zur Benutzung ermutigen und sollten im Werbematerial enthalten sein (Morris 1992:98). Ausstellungen, die sich an verschiedene Gruppen im Gemeinwesen richten, können Verbindungen zu Ereignissen wie Vorträgen, Besichtigungen und wichtigen Ereignissen im Gemeinwesen schaffen und viele Menschen anziehen. Auch Beteiligung an Festen und religiösen Feiern und Werbung in der Minderheiten oder volkssprachlichen Presse ist wichtig.

Die Bibliothek selbst muß als attraktiver und freundlicher Platz für Besucher gesehen werden. Viele Bibliotheksträger verändern die Einrichtung von Bibliotheken, um sie leichter zugänglich zu machen. Eine interessante Entwicklung ist die Verwendung beweglicher Regale, die die Bibliothek zu einem flexiblen Raum machen, der dann für Diskussionen und Aufführungen verwendet werden kann. Bibliotheken können für eine große Bandbreite an Aktivitäten verwendet werden, die sich an verschiedene kulturelle Gruppen richten, darunter Kindertheater und Workshops, Ausstellungen von ethnischer Kunst und Kunsthandwerk, und Informations und Beratungssitzungen für kleine Unternehmen. Sie helfen, Menschen in die Bibliothek zu bringen, und zeigen, daß sich der Bibliotheksdienst verändert hat und ihnen nun etwas zu bieten hat.

Schluß

Die Entwicklung der Fähigkeit von Gemeinwesen, Zugang zu Information zu gewinnen und sie zu verwenden, ist von entscheidender Wichtigkeit bei der Entwicklung eines Gemeinwesens, der Förderung der Demokratie, einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, dem Aufbau einer Nation und der Selbstverwirklichung von Menschen. Bibliotheken müssen sich bemühen, grundlegende Informationsbedürfnisse zu erfüllen und sollten sich an vorderster Front bei der Förderung einer Lese und Lernkultur befinden. Die Demokratisierung eines Staates und einer Gesellschaft kann nur gelingen, wenn Gemeinwesen durch die effektive Verteilung und Benutzung von Information gestärkt werden. Deswegen müssen wir Bibliotheksdienste an alle richten, mit besonderem Gewicht auf Dienstleistung für Gemeinwesen, die derzeit nicht versorgt werden, besonders in ländlichen Gebieten, Vororten, Siedlungen mit Hausbesetzern etc., und eine Strategie der Außenwirkung sollte die Grundlage aller Dienstleistungsfunktionen bilden. Vor allem sollten sich Bibliotheken bemühen, Lernzentren für lebenslanges Lernen und Entwicklung zu werden. Anleitung ist das Wesen der Dienstleistung und eine Orientierung nach der Dienstleistung. Es ist allgemein anerkannt, daß Menschen mit Problemen Hilfe brauchen, und die Art von Anleitung, die sie brauchen, wird sich entlang eines Kontinuums von Information bewegen, von Hinweisen, Rat und Unterweisung bis hin zu praktischer Hilfe beim Lernen.