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66th IFLA Council and General
Conference

Jerusalem, Israel, 13-18 August

 
 


Code Number: 108-183(WS)-G
Division Number: IV
Professional Group: Bibliography: Workshop
Joint Meeting with: Education and Training
Meeting Number: 183
Simultaneous Interpretation: No

Bibliographische Kontrolle - Ist der gegenwärtige Stand der Ausbildung ausreichend?

Retha (MMM) Snyman
Fakultät für Informationswissenschaft der Universität Pretoria, Südafrika
E-mail: msnyman@postino.up.ac.za

Einleitung

Lor (199969 wendet die Metapher eines Fischer- oder Schmetterlingsnetzes an, um die Aufgabe der bibliographischen Kontrolle zu verdeutlichen. Er stellt damit die bibliographische Kontrolle als ein so fein geknüpftes Netz aus Bibliographien und Datenbanken dar, das so eng ist, dass nichts was publiziert worden ist ihm entgehen kann, ohne nachgewiesen und zugänglich gemacht worden zu sein. Das Ziel der bibliographischen Kontrolle ist daher, Informationsquellen systematisch nachzuweisen, um Benutzer auf sie aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, wo sie sich befinden. Die Hauptarbeit der bibliographischen Kontrolle besteht aus der Erwerbung von Informationsquellen, ihrer formalen und sachlichen Katalogisierung (einschließlich Kurzzusammenfassungen, klassifikatorischer und verbaler Erschließung) und der Verwendung von Normdaten.

Ziel dieses Papiers ist es, die Ausbildung im Bereich bibliographischer Kontrolle zu begründen; neue Entwicklungen, die diese Ausbildung beeinflussen können, darzustellen; Kompetenzen der dort eingesetzten Mitarbeiter herauszuarbeiten und ein Kurrikulum vorzuschlagen, dass die neuen Entwicklungen und Kompetenzen berücksichtigt.

Gründe für den Unterricht in bibliographischer Kontrolle

Folgende Gründe sprechen für die Bedeutung dieses Unterrichtsgegenstandes:

Nationale und internationale bibliographische Kontrolle Bibliographische Kontrolle auf der nationalen Ebene sorgt dafür, dass Informationsquellen innerhalb der Landesgrenzen identifiziert und lokalisiert werden können. Neben der Auswahl, dem Aufspüren, der Sammlung und der Aufbewahrung gedruckter Informationen, die in dem jeweiligen Land entstehen, ist die Katalogisierung dieser Publikationen von entscheidender Bedeutung. Die Publikation selbst hat für die Informationsgesellschaft keinen Wert, ohne die Datensätze, die ihre Existenz nachweisen und Zugang zu ihrem Inhalt vermitteln. Im Hinblick auf die internationale bibliographische Kontrolle ist es neben der Erwerbung für die nationalbibliographischen Agenturen wichtig, für jede neue Publikation bibliographische Daten und Normdaten in Übereinstimmung mit international anerkannten Standards zu erstellen. Wenn alle Länder dieses Verfahren anwenden, ist eine internationale bibliographische Kontrolle möglich.

Kooperation zwischen Bibliotheken und Informationsdienstleistern Es ist für einzelne Institutionen aufgrund finanzieller Engpässe und des gestiegenen Publikationsaufkommens nahezu unmöglich geworden, alle Informationsquellen zu sammeln, die ihre Benutzer brauchen. Kooperationen setzen vor allem bei der Katalogisierung und den eingesetzten Hilfsmitteln an. Der Bibliothekskatalog zeigt nicht länger nur "was die Bibliothek besitzt", sondern was die Bibliothek für den Benutzer beschaffen kann. Deshalb müssen die Katalogdatensätze in einen größeren Zusammenhang passen.

Qualität der Dienstleistungen für den Benutzer Heutzutage wird die Qualität der Produkte und Dienstleistungen stark in den Vordergrund gestellt. Daniel (1993:46) erwähnt, dass "Informationsspezialisten größere Verantwortung für die Qualität der Produkte und Dienstleistungen übernehmen müssen". Lozano (1997:148) geht noch einen Schritt weiter, indem er ausführt, dass "Qualität sich nicht nur auf das beschränkt, was angeboten wird (das Produkt oder die Dienstleistung, die qualitativ hochwertig sein soll), sondern sich auch auf die Art und Weise bezieht, wie etwas angeboten wird".

Eine Bibliothek bzw. ein Informationsdienstleister ist ein Wirtschaftsunternehmen, wie jede andere Firma auch. Die Kunden und Nutzer sind sich der Frage nach Qualität wohl bewusst. Deshalb ist es offensichtlich, dass jede Bibliothek, die die bibliographische Kontrolle missachtet auch ihre Bestände nicht adäquat präsentiert und ihren Benutzern nicht die angemessene Dienstleistung bietet. Bibliographische Kontrolle ist eine Form der Qualitätssicherung. Sie kann als Maßstab für die Qualität des Informationsprozesses zwischen Benutzer und Katalog bzw. Datenbank dienen.

Datenbank- und Systementwicklung Heute sind durch höhere Rechnerleistung komplexe Suchen (z.B. mit Booleschen Operatoren und Trunkierung) möglich. Die Architektur der online-Systeme basiert jedoch auf Plänen, die aus der bibliographischen Kontrolle stammen. Wertvolle Beiträge während der Aufbauphase von online-Systemen und Datenbanken können von den Mitarbeitern beigesteuert werden, die sich mit bibliographischer Kontrolle gut auskennen.

Es ist deshalb offensichtlich, dass die bibliographische Kontrolle als Unterrichtsfach wichtig bleibt, um nationale und internationale bibliographische Kontrolle zu gewährleisten, um den Austausch von Daten und Hilfsmitteln zwischen Informationsdienstleistern zu ermöglichen, um qualitativ hochwertige Dienstleistungen für die Benutzer anbieten zu können und um effiziente online-Systeme entwickeln zu können.

Entwicklungen, die sich auf den Unterricht in bibliographischer Kontrolle auswirken können

Prozessautomatisierung
Der offensichtlichste und wohl auch wichtigste Faktor ist hierbei die Automatisierung von Arbeitsvorgängen in Bibliotheken und die damit zusammenhängenden technologischen Veränderungen. Zur Kenntnis der Katalogisierungsregeln ist daher Wissen über Computer, Software und Netzwerkinformationen wichtig.

Verbünde
Bibliographische Verbünde und Konsortien sind heute ein vertrauter Bestandteil der Bibliothekslandschaft. Mit ihrer Einführung hat sich der Bedarf an bibliographischer Kontrolle erhöht. Früher konnte jede Bibliothek ihre eigenen Standards bzw. Hausregeln entwickeln, in Verbünden ist dieser Luxus nicht mehr möglich.

Das Internet
Das Internet hat große Aufregung verursacht. Benutzer surfen in diesem bibliographischen Universum in der Hoffnung, nützliche Informationen zu finden. Suchmaschinen sind jedoch nicht für sinnvolles Information Retrieval zu gebrauchen, da "die Volltextsuche sich nicht als Ersatz für die Feldsuche in strukturierten Datensätzen erwiesen hat und kein Index bislang die Architektur von Katalogdatensätzen ablösen konnte" (Dillon & Jul, 1996:216).

Die Bibliotheken erkennen auch, dass die Beschränkung des OPACs auf die eigenen Bestände einen schlechten Service für die Benutzer darstellt, die eine umfassende Dienstleistung erwarten, wenn sie den Bibliothekskatalog benutzen. Deshalb weisen viele Kataloge auch Internetquellen nach. Die Integration solcher Datensätze bedeutet einen erheblichen Aufwand, da die Metadaten dieser Quellen in die höheren Standards bibliothekarischer Informationssysteme überführt werden müssen (McDonnell, Koehler & Carroll, 1999:39).

Neue Entwicklungen im Bereich bibliographischer Kontrolle
Die Probleme, die sich vor allem auf der Ebene der internationalen bibliographischen Kontrolle ergaben und die Möglichkeiten der Computertechnologie führten zu neuen Ansätzen wie z.B. der Vergabe einer Autorennummer oder den Dublin Core Metadaten.

Praktische Ausbildung
Die praktische Ausbildung bzw. training-on-the-job wurden immer schon als integraler Bestandteil von Katalogisierungskursen gesehen. Um Erfahrung zu sammeln, sind Studenten dazu verpflichtet einige Wochen in einer Einrichtung mitzuarbeiten. Für Bibliotheken und Informationsdienstleister wird es jedoch aufgrund ihrer dünnen Personaldecke immer schwieriger derartige Praktikumsplätze anbieten zu können.

Die angesprochenen Tendenzen haben deutliche Auswirkungen auf die Ausbildung in bibliographischer Kontrolle und deren erwarteten Ergebnisse. Neben dem traditionellen Wissen wird von einem Katalogisierer erwartet sich neues anzueignen. Nicht nur die Studierenden, sondern auch ihre Lehrer geraten so unter Zugzwang.

Kompetenzen, die ein Katalogisierer besitzen sollte

Wenn man gegenwärtige Praxis und neue Entwicklungen betrachtet kann man die Frage stellen: Welche Kompetenzen muss ein Katalogisierer besitzen, um den am Anfang beschriebenen Anforderungen gerecht zu werden? Es ist offensichtlich, dass bibliographische Kontrolle spezifische Werkzeuge erfordert, eine Fülle von Detailwissen, um diese Werkzeuge anzuwenden und eine Reihe praktischer Fähigkeiten, um die Arbeit gut zu bewältigen.

Die angesprochenen Werkzeuge sind:

  1. Bibliographische Standards und Regelwerke Der Katalogisierer sollte bibliographische Standards kennen und anwenden können, egal ob er Metadaten oder bibliographische Daten erzeugt.
  2. Kollegen Die Sprichwörter "Kein Mensch ist eine Insel" und "Vier Augen sehen mehr als zwei" sprechen für sich selbst.
  3. Intellektuelle Fähigkeiten Katalogisierer müssen analytisch, systematisch und kritisch denken können, z.B. um den Inhalt einer Publikation zur Vergabe von Schlagwörtern oder Notationen zu erfassen.
  4. Computer Dieses Werkzeug unterstützt die Aktivitäten und Vorstellungen, die durch das Zusammenwirken der Werkzeuge (i), (ii) und (iii) entstehen und setzt sie um.

Katalogisierer müssen alle vier Werkzeuge beherrschen um qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Um die Werkzeuge zu beherrschen, müssen sie folgende Fähigkeiten besitzen: Formale und inhaltliche Erschließung Obwohl einige der traditionellen bibliothekarischen Fähigkeiten wie ablegen und ordnen in Datenbanken immer mehr an Bedeutung verlieren, belieben Tätigkeiten wie katalogisieren, klassifizieren und normieren Kernaufgaben, egal ob gedruckte oder elektronische Quellen erschlossen werden.

Analytische und kritische Intelligenz
Analytische und kritische Intelligenz wird in vielen Berufen als notwendig erachtet. Sie ist unerlässlich, um mit den vielen Objektarten und neuen elektronischen Formaten umgehen zu können.

PC-Kenntnisse
Neue Technologien und neue Informationsquellen verlangen von Informationsspezialisten, sich mit den neusten Techniken und Benutzeroberflächen von Informationsmanagement-, Retrieval- und Liefersystemen auszukennen.

Emotionale Intelligenz
Hohe emotionale Intelligenz ist wichtig. Katalogisierer arbeiten nicht isoliert, sondern oft in Teams, in denen sie sich gegenseitig beraten und ihre Arbeit besprechen.

Kurrikulum und Unterricht in bibliographischer Kontrolle
In letzter Zeit ist viel über die Gründe für den Mangel an kompetenten Katalogisierern geschrieben worden. Bibliotheksschulen und auch Kurse gerieten dabei ebenfalls in die Kritik. Einige Kritikpunkte sind:

  • Bibliotheksschulen bereiten ihre Studenten nicht richtig auf den Arbeitsalltag vor
  • Studenten verstehen den Inhalt von Katalogisierungskursen nicht und finden sie unnötig kompliziert
  • Die Art wie Katalogisieren unterrichtet wird unterscheidet sich von der tatsächlichen Tätigkeit
  • Neue Entwicklungen gehen nicht in die Kurrikula ein
  • Die Lehrer sind nicht ausreichend ausgebildet, um den Studenten die Herausforderungen der Informationstechnologie zu vermitteln
  • Der zeitliche Anteil des Katalogisierungsunterrichts wird ständig zugunsten anderer Inhalte reduziert
  • Es wird zu wenig Theorie der bibliographischen Kontrolle vermittelt
  • Studenten leisten zu wenig praktische Arbeit, die ihnen die Theorie näher bringen würde und die einen Ausgangspunkt für die Ausbildung am Arbeitsplatz bedeuten würde.
  • Langweiliger Unterricht Man findet viel Kritik, jedoch wenig konstruktive Vorschläge, wie die Kurse verbessert werden könnten. Anhand der neuen Entwicklungen und der Kritik wird jedoch deutlich, dass
  • Ein fundierter theoretischer Hintergrund vermittelt werden sollte
  • Theorie und Praxis ausgewogen sein sollten
  • Aktuelle Entwicklungen, Technik, Formate, Regeln etc. besprochen werden sollten
  • Studenten zum kritischen und analytischen Eigenstudium angeleitet werden sollten
  • Entwicklungen aus den Informationseinrichten bzw. der Informationswirtschaft einfliesen sollten, um die Studenten auf das Arbeitsleben vorzubereiten
  • Neue didaktische Konzepte eingesetzt werden sollten, um den Unterricht attraktiver zu gestallten
  • Sich der Frontalunterricht mit aktivem Lehrer und passiven Studenten zu einem interaktiven miteinander wandeln muss, bei dem der Lehrer die Rolle eines Trainers übernimmt, der die Eigenaktivitäten der Studenten steuert.
In der Literatur wird viel über den Inhalt der Kurse reflektiert, aber wenig über die didaktischen Methoden. Gorman (1992:694) stellt ein ausgewogenes Unterrichtsprogramm vor, das als Ausgangsbasis dient, um Studenten zum flexiblen Handeln anzuleiten. Die für bibliographische Kontrolle vorgesehene Zeit in den Lehrplänen reicht jedoch oft nicht aus, um alle nötigen Fähigkeiten zu vermitteln. Die zeitlichen Beschränkungen verhindern, dass mehr als die grundlegenden Prinzipien und Aktivitäten der bibliographischen Kontrolle behandelt werden können. Die Herausforderung besteht deswegen darin, anstelle von reinen Fakten den Studenten analytische Fähigkeiten und Entscheidungskompetenzen zu vermitteln.

Wie bereits erwähnt, ist die praktische Arbeit integraler Bestandteil der Katalogisierungskurse. Für Bibliotheken wird es jedoch zunehmend schwieriger sich dabei zu engagieren. Studenten sollten sich dagegen trotzdem mit Problemen und Arbeitsbedingungen des Alltagslebens auseinandersetzen können. Wie kann dies erreicht werden? Durch den Einsatz von Simulationen, Gruppenarbeit und Fallstudien. Zudem sollten alle Möglichkeiten moderner Technologie genutzt werden. Inhalte sollten durch verschiedene Medien und Techniken vermittelt werden (z.B. gedruckte Manuskripte, CD-ROM, WWW, e-Mail, Newsgroups, computer-based training). Die Möglichkeiten des WWW und die Vielzahl von Websites, die Informationsquellen anbieten, stellen ein ausgezeichnetes Umfeld dar, um zahlreiche Lehr- und Lerneinheiten in bibliographischer Kontrolle zu entwickeln.

Schlussbemerkung

Es ist offensichtlich, dass die bibliographische Kontrolle selbst und ihre Vermittlung im Unterricht notwendig bleiben wird. Die vorgeschlagenen Methoden erfordern ein wesentlich höheres Innovationspotential bei den Dozenten. Dies ist meiner Ansicht nach ein zentraler Punkt für eine effektive Ausbildung, die den Studenten die richtigen Kompetenzen für ihren Einsatz in der Informationswirtschaft vermittelt. Wir als Lehrer und Ausbilder sollten diese Herausforderung annehmen.

Literatur

Daniel, E.H. 1993. Quality control of documents. Library trends, 41(4):644-664.

Dillon, M & Jul, E. 1996. Cataloging Internet resources: the convergence of libraries and Internet resources. (In: Pattie, L.E. & Cox, B.J., ed. Electronic resources: selection and bibliographic control New York: Haworth:197-238.

Gorman, M. 1992. How cataloguing and classification should be taught. American libraries, 23(8):694-697.

Lor, P.J. 1996. Bibliographic standards in context: current challenges in bibliographic control (In: Coetzee, H.S. ed. Seminar on Bibliographic Standards for the Promotion of Co-operation, Pretoria, 1-2 February. Pretoria: University of Pretoria:1-23).

Lozano, A.R.P. 1997. ISO 9000 and the total quality management models. Library management, 18(3):148-150.

McDonnell, J.P., Koehler, W.C., Jr. & Carroll, B.C. 1999. Cataloging challenges in an Area Studies Virtual Library Catalog (ASVLC): results of a case study. Journal of Internet cataloguing, 2(2):15-42.

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