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66th IFLA Council and General
Conference

Jerusalem, Israel, 13-18 August

 
 


Code Number: 070-112-F
Division Number: I
Professional Group: Library and Research Services for Parliaments
Joint Meeting with:
Meeting Number: 112
Simultaneous Interpretation: No

Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen denParlamentsbibliotheken der Europäischen Gemeinschaft

Wojciech Kulisiewicz
&
Barbara Karamac
Sejm-Bibliothek [Bibliothek des polnischen Parlaments]
Warsaw, Polen


Zusammenfassung:

Vorliegende Abhandlung gibt einen kurzen Überblick über die häufigsten Formen internationaler Zusammenarbeit zwischen Parlamentsbibliotheken. Die Darstellung erfolgt aus osteuropäischer Sicht und befasst sich im Besonderen mit dem Informations- und Erfahrungsaustausch sowie der Rolle, die Parlamentsbibliotheken gegenwärtig in der erweiterten Europäischen Gemeinschaft sowie auf internationaler Ebene spielen. In diesem Zusammenhang wird auf das Europäische Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation (EZPWD) sowie die IFLA-Sektion der Parlamentsbibliotheken und Wissenschaftlichen Fachdienste von Parlamenten eingegangen. Die Abhandlung beschreibt den herkömmlichen Austausch gedruckter Dokumente und geht dann näher auf die möglichen Formen zukünftiger Zusammenarbeit ein. In diesem Zusammenhang wird das Projekt ELVIL 2000 besprochen.

Paper

1. Einleitung

Die Zusammenarbeit von Parlamentsbibliotheken beschränkt sich bei weitem nicht auf Fernleihe im herkömmlichen Sinne. Hier geht es um Zusammenkünfte und Konferenzen, Entsendung von Fachleuten, Personalaustausch und Partnerschaften. Während letztere für gewöhnlich gemeinsame Projekte voraussetzen, zu denen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten müssen, eignen sich andere Formen der Zusammenarbeit für den Austausch von Erfahrungen, Informationen, Ratschlägen und Ideen, wobei durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass eine Seite von der anderen Seite lernt und eine Seite mehr beiträgt als die andere. Seit sich viele Institutionen und Privatleute dank Internet stets auf dem Laufenden halten können, haben sich die Formen der Zusammenarbeit geändert. Inzwischen können Bibliotheken auf der ganzen Welt per Email, Websites, elektronischen Diskussionsforen und Listservern ohne Zeitverlust miteinander kommunizieren. Bibliotheken tauschen Informationen jedoch eher selten auf diese Weise aus, sei es nun auf herkömmlichem oder elektronischem Wege.

Wir hoffen, dass vorliegende Abhandlung, welche zwangsläufig aus polnischer Sicht erfolgt, nicht bloß als ein subjektiver Erfahrungsbericht aufgefasst wird, sondern als ein Beitrag zu der Diskussion über die möglichen Formen internationaler Zusammenarbeit, die Parlamentsbibliotheken gegenwärtig anstreben.

 

2. Von der Aufbewahrung gedruckter Dokumente zu der Verwaltung elektronischen Wissens

So ließe sich wohl die Entwicklung der letzten Jahre in wenigen Worten zusammenfassen. In der Vergangenheit begannen die meisten Parlamentsbibliotheken mit dem Aufbau eines eigenen Bestandes, wobei Veröffentlichungen des Nationalparlaments sowie offizielle Publikationen mit nationaler bzw. lokaler Tragweite Vorrang hatten. Gleiche Bedeutung eingeräumt wurde den relativ umfangreichen Beständen an Veröffentlichungen ausländischer Parlamente sowie sonstigen offiziellen Publikationen anderer Länder und internationaler Organisationen, insbesondere wenn sich die hieraus resultierenden Übereinkommen und Verträge auf die nationale Gesetzgebung auswirkten. Dieser Standpunkt wurde damit begründet, dass die gesetzgebenden Körperschaften sowie der ihnen zur Verfügung stehende wissenschaftliche Fachdienst über alle Etappen der Gesetzgebung informiert sein und Zugriff auf die Gesetzgebung der Partner-, Nachbar- und anderer Länder von Bedeutung haben sollten. Vor dem Aufkommen elektronischer Publikationen, deren Anzahl im Laufe der vergangenen Jahre beständig zugenommen hat, blieb den Bibliotheken nichts anderes übrig, als ganze Reihen diesbezüglicher Fachliteratur anzuschaffen. Und wenn sich die Bestände unserer Bibliotheken auch nicht an dem Angebot der Library of Congress [Bibliothek des amerikanischen Kongresses] messen können, so waren unsere bestandsorientierten und weitgehend unabhängigen Büchereien doch stets bestrebt, ihre Sammlungen an den Bedürfnissen der Benutzer auszurichten. Denn "bestands-" und "benutzerorientiert" schließen sich nicht zwangsläufig gegenseitig aus, auch wenn diese Meinung zum Teil in der Fachliteratur vertreten wird.

So verfügt z.B. die 1919 gegründete polnische Parlamentsbibliothek über einen umfangreichen Bestand an Publikationen von Parlamenten anderer Länder sowie anderweitiger offizieller Publikationen aus dem Ausland. Diese Sammlungen konnten aufgrund der 1886 und 1958 geschlossenen internationalen Abkommen über den Austausch gedruckter Dokumente erstellt werden.

Gegenwärtig besitzt die Bibliothek insgesamt über 60 000 vom polnischen und ausländischen Parlamenten herausgegebenen sowie anderweitigen offiziellen Publikationen und über 16 000 Veröffentlichungen internationaler Organisationen (vor allem der Vereinten Nationen, da die Bibliothek als UN-Magazin genutzt wird). Diese Sammlungen machen 25 % des gesamten Bibliotheksbestandes aus. Des Weiteren besitzt die Sejm-Bibliothek eine große Auswahl polnischer und ausländischer Bücher sowie ganze Reihen juristischer, politischer, wirtschaftlicher, geschichtlicher und anderweitiger Fachliteratur. Mittlerweile tauscht die Sejm-Bibliothek mit rund 30 - überwiegend europäischen - Ländern Parlamentsveröffentlichungen und offizielle Publikationen aus. In dem 1998 herausgegebenen Leitfaden sind 270 neue Titel aufgelistet. Im Gegenzug liefert Polen an insgesamt 65 ausländische Partnerorganisationen, vor allem Parlamentsbibliotheken, Veröffentlichungen des polnischen Parlamentes und offizielle Publikationen.

Außerdem wurden seit Mitte der 90er-Jahre CD-ROM-Sammlungen von u.a. französischen, spanischen, deutschen und italienischen Gesetzestexten sowie von Veröffentlichungen von Organisationen wie der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen angelegt. Zudem hat die Bibliothek mittlerweile über das Internet Zugriff auf die Datenbanken ausländischer Parlamente (sowie internationaler Organisationen). Inzwischen wird auch ein externer Zugriff auf die acht bibliothekseigenen Datenbanken mit Links zu den Volltext-Datenbanken der beiden Kammern des polnischen Parlaments angeboten. (http://bs.sejm.gov.pl:4001/ALEPH/).

Seit elektronische Ressourcen immer häufiger nicht nur als Grundlage für bibliografische Referenzdienste, sondern auch für Primärdokumente und Originaltexte dienen, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll sei, weiterhin Sammlungen gedruckter Werke anzulegen und was mit den bereits vorhandenen Sammlungen zu geschehen habe. Wir sind hier eher vorsichtig. Als wir Ende 1999 unsere diesbezügliche Grundsatzerklärung überarbeiteten, wurde beschlossen, die (im unentgeltlichen Austausch erhaltenen) Gesetzestexte anderer Staaten weiter aufzubewahren, jedoch zusätzlich - um das Auffinden von Texten zu erleichtern - Gesetzessammlungen auf CD zu erstehen (und die hierfür fälligen Ausgaben direkt aus dem Budget der Bibliothek zu bestreiten). Außerdem wurde entschieden, die im Laufe von langen Jahren zusammengetragene und in ganz Polen einmalige Sammlung von Veröffentlichungen ausländischer Parlamenten sowie offizieller Publikationen anderer Länder bis auf weiteres nicht anzutasten. Eines Tages wird hier jedoch aus Platzgründen eine Entscheidung fällig werden.

Es ist aber nicht zu leugnen, dass der Trend von gedruckten Sammlungen zu virtuellen Beständen geht. Zurzeit befinden sich viele Bibliotheken, auch in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern, in einer Übergangsphase, in der man einerseits bestrebt ist, möglichst schnell den technischen Vorsprung moderner, fortschrittlicher Bibliotheken aufzuholen, andererseits jedoch durch gewisse Bedenken und alte Gewohnheiten sowie fehlende Finanzmittel in seinen Bestrebungen beschränkt bleibt.

Welcher Trend wird sich letztendlich durchsetzen? Wird es in absehbarer Zeit nur noch virtuelle Bibliotheken geben, oder werden Bibliotheken auch in Zukunft weiterhin gedruckte Werke anschaffen müssen, weil diese doch nicht vollständig durch elektronische Medien ersetzbar sind? Meiner Ansicht nach werden - aufgrund der wachsenden Nachfrage nach Bibliotheksdiensten - herkömmliche Dienstleistungen auch in Zukunft weiterhin eine Rolle spielen, wobei aber auch elektronische Formate berücksichtigt werden müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass unsere Bibliotheken bereits auf Datenübertragungsdienstleistungen umstellen.

 

3. Beitrag der internationalen Gemeinschaft zu den osteuropäischen Parlamentsbibliotheken

Bei der Beschreibung der derzeitigen Lage in Osteuropa muss betont werden, welche bedeutende Rolle hierbei die Beiträge der internationalen Gemeinschaft gespielt haben, die im Anschluss an die Geschehnisse in Mittel- und Osteuropa 1989 und den nachfolgenden Demokratisierungsprozess in den ehemals kommunistischen Länder geleistet wurden. Den in u.a. geografischer, zeitlicher und finanzieller Hinsicht umfassendsten Beitrag leistete zweifelsohne der Congressional Research Service (CRS) [Forschungsdienst des amerikanischen Kongresses] unter der Schirmherrschaft des US-Spezialausschusses für die Förderung parlamentarischer Institutionen in Osteuropa (allgemein bekannt unter dem Namen Frost Task Force). Erwähnt seien an dieser Stelle auch die Beiträge der Parlamente westlicher Demokratien, die - wie z.B. Großbritannien, Kanada und die skandinavischen Länder (um nur einige zu nennen) - in den baltischen Staaten Seminare abhielten, Fachleute entsandten, Schulungen veranstalteten und unentbehrliches Referenzmaterial sowie die nötigen Finanzmittel für den Bezug von Zeitschriften und die Anschaffung unserer allerersten Datenbanken auf CD-ROM bereitstellten. Dank dieser zeitgleich mit dem revolutionären Wandel des informationstechnologischen Umfeldes erfolgten Hilfeleistungen konnten für die neu entstandenen, demokratisch gewählten Parlamente (wie z.B. in Estland, Lettland und Litauen) neue Bibliotheks- und wissenschaftliche Fachdienste geschaffen und den bereits lange bestehenden Bibliotheken (in der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen) zu einem neuen Image und Arbeitsstil verholfen werden.

Die auf die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Parlamente abgestimmte Unterstützung - deren messbare Ergebnisse am besten in einem von der genannten IFLA-Sektion herausgegebenen Buch1 beschrieben werden - hatte außerdem eine ausgeprägte internationale Dimension. Die vom CRS in seinen eigenen Räumlichkeiten abgehaltenen Veranstaltungen sowie die zahlreichen Lehrgänge und Schulungen, die Anfang der 90er-Jahre vom CRS, dem britischen Unterhaus, Europäischen Parlament und Europarat für Parlamentsbibliothekare in ganz Europa und z.T. in den betroffenen Ländern, wie z.B. Ungarn oder der Tschechischen Republik veranstaltet wurden, gaben den neuen Bibliothekaren Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Knüpfen beruflicher und freundschaftlicher Kontakte.

Erfahrenere Bibliothekare konnten außerdem ihren Wissensschatz weiterreichen. So wurden z.B. albanischen und litauischen Bibliothekaren Praktikantenstellen in den Bibliotheks-, Informations- und wissenschaftlichen Fachdiensten des polnischen Parlaments angeboten und 1995 in Polen ein Lehrgang über die regionalen wissenschaftlichen Fachdienste abgehalten. Unsere Mitarbeiter wurden außerdem als Gastredner zu den u.a. in den baltischen Staaten und kürzlich in Georgien abgehaltenen Lehrgängen und Seminaren eingeladen, um über ihre eigenen Erfahrungen zu berichten. Vor kurzem haben wir im ukrainischen Zentrum "Demokratie und Entwicklung" an einem Projekt mitgearbeitet, in dessen Rahmen ausgewählte aktuelle polnische Gesetzestexte übersetzt und veröffentlicht werden sollen, die als Grundlage für die wirtschaftlichen und sozialen Reformen und als Referenzmaterial dienen werden. Diese Texte sollen dann den gesetzgebenden Körperschaften der Ukraine als Vorlage und mögliche Orientierungshilfe dienen.

Erste Kontakte zu Kollegen aus dem Westen lieferten wertvolle Impulse für einen Beitritt zu europäischen und internationalen Verbänden, wie z.B. dem EZPWD und der IFLA-Sektion der Parlamentsbibliotheken.

Bis Ende der 80er-Jahre spiegelte das EZPWD die Teilung Europas wider. Die Mitgliedschaft setzte sich aus im Europäischen Parlament und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vertretenen westlichen Nationalparlamenten zusammen. Nach 1989 erhielten die neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa Zugang zum Europarat, was den Parlamenten (jedoch nicht den Bibliotheken) erlaubte, Mitglied beim EZPWD zu werden. Ungefähr zur gleichen Zeit rückte man von dem Konzept der ständigen Arbeitsgruppen für spezifische Themenbereiche, wie z.B. Datenverarbeitung, Bibliotheken, Terminologie und Thesaurus ab und veranstaltete stattdessen Seminare zu Themenbereichen von allgemeinem Interesse für die Abgeordneten. Die erste Zusammenkunft in Osteuropa und zugleich die letzte vor der Auflösung der EZPWD-Arbeitsgruppe wurde von unserer Bibliothek im Herbst 1993 in Warschau abgehalten.

Seinen wertvollsten Beitrag lieferte das Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation durch seine Mitarbeit bei dem mehrsprachigen, vom Europäischen Parlament erstellten Thesaurus Eurovoc. Unabhängig davon, jedoch z.T. mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Parlaments, wurden von den Parlamenten vor Ort inoffizielle Übersetzungen in die albanische, kroatische, tschechische, litauische, polnische, rumänische, russische und slowenische Sprache angefertigt. Übersetzungen in zahlreiche weitere Sprachen sind geplant. In mehreren gut besuchten und vom Europäischen Parlament mitfinanzierten Seminaren des EPZWD wurden die verschiedenen Aspekte bei der Übersetzung, Implementierung und Anwendung von Eurovoc diskutiert. Zwei dieser Seminare fanden 1995 in Prag2 und 1996 in Warschau3, das Letzte 1999 in Madrid statt. Neuesten Angaben zufolge wird der Thesaurus bereits in 15 europäischen Parlamenten gebraucht und soll demnächst in sieben weiteren eingeführt werden. Interessanterweise handelt es sich hierbei vor allem um mittel- und osteuropäische Parlamente. Diese Entwicklung zeigt die verbindende Rolle von Eurovoc als gemeinsamer Sprache für den Zugriff auf die Datenbanken des Europäischen Parlaments, wobei der Zugriff auf nationaler Ebene oder im Europäischen Parlament erfolgen kann. Die Zurückhaltung der westeuropäischen Parlamente ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die Einführung von Eurovoc mit einer kostspieligen Umstellung auf eine neue Indizierung verbunden ist bzw. den parallelen Gebrauch des alten und neuen Systems nötig macht.

Der Wandel, den die IFLA durchmachte, war noch viel grundlegender. Die anfangs kleine "clubähnliche" Organisation, bei der hauptsächlich europäische Bibliotheken Mitglied waren und deren alljährliche Konferenzen meist in Europa stattfanden, verwandelte sich in einen großen, weltumspannenden Verband. Dieser Wandel spiegelte sich in den einzelnen Sektionen, u.a. der Sektion der Parlamentsbibliotheken, wider.

An dieser Stelle seien die Anstrengungen hervorgehoben, welche diese Sektion unternahm, um die osteuropäischen Parlamentsbibliothekare in die weltweite Gemeinschaft zu integrieren. Besonders bemerkenswert ist die schnelle Reaktion auf die neuen Herausforderungen in Osteuropa. Bereits im August 1990 befasste man sich bei der IFLA-Generalversammlung in Stockholm4 mit der Frage, welche Rolle die westlichen Parlamentsbibliotheken bei der Reform der osteuropäischen Verfassungen spielen sollten und legte anschließend Umfang und Form der Unterstützung und Zusammenarbeit fest. 1991 fanden im Rahmen der IFLA-Versammlung in Moskau zwei Sondersitzungen statt, bei denen nach einer Vorstellung der osteuropäischen Parlamentsbibliotheken mögliche Formen der Zusammenarbeit diskutiert wurden und man der Inter-Parlamentarischen Union mit einer entsprechenden Entschließung die Koordination der verschiedenen Hilfsprojekte übertrug.5 Der zur etwa gleichen Zeit herausgegebene Leitfaden für Parlamentsbibliotheken6 war hierbei ein unentbehrlicher Ratgeber, dem alle Beteiligten Fachwissen und Ideen für die Einrichtung neuer Informationsdienste für Parlamentsmitglieder entnehmen konnten.

Ab 1990 nahm die Zahl osteuropäischer Mitglieder erheblich zu, auch wenn einige dieser Länder bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kontakt zu dem weltweiten Forum von Parlamentsbibliothekaren gehabt hatten. Außer den bereits erwähnten Beiträgen zu der Veröffentlichung zu Parlamentsbibliotheken und wissenschaftlichen Fachdiensten in Mittel- und Osteuropa halten sich die meisten unserer Parlamentsbibliotheken gegenwärtig erst einmal zurück und warten ab. Unsere Teilnahme an den Jahreskonferenzen der Sektion und anderen Sitzungen im Rahmen der Generalversammlung sowie Konferenzen der Parlamentsbibliothekare hilft uns, bereits bestehende Kontakte mit Kollegen auf der ganzen Welt zu pflegen und mögliche Formen der Zusammenarbeit zu diskutieren.

Die Mitgliedschaft bei der IFLA und dem EZPWD gibt uns erneut ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem ungeteilten Europa und der Welt. Diesem zuwider läuft die von der IFLA-Sektion angestrebte "Förderung regionaler Konferenzen und anderer Formen regelmäßiger Kontakte zwischen parlamentarischen Informationsdiensten in bestimmten Teilen der Welt" und stösst deshalb auf Vorbehalte.

In seiner Abhandlung zu einem ähnlichen Thema sah unser derzeitiger Vorsitzender, Richard Paré, einen Trend zu Rationalisierungen voraus, welcher auf die Haushaltskürzungen in zahlreichen Ländern zurückzuführen ist und bewirken wird, dass: "... die Bibliotheken von Parlamenten und gesetzgebenden Körperschaften durch eine vermehrte Bildung von Partnerschaften mit anderen Bibliotheken (staatlichen, Universitäts- und Spezialbibliotheken) die von ihnen angebotenen Dienstleistungen einschränken werden. Dies gilt insbesondere für die Bestandentwicklung und der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen".7

In diesem Zusammenhang möchte ich das europaweite Projekt ELVIL 2000 (European Legislative Virtual Library), die virtuelle Bibliothek für die gesetzgebenden Körperschaften Europas, erwähnen. Dieses mit Fremdmitteln finanzierte Projekt, bei dem Partner aus verschiedenen Institutionen mitarbeiten, nutzt die parlamentarischen Fachdienste und soll sicher stellen, dass demokratische Parlamente ordnungsgemäß arbeiten können und die Bürger leichten Zugriff auf die Informationen haben. Dieses Projekt ist außerdem ein Beispiel für "kooperative Informationssysteme", von denen es, wie John Brudenall von der australischen Parlamentsbibliothek bedauernd vermerkte, bisher leider nur wenige gibt.8

 

4. ELVIL 2000

Einen Vorgeschmack auf die Zukunft erhielt unsere Bibliothek durch die Teilnahme an dem von der Europäischen Kommission, DG XIII, im Rahmen des Telematik-Programms, Sektion Bibliotheken, finanzierten Projektes ELVIL 2000, welches das 1999 abgeschlossene ELVIL-Projekt fortsetzt (www.elvil.sub.su.se.).

An dem Projekt unter Leitung der Stockholmer Universität sind mehrere Universitäten, verschiedene Bibliotheken, Verlage, das schwedische, britische und spanische (katalanische) Parlament sowie die - seit ELVIL 2000 neu hinzugekommenen - Bibliotheken des polnischen, tschechischen und Europäischen Parlaments beteiligt.

Hauptziele des Projektes sind die Schaffung und Bereitstellung eines "Eingangstores" zu der europäischen Gesetzgebung und Europapolitik. Anstoss hierzu gab die Überzeugung, dass für eine aktive Mitgliedschaft in der zukünftigen Europäischen Union Bürgern und Massenmedien Zugang zu der europäischen Politik und Gesetzgebung gegeben werden müsse, um ihnen zu einem besseren Verständnis zu verhelfen. Dieser Demokratisierungsprozess wird unter anderem dadurch gefördert, dass diesbezügliche Datenquellen über das Internet zugänglich gemacht und einfache Mittel für Suche, Auswahl und Darstellung der Daten entwickelt werden.

Kurz gesagt, besteht ELVIL 2000 vor allem aus der virtuellen Bibliothek, in der man über die gleiche WWW-Benutzerschnittstelle auf die Datenbanken der nationalen Länder und des Europäischen Paralements Zugriff hat. Ein mehrsprachiger, auf Eurovoc basierender Thesaurus unterstützt die Suche in mehreren Sprachen. Die virtuelle Bibliothek enthält außerdem einen WWW-Index für europäisches Recht und europäische Politik, dessen Datensätze über URL-Links mit der zugehörigen Quelle verbunden sind. Es kann unterteilt nach Land und Institution gesucht werden. Eine Einbeziehung des gesamten europäischen Raumes ist geplant.

Gegenwärtig bietet die virtuelle Bibliothek Zugriff auf die Datenbanken des schwedischen (Rixlex), britischen (Polis) und Europäischen (Epoque) Parlaments. Der Zugriff auf die Datenbanken des tschechischen und polnischen Parlaments wird über das Protokoll ANSI Z39.50 erfolgen. Das Softwarepaket wird einen schnelleren, leichteren und kostengünstigeren Zugriff auf eine größere Anzahl von parlamentarischen Datenbanken ermöglichen.

Die beiden anderen Komponenten sind das "Lernzentrum" und "Bürgerzentrum". In dem Lernzentrum findet man die Enzyklopädie mit Vorträgen zu europäischem Recht und Europapolitik. Gegenwärtig sind Informationen zu den rechtlichen und politischen Strukturen Großbritanniens, Schwedens, Spaniens und der EU verfügbar. Referate über Polen und die Tschechische Republik werden in Kürze in der jeweiligen Landessprache sowie auf Englisch verfügbar sein. Folgende Themen werden behandelt: Grundlagen der Verfassung, Zivilgesellschaft und Volksvertretung, wichtige politische und rechtliche Institutionen, Gesetzgebung, rechtsstaatliche Ordnung und Rechtsprechung. Über das "Bürgerzentrum" kann man mit seinem politischen Vertreter Kontakt aufnehmen und die Diskussion aktueller Themen in den Medien verfolgen.

ELVIL ist zwar ein Projekt für Bibliotheken, aber es sollte nicht vergessen werden, dass Bibliotheken in ihrer neuen Rolle nicht mehr bloße Mittler zwischen Parlamenten, Universitäten, Verlagen und gewöhnlichen Bürgern sind, sondern aktive Teilnehmer an dem in Europa gegenwärtig stattfindenden Demokratisierungsprozess.

 

Quellenangaben

  1. Parliamentary Libraries and Research Services in Central and Eastern Europe : building more effective legislatures / ed. by William H. Robinson and Raymond Gastelum. - München : Saur, 1998 (IFLA Publications ; 87).

  2. Eurovoc Seminar '95, Prague, June 27-28, 1995. - Prague : Chancellery of the Chamber of Deputies. Parliamentary Library, 1995.

  3. The Seminar "Eurovoc in the computer environment", Warsaw, October 28-29, 1996. - Warsaw : Sejm Publishing Office, 1998.

  4. The Challenge of Change in Eastern Europe to the Parliamentary Libraries of the West / Ernst Kohl // IFLA Journal. - Vol. 17(1991), no.2, p.128-134.

  5. Soviet and East European Parliamentary Libraries at the Dawn of the Post-Communist Era : proceedings of the meetings of the Section of parliamentary libraries in Helsinki and Moscow in August 1991 / ed. and introduced by Ernst Kohl. Bonn : Deutscher Bundestag, 1991.

  6. Guidelines for Legislative Libraries / ed. by Dermot Englefield. - München : Saur, 1993 (IFLA Publications ; 64).

  7. Future Regional and Global Cooperation in the Midst of Parliamentary Library Evolution / M. Richard Paré. - 62nd IFLA Conference, Beijing, China, 1996.

  8. Bringing the Electronic Library to Parliament Opportunities and Challenges / John Brudenall.- 62nd IFLA Conference, Beijing, China, 1996.

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