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To Bangkok Conference programme

65th IFLA Council and General
Conference

Bangkok, Thailand,
August 20 - August 28, 1999


Code Number: 068-171(WS)-G
Division Number: VI
Professional Group: Preservation and Conservation
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 171
Simultaneous Interpretation:   No

MASSENDESINFEKTION DER VON DEN MIKROORGANISMEN BEFALLENEN DOKUMENTE: ARBEITSERFAHRUNGEN

SVETLANA DOBRUSINA
Document Conservation Dept., National Library of Russia

&

TATIANA VELIKOVA

Scientific Research, National Library of Russia
St.-Petersburg, Russia
E-mail: fcc@nlr.ru


Paper

Gegenwärtig bleibt die biologische Beschädigung der Dokumente bei unbefriedigenden Aufbewahrungsbedingungen (erhöhte Feuchtigkeit, Staub, Temperaturschwankungen, unzureichende Luftzirkulation) aktuell. Besonders dringend ist die Frage der Methoden des Schutzes des Papiers von der Beschädigung durch Mikroorganismen im Falle der Notsituationen, als Bestände der Wassereinwirkung ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang erscheint es interessant und nützlich, verschiedene Varianten der Lösung eines so aktuellen Problems wie die Massenbeschädigung des Papiers durch Mikromyzeten zu kennen.

In diesem Bericht sind die Ergebnisse der Desinfektionsbearbeitung der von den Mikroorganismen beschädigten Dokumente von zwei Bibliotheken vorgestellt.

In der Zentralen Musikbibliothek des Mariinski-Theaters war im Laufe von zwei Jahren die Hydroisolation der Wasserleitungsrohre beschädigt, was zur Entstehung eines sehr starken Schimmelpilzbefalls mit bedeutenden Verlusten von Dokumenten geführt hat. Es wurden insgesamt über 3000 bibliographische Einheiten beschädigt.

Im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines neuen Gebäudes der Russischen Nationalbibliothek war es notwendig, zirka 200000 Dokumente aus dem Magazin am Kai der Newa und der Fontanka zu verlegen. Das feuchte Klima Sankt Petersburgs, die Nähe von zwei Flüssen bedingten die erhöhte relative Luftfeuchtigkeit im Raum. Die Beschädigung der Wasserleitung führte zur zusätzlichen Übersättigung der Bestände. Die Folge war die intensive Entwicklung von Mikroorganismen.

Der Schutz des Papiers von den Beschädigungen durch Mikroorganismen besteht hauptsächlich in der Inhibition der Prozesse der Lebenstätigkeit der Pilze. Wie bekannt, kann das mit verschiedenen Methoden mit Benutzung verschiedener Biozide verwirklicht werden. Auf der Tagesordnung stand nun die Frage der Wahl des Biozides und der Bearbeitungsart.

In der Struktur der Föderalzentrums der Konservierung von Bibliotheksbeständen gibt es den Sektor für Prophylaxe und langzeitige Aufbewahrung von Dokumenten, dessen Mitarbeiter die hygienische und, wenn notwendig, die Desinfektionsbearbeitung der Bestände durchführen. Die Bücher, die in die Bibliothek aus Privatsammlungen, anderen Bibliotheken, Antiquariaten kommen, werden einer obligatorischen Bearbeitung unterzogen. Traditionell ist das eine Begasung in der Kammer mit einer Dampfgasenmischung auf der Grundlage des Formaldehyds.

Für die Massenbegasung wurde eine Pilotanlage mit 12 m3 Umfang (Formaldehydkon-zentration - 2 g/m3, Temperatur - 40oC, die Expositionsdauer - 24 Stunden). Unter diesen Bedingungen kommt es zum vollständigen Tod von Mikroorganismen nur auf der Oberfläche der Dokumente, und im Innern, zwischen den Blättern, geschieht das nur zu 50%. Die Kosten einer solchen Massenbearbeitung erwiesen sich als sehr hoch, wobei nach der Begasung die Dokumente sowieso abgewischt werden müssen, um den Anflug des Schimmels und des Staubs zu entfernen. Außerdem wird bei der Beladung der Kammer die Reihenfolge der Aufstellung gestört, für deren Wiederherstellung Zeit benötigt wird.

Unsere Untersuchungen haben erwiesen, daß infolge der allmählichen Desorption des Formaldehyds von den bearbeiteten Flächen mit der Zeit auf den Dokumenten das nochmalige Anwachsen der Mikroorganismen bei niedrigen Restkonzentrationen des Formaldehyds beginnt. Entsprechend erhöht sich die Konzentration des Formaldehyds in der Luft der Büchermagazine.

Weil Formalin, zweifellos, für Personal gefährlich ist und man in den meisten Ländern Europas und in den USA auf seinen Gebrauch verzichtet hat, war es notwendig das weniger toxische Biozid zu benutzen, welches aber eine ausreichend effektive Einwirkung auf die Mikroflora hatte.

Wir haben im Laufe von zwei Jahren Untersuchungen des Präparates Metatin GT der Schweizer Firma ACIMA durchgeführt. ACIMA Chemical Industries Ltd. Inc. produziert organische und zinnorganische Verbindungen. Die Produktion dieser Firma fand praktische Anwendung bei Restaurationsarbeiten, insbesondere in Deutschland. Experimente haben gezeigt, daß Metatin GT die Weiße und mechanische Eigenschaften des Papiers weder nach der Einbringung noch nach der langen künstlichen thermischen/feuchten Alterung vermindert. Die Konzentration von Metatin GT, bei der es zur 100%-igen Zerstörung der Sporen und des Myzeliums kommt, ist 5-10 mal niedriger als die von Formalin. Laut internationalen Standards gehört Metatin GT zu Stoffen mit niedriger Toxizität. Es wurden keine negativen Erscheinungen bei der Arbeit damit beobachtet.

Somit entspricht Metatin GT den drei Grundanforderungen an die Mittel, die zum Schutz der Dokumente bestimmt sind: die minimale Toxizität für Menschen; die Fähigkeit, lange im Papier zu bleiben; keine negative Einwirkung auf Papier. Die biologische Aktivität des Präparats vermindert sich während der langen Aufbewahrung der Dokumente nicht. Die Kosten der Bearbeitung mit Formalin und Metatin sind praktisch gleich.

Es waren Dokumente zu bearbeiten, die von mikroskopisch kleinen Pilzen befallen waren: illustrierte technische Zeitschriften (einschließlich solcher aus gestrichenem Papier) der Mitte des 20. Jh., Zeitschriften von Ende des 19. - Anfang des 20. Jh., Nachschlagewerke der zweiten Hälfte des 20. Jh., Notenmanuskripte des 18. bis 20. Jh.

Nach der ungefähren Einschätzung hatten etwa 20% der Notenmanuskripte Teile mit starker Papierzerstörung sowie Verluste am Rande und in der Mitte der Blätter. Auf einigen Blättern ist eine bedeutende Pigmentation (rosa, rot, gelb) als Ergebnis der Lebenstätigkeit der Mikroorganismen zu sehen.

Die eingebundenen Dokumente waren vorwiegend von außen befallen, wo es den größeren Sauerstoffzugang und die größere relative Luftfeuchtigkeit gab. Bei der visuellen Untersuchung ist auf der Oberfläche vieler Dokumente die mikrobiologische Beschädigung deutlich zu sehen: Beläge aus lebensfähigen Sporen, von hellgrün bis olivgrün; weiße, gelbe und dunkelgrüne Kolonien von lebendigen Mikroorganismen. Die größten Anhäufungen der Kolonien von Mikromyzeten wurden am Rücken, außen und innen (wo es in großen Mengen Klebstoff gibt - ein Substrat, das von Mikromyzeten sich leicht angeeignet wird), an Bruch-stellen (Werfenstellen, die beim ungleichmäßigen Trocknen der Seiten entstanden sind), sowie an den Anklebestellen von Inventarnummern, Buchtaschen, Kalikoecken, auf dem ersten und den letzten Blättern des Vorsatzpapiers entdeckt.

Da die zur Desinfektionsbearbeitung gekommenen Dokumente sehr verstaubt waren, wurde die chemische und mikrobiologische Analyse des Staubs aus den Büchermagazinen durchgeführt.

Es ist bekannt, daß Staub die Hauptquelle der Mikroorganismen ist, die die Zellulose zerstören. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß in 1 g Staub die Anzahl der Mikromyzeten 2 Mln und die der Bakterien 80 Mln erreicht. Die chemische Zusammensetzung des Staubs ist hauptsächlich durch solche Elemente wie Silizium, Kalzium, Stickstoff sowie Metalle: Aluminium, Eisen, Magnesium vertreten. Als Beimischungen wurden Titan, Zink, Man-gan, Blei, Kupfer, Chrom, Silber, Nickel, Zinn entdeckt.

Einige der entdeckten Metalle (Eisen, Kupfer, Aluminium, Chrom) sind fähig, den oxydativen Abbau der Zellulose beim Vorhandensein der Feuchte zu katalysieren. Andere (Man-gan und Kupfer) beeinflussen die Aktivität der Fermente der Mikroorganismen, die Papier zerstören. Zink, Kupfer, Eisen, Mangan, Kalzium verstärken die Bildung der gefärbten Stoffe. Die Ergebnisse der Analysen überzeugen davon, daß vor der Bearbeitung mit Biozid Staub und Schimmelbeläge von den beschädigten Dokumenten entfernt werden müssen. Es ist zweckmäßig, dafür Aggregate der Firma "Reinbow" zu benutzen, die sowohl für die Reinigung von Oberflächen als auch für die Luftreinigung bestimmt sind. Die schmutzige Luft mit Staub und Mikroorganismen wird durch die Desinfektionslösung gefiltert. Der ausgehende Strahl verteilt sich gleichmäßig im Raum, was Staubstörungen vermindert und ein behagliches Klima im Raum schafft. Die Versuche mit Aggregaten haben ihre hohe Effektivität bei der Bearbeitung von Dokumenten gezeigt: das Niveau des Befalls mit Schimmelpilzen sinkt um 7-10 mal ab.

Im Ergebnis der Bearbeitung von 200000 Dokumenten wurden Verbrauchsnormen für Biozid und Materialien sowie Zeitverbrauchsnormen erarbeitet. Die Dokumente wurden in einige Gruppen (bis 8) nach dem Grad des Befalls mit Mikroorganismen eingeteilt. Für die Bearbeitung von verschiedenen Gruppen brauchte man verschiedene Menge Verbrauchsma-terialien und unterschiedlich viel Zeit. Außerdem wurden das Format und der Grad der Verstaubung der Dokumente berücksichtigt.

Des geringsten Aufwandes bedurften Dokumente vom Kleinformat, jedoch unter der Bedingung, daß die Bearbeitung nur im Auswischen von Banddeckeln, Schnitten und Rücken mit Biozidlösung sowie in der trockenen Entstaubung von Blättern bestand, die von Mikroorganismen nicht befallen waren. In diesen Fällen wurden die Zeitnorm von 3 Min. und der Biozidverbrauch von 5 ml je 1 bibliographische Einheit nicht überschritten.

Der Aufwand stieg drastisch hoch, wenn die Entfernung aus dem Innern der Doku-mente, die Imprägnierung mit Biozid von Abschnitten mit mikrobiologischer Beschädigung, die Entfernung der überflüssigen Menge von Biozid und die Einlegung von trockenen Materialien notwendig waren. Für Dokumente im Umfang von 20-100 Seiten betrug der Zeitaufwand durchschnittlich 20-40 Min. und der Biozidverbrauch 30-50 ml. Bei der Bearbeitung von großformatigen Ausgaben mit 300-700 Seiten waren es entrprechend mehr als 1 Std. (in einigen Fällen 2-3 Std.) und der Biozidverbrauch von 70-100 ml. Der Zeitaufwand unterschied sich in einigen Fällen bedeutend. Man mußte zum Beispiel stark zerstörte Abschnitte zweimal bearbeiten, wobei tatsächlicher Aufwand sich verdoppelte. Jede Woche wurde die mikrobio-logische Kontrolle der Bearbeitungsqualität durchgeführt. Die normativen Aufbewahrungsbe-dingungen in den Büchermagazinen sichern das niedrige Niveau der Staubbelastung der Räume und, folglich, den niedrigen Gehalt an Mikroorganismen auf der Oberfläche der Dokumente, der gewöhnlich 50-70 KBE*/dm2 nicht übersteigt. Infolge der Nichteinhaltung der erforderlichen Aufbewahrungsbedingungen vergrößert sich die Anzahl von lebensfähigen Mikroorganismen auf der Oberfläche der Bibliotheksmaterialien. Bei der Konzentration von Mikroorganis-men über 100 KBE/dm2 ist die Desinfektion verbindlich durchzuführen. Als Kontrollobjekte dienten verschiedene Teile der Dokumente: Rücken (außen und innen), Schnitte, Vorsätze, Banddeckel, Blätter.

Während der Arbeiten in der Zentralen Musikbibliothek wurden insgesamt 76 mikrobiologische Proben entnommen (58 von welchen - nach der Bearbeitung mit der Biozidlösung, 12 - von unbearbeiteten Dokumenten, die infolge von verschiedenen Notsituationen beschädigt wurden, und 6 - von den Innenflächen der Schränke, die mit der Schicht von Ölfarbe mit Biozid bedeckt wurden und in denen man die bearbeiteten Dokumente unterzubringen beabsichtigte). In 80% von der Gesamtzahl der entnommenen Proben wurde die vollständige bzw. praktisch vollständige Desinfektion der Oberfläche durchgeführt. Der relativ hohe Gehalt an Mikroorganismen hängt in einigen Fällen damit zusammen, daß vor der Bearbeitung der Gehalt an Mikroorganismen auf den beschädigten Oberflächen um 10-20 mal ihren Gehalt bei normalen Aufbewahrungsbedingungen übertroffen hat.

Während der Bearbeitung der Bestände der Russischen Nationalbibliothek wurden über 300 Proben im Laufe von 10 Monaten entnommen. Die Effektivität der Bearbeitung ist im Durchschnitt ziemlich hoch: bei Bakterien - 99.4%, bei Mikromyzeten - 97.7%. Bessere Ergebnisse wurden bei glatten, ebenen Oberflächen erreicht. Technische Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der inneren Oberfläche der Rücken hat die Wirkung praktisch nicht beeinträchtigt. Schlechte Ergebnisse wurden bei der Probenahme von den Schnitten erhalten, was mit bedeutender Unebenheit ihner Oberfläche und, folglich, mit erhöhter Adsorption von Mikroorganis-men zusammenhängt. Darum soll man die Schnitte zweimal bearbeiten.

Die Analyse der Ergebnisse unserer Untersuchungen, die statistische Bearbeitung einer riesigen Menge von Daten sowie die erworbenen großen praktischen Erfahrungen gestatten uns, folgende Empfehlungen zu geben:

vor der Bearbeitung

  • verbindliche Entstaubung beschädigter Dokumente,

  • verbindliches Trocknen der Dokumente mit Hilfe von einem Thermoventilator;

nach der Bearbeitung

  • verbindliches Trocknen der Dokumente mit Hilfe von einem Thermoventilator zwecks Beseitigung der Restfeuchtigkeit,

  • Markierung der Dokumente mit speziellen Markierungsbändern von verschiedenen Farben: eine Farbe für Dokumente, die innen stark beschädigt sind, eine andere Farbe für solche, die nur von außen beschädigt sind;

  • Kontrolle der Temperatur, der Feuchtigkeit und des Lichtes bei der Aufbewahrung der Dokumente;

  • systematische Prüfung und Biotesten verschiedener Oberflächenteile der Dokumente zwecks rechtzeitiger Entdeckung der möglichen sekundären Entwicklung von Mikromyzeten.

Endnoten

1. Gorbushina A.A. Biologicheskiye osobennosti mikromicetov, povrezhdayushchikh mramor // Avtoref. dis. .cand. biol. nauk / SPbGU. SPb., 1997.

2. Metody pochvennoy mikrobiologii i biokhmii: Ucheb. posobiye. M., MGU,1997. 304 s.

3. Blank M.G., Dobrusina S.F. Raising of the book-paper longevity by means of chelates and Ca-chelate compound / ICOM Comm. for Conservation. Copenhagen, 1984. 14/13-15.

4. Yu.P.Nyuksha. Biodeterioration of paper and books. SPb., 1994. 234 s. (Also in Rus.)

5. Velikova T.D.,Lisitskaya T.B., Kysenkova L.A. Vliyaniye mineralnykh mineralnych soley na pigmentoobrazovaniye mikromicetov, povrezhdayushchcikh bumagu // Materialy konf. "Biologicheskiye problemy ekologicheskogo materialovedeniya". Penza, 1995. S.10-14.

6. Skvortzova O.V. Biologicheskiy kontrol bibliotechnykh fondov v postavariynykh situatsiyakh // Biblioteki i arkhivy v ekstremalnykh situatsyyakh. SPb.: Notabene, 1966.

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