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   64th IFLA General Conference
   August 16 - August 21, 1998

 


Code Number: 082-78-G
Division Number: 0
Professional Group: Contributed Paper Session I
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 78.
Simultaneous Interpretation:   Yes

Sein Oder Nicht Sein : Öffentliche Bibliotheken und die Globale Wissensrevolution

Qihao Miao
Bibliothek Shanghai
Shanghai, China


ZUSAMMENFASSUNG:

Nach einer kurzen Einführung in das Konzept der globalen Wissensrevolution und angelehnte Konzepte wird mit dem Beitrag die These aufgestellt, daß die nationale Informations-Infrastruktur zu technozentriert ist, während das neue Konzept einer nationalen Wissens-Infrastruktur sich stärker am Menschen orientiert. Die derzeitige Konzentration der internationalen Gemeinschaft auf die Bewertung von Wissen und nationalen Wissens-Infrastrukturen bietet der Bibliotheksgemeinschaft, insbesondere öffentlichen Bibliotheken, die Möglichkeit, ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu entdecken und auszuweiten. Bislang bringen sich die meisten öffentlichen Bibliotheken noch nicht voll in die Wissensrevolution ein. Um aktiver zu werden, sollten sie ihre Rolle als Anbieter von Wissen wahrnehmen, indem sie als Schnittstelle zwischen Wissen und Mensch dienen, Wissen organisieren, Information bündeln und das weltweite Wissen vernetzen.

Im Anschluß stellt der Beitrag Fallbeispiele aus China vor, u.a. eine Initiative in einer der ärmsten Provinzen sowie ein Beispiel für Reorganisation in einer der führenden öffentlichen Bibliotheken des Landes. Beide Initiativen hatten zum Ziel, mittels öffentlicher Bibliotheken Information und Wissen zugänglich zu machen und so zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen. Die chinesischen Erfahrungen haben gezeigt, daß öffentliche Bibliotheken entscheidende Träger der nationalen Wissens--Infrastruktur sein können und daß ihre Leistungen noch verbessert werden können, wenn sie die vorhandene Informations-Infrastruktur besser nutzen, mit anderen Anbietern und Wissenseinrichtungen zusammenarbeiten. Schließlich bittet der Beitrag die IFLA, die Bibliothekare der Welt zu sensibilisieren und organisieren, damit sie aktiv an der globalen Wissensrevolution teilnehmen.


Paper

1. Einleitung

Im Mai 1997 fand im Gebäude der Bibliothek Shanghai eine Feierlichkeit statt. Der von Säulen im Römischen Stil umgebene Eingangsbereich wurde für diese Zeit in "Wissen Plaza" umbenannt. Der Name war passend gewählt, denn Bibliotheken tragen nicht selten ein Wort wie Wissen im Logo. Schließlich geht es hier um eine der Kernaufgaben einer Bibliothek.

Das Thema Wissen genießt derzeit international größte Aufmerksamkeit. Man spricht davon, daß die Industrieländer in die sogenannte Ära der "Wissensökonomie" (oder wissensbasierte Ökonomie) eintreten, daß es sich hier um eine "Wissensrevolution" handelt, die nicht nur für Industrie- sondern auch für Entwicklungsländer entscheidende Auswirkungen haben kann. Seltsamerweise scheinen aber viele Bibliotheken dieser Revolution gegenüber gleichgültig. Deshalb stellt sich für die Bibliotheksgemeinschaft heute die Schlüsselfrage, ob sie aktiv an der globalen Wissensrevolution teilnehmen oder nicht.

Zur Beantwortung dieser Frage stellt der Beitrag Analysen vor, die zeigen sollen, daß die "Wissensrevolution" eine Renaissance für die Bibliotheksgemeinschaft bedeuten kann. Eine Bibliothek kann integraler Bestandteil der Informationsautobahn sein, indem sie Menschen den unsagbaren Reichtum an Wissen in elektronischer Form zugänglich macht. Zugleich dient die Bibliothek als menschlicher und am Menschen orientierter Ort der Ruhe und Entspannung. Sie ist die Basis, die den Zugang zur globalen Wissenswirtschaft bietet und zugleich eingebettet ist in den Mikrokosmos ihrer unmittelbaren Umgebung. So übernimmt sie die Funktion einer Brücke, die die Verbindung zwischen mächtigen Computernetzwerken und Endnutzern herstellt, seien sie auch noch so arm.

2. Das Herannahen der Wissensrevolution

Um zu verstehen, was Wissensrevolution bedeutet und in welcher Beziehung sie zu Bibliotheken und Bibliothekaren steht, sollte man sich zunächst einigen grundlegenden Konzepten zuwenden.

3. Die öffentliche Bibliothek als Teil der Wissens-Infrastruktur

4. Öffentliche Bibliotheken in der Wissensrevolution: der Fall China

Obwohl der Terminus der "wissensbasierten Ökonomie" in den Gelehrten Gesellschaften Chinas seit der Veröffentlichung der chinesischen Fassung des oben erwähnten OECD-Berichtes immer populärer wird, sind sich weder die chinesische "Wissensindustrie" im allgemeinen, noch die Bibliotheken im besonderen dessen bewußt, was unter dem Dach der Wissensrevolution im Rest der Welt passiert. Unabhängig davon findet in China eine parallele Entwicklung statt, die durch landestypische Momente gekennzeichnet ist.

Chinas Wirtschaft hat eine duale Struktur. Einige industrialisierte Provinzen und Städte in den Küstengebieten halten mit den Industrieländern Schritt, während für viele andere Gebiete Armut und Analphabetentum noch die Hauptprobleme darstellen. Beide stehen jedoch - was Information und Wissen angeht - dem gleichen Dilemma gegenüber. Die folgende Darstellung zeigt, was das öffentliche Bibliothekswesen in China als integraler Bestandteil der Wissens-Infrastruktur dieses Landes getan hat und noch tun wird, und wie die Zusammenarbeit innerhalb der Bibliotheksgemeinschaft zu diesem Prozeß beitragen kann.

5. Bibliotheken und die Wissensrevolution: Schlußfolgerungen

Die Wissensrevolution bietet der Bibliotheksgemeinschaft, insbesondere öffentlichen Bibliotheken, die Möglichkeit, ihre Schlüsselposition in der nationalen Wissens-Infrastruktur wiederzuentdecken und noch auszubauen:

  1. Die letzten Jahre sind gekennzeichnet durch die ständig wachsende Verfügbarkeit technischer Hilfmittel, die die einfache und preiswerte Übertragung, Verteilung und Umwandlung systematischer Information ermöglichen. Im dritten Jahrtausend menschlicher Existenz wird Wissen lebenswichtig, das implizite Wissen wird der Engpaß werden.

  2. Die Konzentration der internationalen Gemeinschaft auf die Wissensrevolution ist sowohl notwendig als auch zeitgemäß. Entscheidend ist, daß die Bibliotheken begreifen, welche Möglichkeiten der Paradigmenwechsel eröffnet. Sie sollten nicht nur Beobachter bleiben sondern aktive Mitgestalter.

  3. Das chinesische Fallbeispiel hat gezeigt, daß öffentliche Bibliotheken ein entscheidender Träger der Wissenskette einer Gesellschaft sein können. Bibliotheken können einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sowohl in weniger entwickelten als auch in vergleichsweise reichen Gebieten bei'm Übergang in das Informationszeitalter leisten. Der Fall China hat aber auch gezeigt, daß die unternommenen Anstrengungen noch nicht ausreichen und auch zukünftig nicht ausreichen werden, wenn nicht vollständig von der bestehenden Telekommunikations- und Netz-Infrastruktur Gebrauch gemacht wird. Das Beispiel zeigt auch, daß die Ergebnisse durch die Zusammenarbeit von Bibliotheken mit anderen Wissenseinrichtungen ausbaufähig sind.

  4. Die weltweite Zusammenarbeit von Bibliotheken kann einen enormen Beitrag zur besseren Vernetzung von Wissen leisten. Öffentliche Bibliotheken, die traditionell mit einem breiten Publikum verbunden sind, können die Aufgabe übernehmen, aktuellste Information und neuestes Wissen zu kanalisieren und denen zur Verfügung stellen, die nicht über einen eigenen Netzanschluß verfügen. Die IFLA als Vertreter der internationalen Bibliotheksgemeinschaft sollte die Verantwortung wahrnehmen, die Bibliothekare in der Welt, insbesondere in Entwicklungsländern, auf die Entwicklungen aufmerksam zu machen und zu organisieren, um aktiv an der globalen Wissensrevolution teilzunehmen.

Quellen

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Translation English-German by: Dr Sabine Homilius