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63rd IFLA General Conference - Conference Programme and Proceedings - August 31- September 5, 1997

Das Recht auf Information als Bedingung für menschliche Entwicklung

Marian Koren


PAPER

Zusammenfassung

Dieser Vortrag bezieht menschliche Entwicklung und Bibliotheken aufeinander, indem er das Konzept des Rechts auf Information erhellt. Als ein Grundrecht hat das Recht auf Information zum Ziel, das Recht des Individuums auf Zugang zu Informationsquellen zu schützen, die zu seiner persönlichen Entwicklung und seiner Partizipation als Staatsbürger beitragen können. Das Recht, sich selbst mit Hilfe von allgemein zugänglichen Quellen fortzubilden, liegt Aktivitäten auf dem Gebiet von Alphabetisierung, kultureller Ausdrucksfähigkeit, Beteiligung der Bevölkerung und Demokratie zugrunde. Seine Durchsetzung erfordert eine veränderte Einstellung von Bibliotheksmitarbeitern, die sich bei der Dienstleistung in die Rolle des Benutzers versetzen und die Rechte des Benutzers als Bedingung für menschliche Entwicklung verteidigen müssen. Unter Bezugnahme auf das Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und das Manifest der Unesco zum öffentlichen Bibliothekswesen werden Beispiele angeführt und Empfehlungen ausgesprochen, das allgemeine Recht auf Information sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bibliothek sichtbar zu machen. Indem sie dieses Recht verwirklicht und Information und Kultur vermittelt, wird die Bibliothek als Zentrum menschlicher Entwicklung dienen.

Eine Geschichte

Ein Kind wurde geboren und wuchs auf. Es betrachtete seine Eltern, Familie und Freunde. Es sah viele Dinge, die gekauft wurden, um Bequemlichkeit in sein Leben zu bringen. Es dachte an seine Spiele, Abenteuer und die Dinge, die es entdeckt hatte. Es wußte, daß es Kinder gab, die nicht in der Lage waren zu spielen, die keine Bequemlichkeiten hatten, weil sie krank waren, in armen Verhältnissen lebten oder durch Krieg von ihrer Familie getrennt waren. Sogar in seiner eigenen Umgebung bemerkte es Unterschiede in der Art, wie bestimmte Kinder und ihre Familien behandelt wurden. Es selbst hatte wegen seines eigenen Aussehens Schwierigkeiten. Es entdeckte auch, daß sogar reiche Leute unvermeidbar ab und zu krank wurden und zuletzt altern und sterben würden. Unter all den Fragen, die ihm im Kopf herumgingen, gab es eine, die direkt aus dem Herzen kam: Warum lebe ich? Es dachte über den Sinn des Lebens in diesen unbeständigen und ungerechten Umständen nach. Diese Frage war so allgegenwärtig, daß das Kind Informationen über das Erwachsenwerden und das Leben finden mußte. Es fühlte, daß es genausogut aufhören könnte zu leben, wenn es keine befriedigende Antwort fände. Es nahm sich vor, jeden Menschen, den es traf, danach zu fragen. Aber da es eine ehrliche Antwort erhalten wollte, bat es einen Richter um Hilfe, damit sein Fall und seine Frage vor einem Gerichtshof entschieden werden sollte. Als Ergebnis begann ein Prozeß, der auf seiner Anklage basierte, ohne ein klares Ziel in diese Welt gebracht worden zu sein. Alle möglichen Menschen wurden vor Gericht gerufen und mußten ihre Geschichte vorstellen. Besonders diejenigen, die viel gesehen und gehört hatten, da sie beruflich mit Information und Geschichten über Menschen zu tun hatten, mußten anwesend sein, um sich dafür zu rechtfertigen, daß sie am Leben waren, und den Sinn des Lebens zu erklären. Das Leben selbst wurde vor Gericht gebracht.

Die Kinderbibliothekarin war begierig darauf, die Frage des Kindes zu beantworten, und zog viele Bücher hervor, die gut geschrieben waren. Sie hatten schöne Bilder und waren nicht zu schwierig, daß das Kind sie lesen konnte. Die Kinderbibliothekarin erwähnte noch mehr Titel, deutete auf den Katalog und die Regale und erklärte die Aufstellung. Sie war stolz darauf, alles in Ordnung zu halten und viele Bücher auswendig zu kennen, damit sie das richtige Buch für jeden finden konnte. Es war schön, jemanden zu haben, mit dem man die Freude über ein Buch teilen konnte. Sie liebte es zu lesen und selbst Geschichten zu erzählen und sah sie als ein Kommunikationsmittel an, das im Leben sehr wichtig ist.

Der Schulbibliothekar freute sich über die Frage des Kindes, endlich eine ernsthafte Frage, bei der viele Suchmöglichkeiten ausprobiert werden konnten. So fing er mit einer Multimedia Enzyklopädie an und zeigte dem Kind, wie es mit Schlüsselbegriffen seinen Weg durch die CD Rom finden konnte. Dann gab es auf dem Internet verschiedene erzieherische Seiten, die hilfreich sein könnten. Das Kind konnte sich außerdem an einer Diskussionsgruppe beteiligen und andere Kinder treffen, die ähnliche Fragen haben könnten. Wenn es vom Surfen genug hätte, könnte es in den verschiedenen Sammlungen mit älteren Zeitungsausschnitten nachschauen oder auch ein Buch über abenteuerlustige Leute lesen, die um die Welt gereist waren, um eine Antwort zu finden. Es war tatsächlich sehr wichtig zu wissen, wie man all diese verschiedenen Medien benutzte.

In der öffentlichen Bücherei begrüßte die Bibliothekarin das Kind, da es zu einer Minderheit gehörte, für die die Bibliothek besondere Angebote entwickelt hatte. Sie führte es in eine besondere Ecke, in der vielerlei verschiedenes Material gesammelt wurde und die seinem kulturellen Hintergrund entsprechend eingerichtet war. Sie war sicher, daß sich das Kind zuhause fühlen würde und ermutigte es, einer Jugendgruppe beizutreten, die sich einmal in der Woche traf und Aktivitäten aller Art organisieren würde, denen interessante Geschichten und Themen zugrunde lagen. Es war wichtig im Leben, am öffentlichen Leben teilzunehmen und Aktivitäten mitzubestimmen.

Der Firmenbibliothekar hatte wenig Zeit, der Frage des Kindes zuzuhören. Aber da er immer nach neuen Märkten Ausschau hielt, mußte er jeden potentiellen Kunden berücksichtigen. Er erklärte dem Kind, wie er daran arbeitete, schnelle und aktuelle Informationen zu geben. Je schneller desto besser, denn Zeit ist Geld. Deshalb sollte man nur Fragen stellen, für die es eine Antwort gab. Datenbanken und anderen Informationstechnologien ermöglichten es, die Antworten zu haben, noch bevor die Fragen gestellt wurden. Es war die Lebensaufgabe, diese Information verfügbar zu haben und mit ihr ein profitables Geschäft zu machen.

Die wissenschaftliche Bibliothekarin war etwas irritiert, weil sie den Studienanfängern immer riet, große Themen zu vermeiden und ihr Arbeitsgebiet einzuengen. Aber da das Kind hoffnungsvoll auf sie und die umgebenden Bücherregale schaute, lächelte sie. Sie erklärte, daß die beste Methode wäre, systematisch zu arbeiten und zu leben, dann würde man nie die Orientierung verlieren. Aber man brauchte Durchhaltevermögen, denn die Suche nach Information setzt Disziplin und Hartnäckigkeit voraus. Jede Antwort zog eine neue Frage nach sich; und heute verlangten neue Suchmöglichkeiten nach neuen Fähigkeiten, damit man eine Überflutung mit Information verhindern könnte. Am wichtigsten war im Leben, das Fragen nie aufzugeben.

In der Nationalbibliothek wunderte sich der Bibliothekar, ein Kind anzutreffen, da der Zugang Personen unter 18 Jahren nicht gestattet war. Doch er erkannte etwas in der Frage des Kindes, das ihn zu einer Antwort veranlaßte. Seine Bibliothek hatte viele Bände aus verschiedenen Kulturen, die als solche das Erbe an menschlichen Werten enthielten. Sie benötigten Erhaltungsmaßnahmen, um zu überleben und für zukünftige Generationen verfügbar zu sein. Aber wie konnten sie erhalten werden, wenn politische Entscheidungen nur dem Wirtschaftswachstum dienten, das die Informationstechnologie bringen könnten. Im besten Fall war das Leben die Frage, wie wirtschaftliche und kulturelle Interessen ausgeglichen werden konnten.

Nach so vielen Meinungen wurde es im Gerichtssaal still. Das Kind sah den Richter an, der schwieg, als ob er nachdächte. Die Menschen hatten so viele verschiedene Antworten auf die Frage gegeben: Warum lebe ich? Was ist der Sinn des Lebens? Sie hatten alle ihre eigene Geschichte über ihren Beruf und ihr Leben erzählt. Die einzige klare Antwort, die das Kind erhalten hatte, war, daß es sie selbst herausfinden mußte. Das schien die Lösung zu sein, die bisher jeder gefunden hatte. Sie waren erwachsen geworden und hatten irgendwie eine Lebensweise gefunden. Diese Erwachsenen gaben ihm nicht viel Trost. Wie würde es erwachsen werden, wie sollte es über das Erwachsenwerden Bescheid wissen, und wie würde es wissen, daß es nicht betrogen worden war? Der Richter sah seinen Kummer und sagte: "Trotz all dieser Zeugen bleibt deine Frage ungelöst; ich kann wenig tun, aber als Mensch wirst du durch die Grundrechte geschützt und unterstützt. Deswegen wird dir geholfen werden, wo immer du suchst: du hast ein Recht auf Information."

Geschichten, Traditionen und Werte

Geschichten sind nicht nur eine berufliche Domäne von Kinderbibliothekaren. Die Geschichte ist ein Gegenstand von wachsendem Interesse in verschiedenen Gebieten der Gesellschaft. Außer den literaturwissenschaftlichen Arbeiten in Narratologie, die sich auf die Analyse von erzählerischen Techniken in der fiktionalen Literatur konzentrieren, sind auch Wirtschaftswissenschaftler, Historiker, Theologen und Psychiater interessiert. Sie alle verwenden Geschichten. Sogar Richter, die sich damit beschäftigen, Geschichten aus dem wirklichen Leben auf zulässige Fakten zu reduzieren, kommen nicht ohne sie aus. Geschichte und Gegen Geschichte sind für einen guten Richterspruch unerläßlich.

Das Interesse an Narrativität kann nicht nur als Reaktion auf Positivismus, wissenschaftlichen Rationalismus und Formalismus gesehen werden. Es bemüht sich, Aufmerksamkeit auf Gebiete oder Aspekte zu lenken, denen man sich angesichts der Kontextualität vieler Phänomene in der Gesellschaft mit wissenschaftlichem Rationalismus der sich vor allem in Statistiken ausdrückt nur schwer nähern kann. Die erzählerische Logik hat ihren eigenen Platz und stellt eine Fortsetzung der formalen Naturwissenschaft dar. Narrativität kann auch als Versuch angesehen werden, den ursprünglichen Sinn der Geschichte wiederherzustellen, da die Kunst des Geschichtenerzählens sich im Verfall befindet, wenn sie nicht eine verlorene Kunst darstellt. Walter Benjamin erklärt, daß die ursprüngliche Geschichte sich auf die unmittelbare Lebenserfahrung bezog. Der Geschichtenerzähler konnte Rat in den Fragen des Lebens geben, der auf seiner eigenen Erfahrung basierte. Deswegen war er einer der Lehrer und Weisen.

Alle großen kulturellen Traditionen haben auf ihre Art Antworten auf die grundsätzlichen Fragen des Lebens gegeben. Sie haben Vorbilder geliefert, wie man als Mensch leben sollte, Prototypen, die zeigen, wie man sich als echtes oder authentisches menschliches Wesen entwickeln kann. In diesem Sinne verbreiteten die Traditionen eine Theorie der Entwicklung, die in der menschlichen Geschichte, die wesentliche Werke repräsentierte, eingebettet war. Kinder und Eltern, das ganze Gemeinwesen wurde unter Bezug auf diese Werte erzogen und konnte sich beim Versuch, mit der Härte des Lebens fertig zu werden, auf die leitende Geschichte berufen.

Obwohl die Postmoderne unsere Zeit als ein Ende aller großer Geschichten beschrieben hat, wird es klar sein, daß die Menschheit nicht ohne alle Grundwerte zum Schutz menschlichen Lebens auskommen kann. Diese Überlegung hat nach dem zweiten Weltkrieg besondere Verbreitung gefunden und liegt der Gründung der Vereinten Nationen und der universellen Erklärung zugrunde, die als globaler Standard der Menschenrechte dient, zum Beispiel des Rechts auf Leben, auf Bildung und auf freie Meinungsäußerung. Das letzte enthält das Recht, Information und Ideen zu suchen, empfangen und zu verbreiten.

Die universelle Erklärung hat viele andere Verträge und Abkommen über Menschenrechte inspiriert. Manche von ihnen beziehen sich auf eine bestimmte Region, z.B. die Afrikanische Charta über Menschen und Völkerrechte (1961) oder das europäische Abkommen über Menschenrechte (1950). Andere gelten für einen spezifischen Bereich menschlicher Aktivität, wie das Manifest der Unesco zum öffentlichen Bibliothekswesen (1994). Das Manifest hebt hervor, daß demokratische Rechte ausreichende Bildung und freien und unbegrenzten Zugang zu Wissen, Denken, Kultur und Information voraussetzen. Daher die wichtige soziale und kulturelle Rolle der Bibliotheken.

Ein neuerer Vertrag über Menschenrechte, der eine spezifische Gruppe von Menschen betrifft, ist das Abkommen über die Rechte des Kindes, die 1989 von den Vereinten Nationen angenommen wurde. Da Kinder oft als "Noch Nicht" Menschen angesehen werden und mehr als Objekte als als Subjekte behandelt werden, resultierte das Bedürfnis, ihre Rechte zu schützen, in einem separaten Abkommen. Eine der Rechte, das von dem Abkommen geschützt wird, ist das Recht des Kindes auf Information.

Schutz menschlicher Entwicklung durch die Menschenrechte

Menschliche Entwicklung ist von allgemeiner und grundlegender Bedeutung und sollte als Grundrecht angesehen und geschützt werden. Zwei Konzepte von menschlicher Entwicklung können unterschieden werden. Das erste ist auf der Ebene des Individuums, das andere auf nationaler Ebene. Das letztere wird oft mit dem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt von Entwicklungsländern gleichgesetzt. In Rechtsbegriffen wird das Recht auf Entwicklung beschrieben als "umfassender wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Fortschritt, der die ständige Verbesserung des Wohlergehens der gesamten Bevölkerung und aller Individuen auf der Basis ihrer aktiven, freien und bedeutungsvollen Teilnahme an der Entwicklung und an der gerechten Verteilung von Vorteilen, die sich aus ihr ergeben, zum Ziel hat."

Das Recht auf Entwicklung wird als ein kollektives Rechts einer Nation oder eines Volkes angesehen, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht Fortschritte zu machen, indem Armut, Analphabetismus und Krankheit beseitigt werden. Zugang zu wichtigen Märkten, internationaler Austausch und Unterstützung und Bestimmung über Naturressourcen zum eigenen Erhalt sind wesentliche Grundlagen. Wirtschaftliches Wachstum reicht für anhaltende Entwicklung nicht aus. Die Qualität des wirtschaftlichen Wachstums in wichtig, da Wachstum andernfalls Arbeitslosigkeit, soziale Härten (den Abstand zwischen arm und reich vergrößern), fehlende Mitsprache (ohne Demokratisierung und politische Partizipation), Traditionsverlust (ohne Bezug auf kulturelle Identität) oder Verlust der Zukunft (Verschwendung natürlicher Ressourcen) zur Folge haben kann. Außer finanzieller Armut gibt es auch Armut an Fähigkeiten, was zu wenige Möglichkeiten für Menschen bedeutet, ihre eigene Situation zu beeinflussen und Armut durch bessere Ernährung, Gesundheitsfürsorge und Bildung zu überwinden. Investitionen auf dem Gebiet der Bildung sind notwendig, damit wirtschaftliches Wachstum und menschliche Entwicklung miteinander Schritt halten. Das Recht auf menschliche Entwicklung legt der internationalen Gemeinschaft eine Verpflichtung auf, bei der Abschaffung von Armut und der Unterstützung demokratischer Partizipation zusammenzuarbeiten. Verschiedene Programme haben es zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd zu verbessern. Der soziale Gipfel in Kopenhagen 1995 führte die "20:20 Übereinkunft" ein, was bedeutet, daß Entwicklungsländer 20 % ihres Etats für grundlegende soziale Dienste ausgeben werden, während die Industriestaaten 20 % ihres Etats für auswärtige Hilfe für solche Aktivitäten für Menschen ausgeben werden. Man kann behaupten, daß es selbst ein grundlegender Dienst ist, Information über grundlegende Dienste zum Nutzen aller Menschen zur Verfügung zu stellen. Öffentliche Bibliotheken könnten bei solchen Dienstleistungen der Information einer Gemeinschaft und zusätzlicher Selbst Fortbildung eine Rolle spielen.

Das andere Konzept menschlicher Entwicklung ist die Entwicklung des Individuums. Die Frage menschlicher Entwicklung ist eine Frage für jeden Menschen. Ein erwachsener Mensch zu werden, ist nicht das Ergebnis eines natürlichen Reifeprozesses oder das Erreichen eines bestimmten Alters, das rechtlich die Majorität fixiert, sondern vielmehr, in geistiger Reife zu leben und so die höchsten menschlichen Werte zu verwirklichen. Große Traditionen mögen sich in ihren Methoden und Wegen unterscheiden, aber allen geht es um die menschliche Entwicklung, indem sie den Weg von Menschen zum Erreichen menschlicher Werte und zum Leben als authentisches menschliches Wesen steuern.

Menschliche Entwicklung ist ein lebenslanger Prozeß, in dem man verschiedene Stadien unterscheiden kann. Die frühesten Stadien haben am meisten Aufmerksamkeit und Untersuchung erfahren, weil diese Veränderungen in der Entwicklung größer, besser erkennbar sind und einem stärker festgelegten Muster zu folgen scheinen. Deswegen verbindet sich die individuelle menschliche Entwicklung am meisten mit Kindern.

Wenn man die Rolle der Information in menschlicher Entwicklung betrachtet, wird offensichtlich, daß Information eine unerläßliche Rolle spielt und sich auf die physische, emotionale, kognitive und soziale Entwicklung des Kindes bezieht. Dieser Prozeß des Informationsaustauschs beginnt schon vor der Geburt. Die Art, auf die ein Kind gehen und sprechen lernt und wie es mit anderen spielt und kommuniziert, beruht auch auf den Informationen, die es erhält. Die menschlichen Werte, deren sich Eltern bewußt sind und die sie in ihrem Menschsein integriert haben, stellen den Bezugsrahmen für das Kind bei der Entwicklung seiner Sicht der Welt und seiner selbst dar. Wenn die Eltern es zum Fragen ermutigen, wird sich das Kind frei fühlen, zu fragen und Informationen zu suchen. Neue Informationsquellen werden für das Kind zugänglich, wenn es in Kontakt mit anderen außerhalb der familiären Umgebung kommt: Gleichaltrige und Erwachsene in der Schule, in Vereinen oder auf der Straße. Daneben benutzt es verschiedene Massenkommunikationsmittel wie Bücher, Videos, Computerspiele und Fernsehprogramme. Es wird in der Schulbücherei und der öffentlichen Bibliothek eine Fülle von Medien finden. Indem es leichten Zugang zu solchen Bibliotheken hat und mit verschiedenen Informationsquellen, dem Prozeß der Auswahl und Auswertung vertraut wird, wird das Kind Fähigkeiten entwickeln, die (auch für sein Leben als Staatsbürger) nützlich sein werden. Es wird nicht mit nur einer Quelle oder Meinung zufrieden sein, sondern andere Quellen und eine breite Orientierung suchen. Die Bibliothek könnte ihm bei diesen Vorgängen eine verläßliche Umgebung bieten.

Die Werte, die menschlicher Entwicklung zugrunde liegen, berühren das Zentrum menschlicher Würde und sollten daher als Menschenrechte geschützt werden. Bedingungen für den Schutz und die Förderung menschlicher Entwicklung sollte man im Zugang zu Information, Wissen, Kultur und allgemein zu Bildung sehen. Die Menschenrechte verpflichten die internationale Gemeinschaft, solche Bedingungen in anregender Zusammenarbeit zu verwirklichen. Obwohl der Prozeß menschlicher Entwicklung ein innerer individueller Prozeß ist das Ergebnis von Lernen, innerer Reflexion und Verstehen , der von den spezifischen Eigenschaften des Individuums abhängt, kann viel dafür getan werden, förderliche Umstände für diese Prozesse zu schaffen. Einer von ihnen ist, das Recht auf Information ernst zu nehmen.

Konzept des Rechts auf Information

Wenig Aufmerksamkeit ist dem Recht auf Information gewidmet worden, vielleicht wegen seiner abstrakten Formulierung und der Vielfalt anderer Begriffe, die mit ihm in Zusammenhang zu stehen scheinen, z.B.: die Freiheit der Information, die Freiheit des Ausdrucks, das Recht auf Wissen, das Recht auf Kommunikation und der freie Informationsfluß. Die Wurzeln dieses ziemlich unklaren Rechtskonzepts können in der Freiheit der Information und dem Konzept des freien Informationsflusses entdeckt werden. Es scheint, daß Präsident Roosevelt als erster den Begriff "Freiheit der Information" als zusammenfassenden Begriff für Freiheit der Rede und des Ausdrucks benutzte. Die Freiheit der Information wurde nicht nur als Slogan gegen falsche Information und Propaganda benutzt, sondern auch, um Freiheit für Journalisten zu beanspruchen, sich frei in der Welt zu bewegen, um Informationen zu suchen und zu sammeln. Man behauptete, daß Freiheit der Information für die Öffentlichkeit notwendig sei, weil zuverlässige Informationen über andere Nationen und Völker gegenseitiges Verständnis und den Weltfrieden fördern würde. Ein Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen folgt der gleichen Argumentation und stellt Information ins Zentrum der Arbeit der Vereinten Nationen:

Die Freiheit der Information ist ein grundlegendes Menschenrecht und der Prüfstein aller Freiheiten, denen die VN verpflichtet sind. (...)

Die Freiheit der Information beinhaltet das Recht, Nachrichten überall ohne Einschränkungen zu sammeln, übertragen und veröffentlichen.

Die Freiheit der Information setzt als unerläßliches Element den Willen und die Fähigkeit voraus, Vorrechte ohne Mißbrauch zu verwenden. Es setzt als grundlegende Disziplin die moralische Verpflichtung voraus, Fakten vorurteilslos zu suchen und Wissen ohne böse Absicht zu verbreiten; (...)

Im weiten Sinne wurde die Freiheit der Information mit Freiheit des Ausdrucks gleichgesetzt. Im engen Sinne, war es das Konzept von der Freiheit, Informationen zu sammeln. Beide Konzepte wurden aus der Perspektive der Massenmedien übernommen. Eine dritte Bedeutung wurde später aus einer anderen Perspektive entwickelt, nämlich der der Informationsempfänger. Man betrachtete es als wichtig, daß Individuen Zugang zu breiter und zuverlässiger Information hatten, auf der die öffentliche Meinung basieren konnte. Man sah daher einen freien Informationsfluß über Grenzen hinweg, unter Gebrauch internationaler Quellen, als notwendig an. Aus dieser Sicht hatte Menschen ein Recht auf Wissen, ein Recht auf unvoreingenommene Nachrichten. Dieser Begriff wird bis heute in verschiedenen Studien über die Informationsbedürfnisse heutiger Staatsbürger und auch bei Bibliotheksaktivitäten verwendet. 1992 begannen amerikanische Bibliotheken eine Kampagne mit dem Titel "Ihr Recht auf Wissen: Bibliothekare verwirklichen es". Eine Grundlagenuntersuchung über das Recht der Jugend auf Wissen kommt zum Ergebnis: "Das Recht der Jugend auf Wissen ist rechtlich etwas weniger fest als das der Erwachsenen (...) Es ist wichtig zu berücksichtigen, daß trotz des Fehlens einer absoluten Rechtsgrundlage oder Definition ein implizites Recht existieren kann. Es gibt bestimmte Dinge, die ein junger Mensch einfach wissen muß, um zu überleben, aufzuwachsen und im Amerika des 21. Jahrhunderts ein produktives Leben zu führen."

Information spielt bei der Entwicklung eines menschlichen Wesens, bei der Gestaltung einer Identität und bei der persönlichen Entwicklung als einzigartiges menschliches Wesen eine wichtige Rolle. Der zweite Aspekt ist die Rolle der Information bei der Entwicklung des Menschen als soziales Wesen, wobei sie soziale und kulturelle Partizipation unterstützt. Information spielt bei der Entwicklung beider Aspekte eine Rolle.

Wann immer das Recht auf Information als ein individuelles Recht betrachtet wird, wird es jedoch zumeist nur aus der Perspektive des Staatsbürgertums präsentiert. Das Recht, über die Entscheidungen und Aktivitäten der Autoritäten Bescheid zu wissen, das Recht, Informationen zur Bildung politischer Meinungen und zur Partizipation zu haben. Eine Organisation namens ARTICLE 19 bezog sich in diesem Zusammenhang auf nukleare Unfälle wie Tschernobyl und die Ausbreitung von Aids, die "zur Einsicht beigetragen haben, daß die volle Freiheit der Information kein Luxus ist, sondern im wörtlichen Sinn eine Sache von Leben und Tod sein kann. Die Verweigerung von Information, die lebenswichtig für die Gesundheit ist (...) bedeutet Zensur, der man sich genauso stark widersetzen muß wie der eher klassischen Zensur in bezug auf Bücher, Radioprogramme oder die Druckerpresse. Im Namen der staatlichen Geheimhaltung oder nationaler Sicherheit, wird der Zugang zu Information, nach der Menschen ein Recht und Bedürfnis haben, ihnen regelmäßig vorenthalten."

Im Zusammenhang des Rechts auf Information gibt es Bezüge auf Aspekte der individuellen menschlichen Entwicklung, z.B. "das Recht zu wissen und das Recht, die Wahrheit frei zu suchen, sind unveräußerliche Rechte des Menschen", wie der Entwurf einer Erklärung zur Freiheit von Information es formulierte. Oder mit den Worten von Papst Paul VI. bei einem Unesco Seminar in Rom: "der Zwecke von Information ist es, dem Menschen zu helfen, sein Schicksal und das der menschlichen Gesellschaft in die Hand zu nehmen". Andere haben das Recht auf Information als eine natürliche Fortsetzung des Rechts auf Bildung betrachtet. Nicht die Interessen oder Vorurteile derjenigen, die die Produktion von Information steuern, sondern die Menschenwürde derjenigen, die zurecht in ihm ein Mittel zum freien Denken erwarten, sollten ein Recht auf Information haben. Information wird dann eine soziale Funktion im Dienste geistiger Emanzipation. Die lange und intensive Debatte über die Freiheit von Information ergab zudem ein allgemeines Recht auf Information jedes einzelnen Menschen, als Fortsetzung des Rechts auf Bildung, das als ein unbestimmtes soziales Recht angesehen werden kann. Ausdrücklich formuliert ist dieses Recht in Artikel 5.1 des deutschen Grundgesetzes, der die Freiheit, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten", festhält. Sowohl individuelle als auch öffentliche Informationsquellen sind damit gemeint. Die öffentlichen Quellen sind alle diejenigen, aus denen ein Mensch sich selbst bilden und unterrichten kann: Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, audiovisuelle Medien, Radio, Fernsehen, und man könnte elektronische Datenbanken hinzufügen , gleichgültig, ob es sich um eine private oder offizielle Informationsquelle handelt. Alle diese Quellen werden als allgemein zugänglich betrachtet.

Ein anderes Beispiel eines expliziten Rechts auf Information ist im Abkommen der Vereinten Nationen zum Schutz des Kindes (Artikel 17) zu finden:

Die Unterzeichnerstaaten erkennen die wichtige Rolle der Massenmedien an und werden sicherstellen, daß jedes Kind Zugang zu Information und Material aus vielfältigen nationalen und internationalen Quellen hat, vor allem denen, die sich um die Förderung seines sozialen, spirituellen und ethischen Wohlergehens und seiner physischen und psychischen Gesundheit bemühen. Zu diesem Zweck werden die Unterzeichnerstaaten:

Dieser Artikel 29 beschreibt die Ziele der Bildung. Man muß daher zu dem Schluß kommen, daß das Recht auf Information oder besser: das Recht auf Zugang zu Informationsquellen mit einem erzieherischen Ziel in Zusammenhang steht, und in eine Perspektive allgemeiner Bildung und menschlicher Entwicklung rückt.

An dieser Stelle mag man sich fragen, wie und warum das Recht auf Information eine Bedingung für menschliche Entwicklung darstellt. Wenn man das Abkommen über die Rechte des Kindes in dieser Hinsicht untersucht, stellt sich heraus, daß man der Rolle von Information für die persönliche Entwicklung und für soziale Partizipation oder Staatsbürgerschaft Aufmerksamkeit gewidmet hat. Aber nicht alle Bezugnahmen auf das Recht auf Information sind so deutlich wie die Freiheit des Ausdrucks in Artikel 13 und Zugang zu Information in Artikel 17. Implizite Bezugnahmen, die ein Recht auf Information zu ihrer Verwirklichung voraussetzen, sind ebenfalls wichtig. Solche Beispiele sind nicht nur Bezugnahmen auf die Erziehung druch Eltern, sondern auch die Bewahrung von kultureller Identität, des Privatlebens, der Gedanken , Gewissens und Religionsfreiheit, und das Recht, Ansichten über Themen auszudrücken, die das Kind selbst betreffen. Auf dem Gebiet der sozialen Partizipation sollte man auch das Recht auf Information berücksichtigen, das implizit in der Freiheit zur Assoziation, im Recht auf kulturelle Partizipation, dem Recht auf Zugang zu Bildung und dem Recht, seine eigenen Rechte zu kennen, liegt. Die Unterzeichnerstaaten haben sich selbst verpflichtet, die Prinzipien und Regelungen des Abkommens weithin Erwachsenen und Kindern gleichermaßen bekannt zu machen (Artikel 42).

Das Recht auf Information nimmt die Perspektive des Informationssuchenden, des Bibliotheksbenutzers, ein. Das bedeutet, daß Bedingungen und Regelungen für einen erfolgreichen Informationsprozeß geschaffen werden müssen, während die endgültige Initiative und Informationsauswahl beim Bibliotheksbenutzer selbst, in seiner eigenen Verantwortung, liegt. Die menschliche Entwicklung kann ohne eine Basis im menschlichen Bewußtsein und individuellem Verantwortungsbewußtsein nicht geschehen.

Der Bezug auf die allgemeinen Ziele der Erziehung ist ein weiterer Punkt, der die Rolle des Rechts auf Information für die menschliche Entwicklung unterstützt. Die Formulierung in Artikel 29 kann durchwegs in internationalen Dokumenten zu den Menschenrechten gefunden werden besonders in Abkommen der Unesco , die sich nicht nur auf Kinder beziehen. Die Ziele werden beschrieben als: die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, Talente und physischen Fähigkeiten zu ihrem vollsten Potential, die Entwicklung von Respekt für die Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten und für die Prinzipien, die in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt sind, die Entwicklung von Respekt für seine eigene kulturelle Identität, Sprache und Werte, die Werte seiner Nation und der anderer Kulturen, die Entwicklung, die zu einem verantwortlichen Leben in einer freien Gesellschaft beiträgt, im Geist von Verständnis, Frieden, Toleranz, Gleichberechtigung der Geschlechter und Freundschaft unter allen Völkern, ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen und Personen von einheimischem Urprung, und endlich die Entwicklung von Respekt für die Umwelt. Diese grundlegenden menschlichen Werte spiegeln ein Menschenbild, das im Geist der Entwicklung und des Lebens als authentischer Mensch inbegriffen ist.

Information, die sich auf menschliche Entwicklung bezieht, wirft ein besonderes Licht auf das Recht auf Information. Menschliche Entwicklung als solche beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Alter, sondern ist ein lebenslanger Prozeß. Die Entwicklung als authentischer Mensch ist nicht nur eine Aufgabe für Kinder, sondern für jeden Menschen, da es das Potential aller Menschen ist, grundlegende Menschenrecht zu verwirklichen. Deswegen ist das Recht auf Information nicht nur für das Kind bedeutsam, sondern auch für jeden Menschen und muß nicht nur als Recht des Kindes angesehen werden, sondern als ein allgemeines Menschenrecht.

Bibliotheken und Menschenrechte

Die Prinzipien und professionellen Werte, auf denen das Bibliothekswesen und Bibliotheksdienstleistunge basieren, spiegeln den Respekt der Bibliothek für Menschenrechte. Sie wurden in den verschiedenen Versionen des Manifests der Unesco für öffentliche Bibliotheken formuliert. Das Manifest von 1994 zielt darauf ab, lokale und nationale Behörden von den grundlegenden Werten zu überzeugen, die von öffentliche Bibliotheken geschützt werden, und von ihrem wichtigen Beitrag zum Gemeinwesen und der Demokratie im allgemeinen.

Das Manifest beruht auf den grundlegenden menschlichen Werten von Freiheit, Wohlstand, der Entwicklung der Gesellschaft und der Individuen, und dem Bedarf an gutinformierten Bürgern, die fähig sind, ihre demokratischen Rechte auszuüben und eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Die öffentliche Bibliothek wird als das örtliche Tor zum Wissen definiert, das eine grundlegende Voraussetzung für lebenslanges Lernen, unabhängige Entscheidungsfindung und kulturelle Entwicklung des Individuums und sozialer Gruppen erfüllt. Darüber hinaus bezieht sich das Manifest auf das Statut der Unesco, indem es die Überzeugung der Unesco proklamiert, daß die öffentlich Bibliothek eine lebende Quelle für Bildung, Kultur und Information und ein wesentliches Mittel zur Förderung des Friedens und des geistige Wohlergehens in den Köpfen der Menschen darstellt.

Das Manifest legt die Prinzipien öffentlicher Bibliotheksdienstleistungen dar, wie gleiche Zugänglichkeit für alle, ohne Diskriminierung. Das Prinzip des Pluralismus erfordert es, daß Material für die Bedürfnisse der verschiedenen Altergruppen relevant sein muß und aktuelle Trends und die Entwicklung der Gesellschaft genauso wie die Erinnerung an menschliche Unternehmen und Vorstellungen spiegeln muß. Dieses Prinzip wird durch das Prinzip der Unabhängigkeit weiter sichergestellt: Sammlungen und Dienstleistungen sollten keiner Form von ideologischer, politischer oder religiöser Zensur oder wirtschaftlichen Zwängen unterliegen. Die Schlüsselaufgaben beziehen sich auf Information, Alphabetismus, Bildung und Kultur. An erster Stelle steht, Lesegewohnheiten bei Kindern von einem frühen Alter an zu schaffen und verstärken. Andere Punkte berühren verschiedene Formen der Bildung, darunter durch Selbststudium, und Gelegenheiten zur persönlichen kreativen Entwicklung.

In bezug auf das Kulturleben bemüht sich das Manifest, die Anerkennung des kulturellen Erbes, der Künste, von Wissenschaften und Innovationen zu fördern, Zugang zu Formen des kulturellen Ausdrucks der Aufführungskünste zu gewährleisten, interkulturellen Dialog zu propagieren und kulturelle Verschiedenartigkeit durch Unterstützung der mündlichen Tradition (unter anderen) zu fördern.

Um der Gesellschaft zu dienen, sollte die Bibliothek danach streben, allen Bürgern Zugang zu alle Arten von gesellschaftlicher Information zu ermöglichen und ausreichende Informationsdienste für örtliche Unternehmen, Vereine und Interessengruppe bereitzustellen. Es wird außerdem als Aufgabe der Bibliothek gesehen, Lesefähigkeit zu fördern, sowohl im traditionellen als auch im modernen Sinn durch Unterstützung von und Teilnahme an Alphabetisierungsaktivitäten und programmen für alle Altersgruppen, auch durch Anbieten solcher Programme, wenn notwendig, und durch Hilfe bei der Entwicklung von Fähigkeiten in bezug auf Informations und Computerverwendung.

Ein kurzer Vergleich mit den früheren Fassungen des Manifests macht klar, daß die Hauptelemente (freier Zugang für alle, Förderung von Lesegewohnheiten durch vielfältige Sammlungen, öffentliche Finanzierung und spezifische Rechtsprechung) gleich geblieben sind, aber die Unterschiede in der Akzentuierung und Methodik sind erheblich. Eine Akzentverlagerung wurde vorgenommen von Bildung (1949) zu Kultur (1972) und dann Information (1994), auch wenn diese drei Begriffe in allen Manifesten vorkommen, die sich auf die Ziele der Unesco beziehen. 1949 appellierte man an jeden Bürger als potentiellen Benutzer der Bibliothek, die als eine Einrichtung angesehen werden sollte, die von Menschen für Menschen geführt wurde. 1972 wendete man sich an Erziehungswissenschaftler, Sozial und Kulturarbeiter und gesellschaftliche Führungskräfte. Es könnte dieser historischen Entwicklung entsprechen, die internationale Gemeinschaft und ihre Einrichtungen als nächste Stufe in einem unterstützenden rechtlichen Rahmen zu sehen. Genausogut könnte sich das Zentrum und die Definition des Ziels der öffentlichen Bibliothek einmal wieder auf die Bildung verlagern, wobei die Möglichkeiten und Verpflichtungen zu Selbststudium und lebenslangem Lernen betont werden.

In bezug auf das Recht des Kindes auf Information als Beispiel für das allgemeine Recht auf Information ist es von Nutzen, das Manifest mit den Artikeln des Abkommens über das Recht des Kindes zu vergleichen. Vor allem seine Bezugnahme auf das Ziel der Bildung in Artikel 29 erhellt verschiedene ähnliche Aspekte. Die persönliche Entwicklung wird mehrfach im Manifest erwähnt. Die Achtung vor verschiedenen Kulturen entspricht dem Ziel des Manifests, interkulturellen Dialog und kulturelle Verschiedenheit zu fördern. Die Förderung von Frieden und spirituellem Wohlergehen ist eine Formulierung der Unesco, die in beiden Texten vorkommt. Die Vorbereitung für ein verantwortungsvolles Leben in einer freien Gesellschaft, ein Ziel des Abkommens, kann durch die Bibliotheksdienstleistungen der Information für das Gemeinwesen und der Unterstützung von Interessegruppen erreicht werden, worunter auch erzieherische und berufliche Information, wie sie in Artikel 28(d) des Abkommens erwähnt wird, gefaßt werden kann.

Das Recht auf Partizipation im Kulturleben, das in Artikel 31 des Abkommens erwähnt wird, schließt den Zugang zu den aufführenden Künsten und Gelegenheit zur persönlichen kreativen Entwicklung ein, wie sie im Manifest proklamiert werden.

Auf dem Gebiet des Alphabetismus liefert das Manifest Bezüge, die denen von Artikel 28(3) des Abkommens ähnlich sind. Die Verbreitung von Kinderbüchern wird im Abkommen ausdrücklich erwähnt und kann als eine Unterstützung für Bibliotheken in ihrer Rolle als einer der hauptsächlichen Verbreitungskanäle von Kinderbüchern angesehen werden. Die Achtung für Minderheitensprachen wird sowohl im Abkommen (Artikel 17(d) und 30) als auch im Manifest ausgedrückt. Die Unterstützung der Bibliothek für die mündliche Tradition kann diesem Ziel ebenfalls dienen. Das Manifest erwähnt ausdrücklich das Prinzip der Nicht diskriminierung, darunter auch ein Verbot von Diskriminierung aus Altersgründen. Als Ergebnis muß man festhalten, daß Kinder Zugang zu Bibliotheksdiensten haben, nicht als ein Zugeständnis, sondern als ein Rect. Dieser kurze Überblick über die Entwicklung des Manifests und der Vergleich mit dem Abkommen über die Rechte des Kindes zeigt, daß das Manifest mit dem Geist und vielen Regelungen des Abkommens über die Rechte des Kindes übereinstimmt. Auf der Basis ihrer Ziele sollten das Manifest und die öffentliche Bibliothek daher als Mittel angesehen werden, zur Durchführung des Rechts auf Information beizutragen.

Das Manifest ist das grundlegende Dokument für öffentliche Bibliotheken auf einer internationalen Ebene und aus der Perspektive der Menschenrechte. Es schützt grundlegende menschliche Werte. Da das Manifest andere Chartas und Erklärungen mit Bezug auf die Ziele der öffentlichen Bibliothek angeregt hat, kann man in diesen Texten auf nationaler Ebene zusätzliche Unterstützung finden. Die Charta für öffentliche Bibliotheken in den Niederlanden stellt z.B. ausdrücklich fest: "öffentliche Bibliotheken spielen eine wichtige praktische Rolle und haben beträchtliche professionelle Verantwortung in bezug auf Menschenrechte und grundlegende Freiheiten, die vom internationalen Recht und der Niederländischen Verfassung anerkannt werden. Unter ihnen sind die Freiheit des Ausdrucks, das Recht, am Kulturleben teilzunehmen, die Freiheit, Informationen und Ideen zu suchen, empfangen und weiterzugeben, die Gedanken , Gewissens und Glaubensfreiheit und das Recht der Bürger auf Respektierung ihrer Privatsphäre." Die Erklärung zur Charta verweist ausdrücklich auf die internationalen Standards, die u.a. durch das Internationale Abkommen über Bürgerliche und Politische Rechte (Artikel 17, 18, 19), das Internationale Abkommen über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (Artikel 15), und das Europäische Abkommen über Menschenrechte (Artikel 8, 9 und 10) und die entsprechenden Artikel der nationalen Verfassung festgelegt sind.

Die Durchführung des Manifests der Unesco zu öffentlichen Bibliotheken wird durch Verweise auf diese internationalen Standards an Gewicht gewinnen.

Verwirklichung des Rechts auf Information

Die obige Beschreibung der Beziehung zwischen Bibliotheken und Menschenrechten zeigt deutlich, daß Bibliotheken den Menschenrechten und dem Schutz menschlicher Werte verpflichtet sind. In der gegenwärtigen Situation einer wachsenden Zahl von Informationsanbietern und Informationsquellen sollten Bibliotheken sich einem paradigmatischen Wandel anschließen und die Perspektive der Benutzer berücksichtigen. Die Verwirklichung des Rechts auf Information ist eine Bedingung für menschliche Entwicklung sowohl auf der Ebene des Individuums als auch auf einer höheren Ebene. Bibliotheken haben hervorragende Möglichkeiten, das Recht auf Information zu verwirklichen, indem sie Wege schaffen, auf denen Menschen Zugang zu Information sowohl für ihre persönliche Entwicklung als auch für soziale Partizipation gewinnen können.

In der Tat sind andere Bibliothekstypen auf ähnliche Weise den Menschenrechten und dem Recht auf Information verbunden, aber die Rolle der öffentlichen Bibliothek zeigt das allgemeine Vorgehen.

Zunächst hat die Bibliothek eine Vielfalt von Sammlungen geschriebenen und audiovisuellen Materials und Informationsquellen in computerisierter Form, die von aktuellem Interesse sind und die Vorgaben von Pluralismus und gleicher Beteiligung erfülle, für alle aufgebaut und zugänglich gemacht. Diese Materialien können als Informationsquellen für jedes Individuum dienen, unabhängig von seinem Alter, das Information sucht, um damit seine persönliche Entwicklung und soziale Partizipation zu unterstützen. Die Bibliothek benutzt Qualitätskriterien, wenn sie ihre Sammlungen aufbaut. Diese Kriterien sind professionelle Kriterien, aber unterscheiden sich von den engen Qualitätskriterien, die die kulturelle Elite festlegt. "Aus der Perspektive ihrer gesellschaftlichen Rolle will die Bibliothek nicht das Prinzip der Qualität oder das Prinzip des Pluralismus vernachlässigen. Die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit der Benutzer stehen im Zentrum der Verwirklichung des Recht auf Information. Dieses demokratische Prinzip hat Vorrang, wenn die Bibliothek aus anderen Gründen sich die Freiheit nehmen kann, ein elitäres Qualitätsprinzip anzuwenden."

Die Bibliothek liefert Informationsdienste und kann als Teil der Kommunikationsinfrastruktur der sozialen und kulturellen Gemeinschaft angesehen werden. Die Bibliothek bietet eine offene und freie Atmosphäre, die zu Wissen, Partizipation und Selbstausdruck einlädt. Um das oft junge Publikum anzuziehen, werden Studierecken, Geschichtenerzählen, Informationsprogramme zu verschiedenen Themen, Ausstellungen, Aufführungen und Autorenlesungen organisiert. All die ist den Bibliotheksmitarbeitern gut bekannt, aber ist es auch Allgemeinwissen für diejenigen, die an Entwicklungsprogrammen, Stadtplanung und Investitionen für Informationstechnologien und Bildung beteiligt sind? Auf diesem Gebiet muß die Bibliothek sich selbst und ihre Funktionen auf pro aktive Weise sichtbar machen.

Die Interessen der Benutzer zu verteidigen, ist ein zweiter Punkt bei der Verwirklichung des Rechts auf Information. Dies ist besonders wichtig in einem Zeitalter, in dem sich viele andere zwischen den ursprünglichen Autor und den individuellen Leser/Benutzer gestellt haben und vom einzigartigen Werk profitieren wollen. Das Recht auf Information ist die Grundlage für Bibliotheken, die Rechte der Benutzer in dieser Hinsicht zu verteidigen. Bibliotheken dienen dem Recht auf Information von Menschen als Informationssuchern, nicht den Wechselwirkungen der Informationsgesellschaft, die von der Wirtschaft hervorgerufen werden. In der Kulturpolitik sollten Bibliotheken die gleiche Aufmerksamkeit zeigen und ihre eigene Funktion haben. Ein dänischer Minister formulierte es so: "Öffentliche Bibliotheken sind kulturpolitische Institutionen und keine Zweigstelle der Unterhaltungsindustrie."

Da das Verlagswesen, Produktion und Vertrieb internationale Vorgänge geworden sind, können Bibliotheken nur dann ein Partner auf dem Gebiet der Information sein, wenn sie international organisiert sind. Die Initiative der IFLA, eine Kommission zum Zugang zu Information und zur Freiheit des Ausdrucks einzurichten, ist eine deutliche Aktion, um grundlegende menschliche Informationsrechte zu sichern. Das Konzept des Rechts auf Information könnte dabei nützlich sein, die Unterstützung aller Arten von Bibliotheken für diese Probleme zu gewinnen. Es wird eine Herausforderung und die Stärke aller Bibliotheken sein, die an der IFLA beteiligt sind, zu zeigen, daß Bibliotheken Autoren und Benutzer ernst nehmen und für einen freien Informationsfluß zum Nutzen menschlicher Entwicklung eintreten.

Wo das Recht auf Information sich auf ein erzieherisches Ziel und menschliche Entwicklung bezieht, kann ein dritter Schritt zu seiner Verwirklichung in der Rolle der Bibliothek gesehen werden, zum Selbststudium zu ermuntern und zu befähigen. Disziplin und individuelle Verantwortung müsse gelernt werden. Sie können in einem Pflichtschulwesen gelernt werden, sind aber von größerem Nutzen, wenn sie in einer freien Umgebung, wie sie die Bibliothek anbieten kann, entwickelt werden. Die Motive eines Menschen werden ehrlicher sein und auf Interesse, Neugier und Verwunderung basieren. Biographien bedeutender Menschen, Beispiele bedeutender Lehrer und Autodidakten können eine solche Einstellung anregen. Bibliotheken sollten genug Platz zum Studieren haben. Besonders in Entwicklungsländern sollte verpflichtende und freiwillige Ausbildung Hand in Hand gehen. Partnerschaften können arrangiert werden, durch die eine Bibliothek den Vorteil hat, den Geschmack der Freiheit zu verbreiten, eine freie Wahl der Information.

Ein anderer Aspekt des Rechts auf Information ist seine wichtige Rolle beim Prozeß der Demokratisierung. Ein Teil der menschlichen Entwicklung auf nationaler Ebene ist die Verfügbarkeit von Information und Materialien über gesellschaftliche Entwicklungen. Besser informierte Menschen treffen eine bessere Wahl. Dies trifft für praktische und politische Fragen zu. Das Recht auf Wissen, basierend auf dem Bedürfnis nach zuverlässiger Information, kann auch von Bibliotheken ausgedrückt werden, die im Auftrag ihrer Kunden sprechen. Ein Informationsdefizit spezifischer Gruppen oder auf spezifischen Gebieten oder in bestimmten Sprachen kann unter Hinweis auf das Recht auf Information signalisiert werden. Die Erfüllung sprachlicher Bedürfnisse dient in dieser Hinsicht sowohl Informations als auch kulturellen Zwecken. Das Hauptaugenmerk sollte auf den Demokratisierungsprozeß auf lokaler Ebene gelegt werden. Die Bibliothek muß zeigen, daß sie Teil der örtlichen Gesellschaft ist, der sie dient, wenn Entscheidungen in den verschiedensten Angelegenheiten von Hausbau und Umwelt bis hin zu Bildung und Kulturangebot getroffen werden. Dort, wo gängige Informationen vielleicht leicht zugänglich sind, sollte die Bibliothek alternative Informationsquellen ausfindig machen und sie zur Orientierung der Bürger verfügbar machen. Das Recht auf Information hat besondere Bedeutung für Informationen, die aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht leicht zugänglich sind. Hintergrundsinformationen und historische Quellen können einer öffentlichen Diskussion Tiefe und Qualität verleihen. Die Rolle von Bibliothekare ist nicht, bei solchen Diskussionen Stellung zu beziehen, sondern an der menschlichen Entwicklung der Gesellschaft teilzunehmen und sie zu fördern, indem angemessene Mittel für demokratische Kommunikation angeboten werden.

Obwohl Kinder (noch) kein demokratisches Recht zu wählen haben, sollte sie dies nicht von sozialer und kultureller Partizipation abhalten. Wo früher "Protektion" der Schlüsselbegriff beim Engagement für Menschenrechte für Kinder war, kündigt "Partizipation" ein neues Paradigma an, in dem das Kind als wertvolles menschliches Wesen mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Ausdrucksmöglichkeiten angesehen wird. Das Recht auf Information, wie es im Manifest für öffentliche Bibliotheken und im Abkommen über die Rechte des Kindes impliziert ist, bietet Kindern eine Basis für ihre menschliche Entwicklung. Die ältesten Beispiele für öffentliche Bibliotheken heben den öffentlichen Zugang und den Nutzen für Kinder hervor. "In Halikarnaß in Kleinasien im zweiten vorchristlichen Jahrhundert wurde die Werke eines Mannes, der von der Stadt geehrt wurde, auf öffentliche Kosten in die Bibliotheken der Stadt gebracht, um damit die Jugend zu unterrichten; diese Regelung für breiten Zugang war vermutlich von größtem Nutzen für die Kinder der örtlichen Aristokratie." Die Ausweitung auf andere soziale Gruppen in der Gesellschaft dauerte lang und ist noch nicht vollendet.

Bibliotheken haben viel für die Sicherung kindlicher Rechte zu bieten. Nur eine kurze Skizze kann folgen; ein eigener Vortrag wäre notwendig. Man kann drei Arten unterscheiden, die sich auf Rechte von Kindern beziehen. Zuerst die Durchführung des Rechts auf Information selbst. Die Dienstleistungen der Bibliothek und ihre Aktivitäten sollten darauf abzielen, Information für Antworten auf die Fragen des Kindes zu liefern und ihm helfen, sich im Leben und in der Gesellschaft zu orientieren. Dies setzt wesentliche Informationen über Abläufe des Lebens, über Gesundheit und Ernährung, Schule und Beruf voraus.

Bibliotheken spielen eine Rolle im Kulturleben und biete Möglichkeiten, sich am Kulturleben zu beteiligen. Ein frühes Beispiel für den Beitrag der Bibliothek zur Kinderkultur beginnt damit, auf den Mangel an freien Wahlmöglichkeiten für Kinder hinzuweisen, da kommerzielle Interessen zunehmend die Aktivitätsbedürfnisse der Kinder steuern. Erwachsene und damit auch Bibliothekare haben eine Verantwortung, Alternativen zu zeigen und bereitzustellen. Alle die an der Erziehung von Kindern beteiligt sind, sollten zusammenarbeiten, um wirkliche Wahlfreiheit für das Kind zu verwirklichen. In den örtlichen Debatten über den Nutzen von Bibliotheken wird die weitere Perspektive oft vergessen, wie Tove Nilsen bemerkt: "Die Bibliothek war immer ein Symbol dafür, wie eine Gesellschaft sich um die eigene und frühere Kultur kümmert. Deswegen und nicht wegen eines geistigen Snobismus verdienen sie ihre Stellung. Zwischen den Buchdeckeln gibt es nicht nur trockene Wörter, sondern auch Fragen und Antworten auf die Geheimnisse des menschlichen Lebens."

Ein zweiter Aspekt ist die Verwirklichung der Menschenrechte für Kinder durch Bibliotheksdienste. Eine Bibliothek kann dem Kind helfen, seine anderen Menschenrechte wie sein Recht auf Bildung durch informelle Ausbildung oder Selbststudium zu verwirklichen. Oder sein Recht auf Gewissens und Glaubensfreiheit, indem es Information über verschiedene Kulturen und Bekenntnisse konsultiert.

Ein dritter Weg betrifft die Rechte von Kindern in der Bibliothek. Zunächst sollte die Bibliothek selbst die Rechte von Kindern respektieren. Die Bibliothek ist verpflichtet, die Privatsphäre des Kindes zu respektieren, z.B. die Literatur oder Information, die das Kind benötigt, die Belege für seine Ausleihen und seine Ansichten. Die Bibliothek sollte Kindern auch die Möglichkeit geben, ihre Meinung über die Bestände und Dienstleistungen der Bibliothek, Öffnungszeiten, das Gebäude und seine Einrichtung, die Programme und Aktivitäten und die Hilfe durch die Mitarbeiter zu äußern. Solche Umfragen oder Kunden Feedback wird den Kindern das Gefühl der Partizipation geben, wenn ihre Ansichten auf die eine oder andere Weise berücksichtigt werden. Daneben sollte auch ein Beschwerderecht, mit einer klaren und einfachen Vorgehensweise, für Kinder eingerichtet werden. Die Kommunikation mit Kindern wird auch Möglichkeiten bieten, die Erwerbungsrichtlinien der Bibliothek zu erklären. Verschiedene Möglichkeiten, in der Bibliothek aktiv zu werden, können auch angeboten werden. Die Mitarbeiter sollten darauf achten, nicht nur symbolische Partizipation anzubieten. Man kann sich bemühen, eine Bibliothek als Kinder Informationszentrum zu schaffen, in dem vor allem die Teilnahmerechte der Kinder respektiert werden. Insgesamt kann die Verwirklichung von Kinderrechten in der Bibliothek eine veränderte Einstellung und Veränderungen in der Mitarbeiterführung mit sich bringen.

Im allgemeinen sollte die Berücksichtigung der Grundrechte und ihrer ethischen Implikationen eine alltägliche Aufgabe sein. Sie können die Bibliothek zu einer transparenten, lernenden Organisation machen, von der die Mitarbeiter und Benutzer profitieren können. Eine bemerkenswerte Achtung der Grundrechte, darunter der von Kindern, können die Bibliothek zu einem anderen Ort machen, einer Quelle anderer Erfahrungen. Die Bibliothek ist nicht nur eine Gesellschaft. Das Ziel der Bibliothek basiert klar auf einem Respekt für die Menschenrechte und menschliche Entwicklung als sein zentrales Prinzip. Diese Aufgabe muß sich im achtungsvollen Verhalten der Bibliotheksmitarbeiter gegenüber den Benutzern und dem kulturellen Erbe spiegeln, das sie denjenigen eröffnen, die Information über menschliche Werte suchen.

Bedingungen und Empfehlungen

Diese verschiedenen Beschreibungen und Erklärungen führen uns zu der Frage, ob Bibliotheken für eine solche Rolle bei der Verwirklichung der Menschenrechte, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, bereit sind. In der Theorie ist die Antwort positiv, das Ziel der Institution ist in dieser Hinsicht völlig klar. In der Praxis dienen eine große Zahl von Bibliotheksaktivitäten und gewohnheiten sicher Kindern und Erwachsenen dabei, sich selbst als menschliche Wesen zu entwickeln. Einige Aspekte bedürfen jedoch weiterer Betrachtung. Diese Aspekte können als Empfehlungen angesehen werden, um die Bedingungen zu erfüllen, die vom Recht auf Information in bezug auf menschliche Entwicklung gestellt werden. Diese Bedingungen fordern, daß ein Mensch freien Zugang zu Information hat. Soziale, finanzielle oder andere Hindernisse beeinträchtigen das Prinzip der Gleichheit. Das Material und die Dienstleistungen der Bibliothek sollten als Angebot gesehen werden. Der Benutzer kann über seine Benutzung der Bibliothek, die nie verpflichtend sein kann, entscheiden. Die Kommunikation zwischen Bibliothekar und Benutzer verdient den gleichen Respekt. Der Bibliothekar ist ein kompetenter Dienstleister, der Geschichten in den vielen Bedeutungen des Wortes kennt und die Grundrechte achtet. Die Integrität des Bibliothekars wird dadurch gesichert, daß er eine zuverlässige Person ist. Die Integrität der Bibliothek als einer Institution muß dadurch geschützt werden, daß eine Umgebung ohne kommerzielle Einflüsse geboten wird.

Um das Recht auf Information zu gewährleisten, sollten Bibliotheken sich mehr für die Menschenrechte engagieren, die sie schützen wollen. Der Mehrwert der Bibliotheken sollte weiter bekannt werden und deutlich gemacht werden. Eine klare Erwerbungspolitik würde ein festes und legitimierendes Instrument für die demokratische Rolle der Bibliothek darstellen.

Was die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Quellen betrifft, so gilt die erste Sorge der Verbreitung und Qualität der Dienstleistung. Die Informationstechnologie hilft vielleicht, Fernzugang zu Quellen anzubieten, wird aber nicht immer die tatsächliche Verfügbarkeit von Büchern und Medien garantieren. Bibliothekare sollten die verschiedenen Arten der Bibliotheksbenutzung durch die Kunden stärker berücksichtigen. Eine andere Methode ist notwendig, wenn der Benutzer in die Bibliothek kommt, um sich umzuschauen, als wenn er Information zu einer bestimmten Krankheit oder einen Sprachkurs sucht. Eine Debatte über Benutzerfreundlichkeit und Qualität der Dienstleistung könnte weitere Bemühungen anregen, die Bibliothek als ganzes den Bedürfnissen verschiedener Benutzergruppen anzupassen.

Den vielfältigen Zielen der Bibliothek würde eine Erweiterung der Netze entgegenkommen, nicht so sehr im Sinne der elektronischen Netze, sondern im Sinn funktionierender Beziehungen zu anderen Bereichen der Gesellschaft. In manchen Ländern werden öffentliche Bibliotheken weniger mit Information als mit Kultur in Zusammenhang gebracht. Solche Einstellungen sagen uns viel über die möglichen Spannungen zwischen Information und Kultur.

Eine Bibliothek kann dem Gemeinwesen nur dienen, wenn sie eine Rolle in der Lokalpolitik spielt. Sie sollte daher Mitsprache bei der Entwicklung einer integrierten Informationspolitik und dem Umgang mit verschiedenen Gruppen beanspruchen. Die Bibliothek kann eine größere Bandbreite an Aktivitäten und Arbeitsbeziehungen mit anderen Organisationen anbieten, um weitere Zusammenarbeit zu etablieren. Bibliothekare könnten sich ihrer vermittelnden Rolle beim Angebot sozialer Information stärker bewußt sein.

Die Vorstellung, daß die Benutzung einer Bibliothek und Zugang zu Informationsquelle ein Luxus ist, der Kindern und anderen Gruppen gewährt wird, sollte im Hinblick auf das Abkommen über die Rechte des Kindes und andere Instrumente der Menschenrechte reflektiert werden. Eine Debatte über den Übergang "vom Zugeständnis zum Recht" könnte einen Wandel der Einstellung erleichtern. Im allgemeinen sollten Bibliotheken mehr über das Abkommen wissen und auch das Manifest der Unesco zu öffentlichen Bibliotheken mehr benutzen.

Zur Unterstützung des geplanten Wandels wäre ein grundlegendes Dokument über Bibliotheken und Menschenrechte, darunter das Recht auf Information, nützlich. Die Formulierung eines Aktionsplans auf allen Ebenen der Bibliotheksinfrastruktur sollte folgen. Darüber hinaus sollte das Konzept der "Dienstleistung für den Benutzer" in einer gemeinsamen Anstrengung der Bibliotheksmitarbeiter und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen erweitert werden.

Insgesamt spielt die öffentliche Bibliothek eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung des Rechts auf Information. Sie erfüllt die Verpflichtung des Staates, Information zu liefern, sowohl für die Entwicklung der Persönlichkeit des einzelnen als auch für seine soziale und kulturelle Partizipation.

Bibliotheken sollten Mechanismen zur Kontrolle der Menschenrechte bei der Darbietung ihrer Dienstleistungen verwenden. Bisher habe zum Beispiel sehr wenige Bibliotheksorganisationen die Implikationen des Abkommens über die Rechte des Kindes berücksichtigt; Bibliotheken werden in den staatlichen Berichten nicht erwähnt. Die IFLA sollte daher die Kommission für die Rechte des Kindes auffordern, die Verpflichtungen des Staates im Hinblick auf die Organisation öffentlicher Bibliotheksarbeit und ihrer Dienstleistung für Kinder zu untersuchen, mit Einschluß einer Überprüfung kostenloser Grunddienste und möglicher Gesetzgebung zum Schutz bibliothekarischer Prinzipien, wie sie im Manifest der Unesco zu öffentlichen Bibliotheken festgelegt sind.

Eine andere Empfehlung betrifft die Verpflichtung, das Abkommen bekannt zu machen. Obwohl dies eine Verpflichtung der Staaten ist, die das Abkommen unterzeichnet haben, spielen auch nichtstaatliche Organisationen bei der Überwachung eine Rolle. Die IFLA sollte daher ernsthaft versuchen, das Manifest der Unesco für öffentliche Bibliotheken auf das Abkommen über die Rechte des Kindes zu beziehen und ihre Mitgliedsorganisationen ermutigen, die öffentlichen und andere Bibliotheken dazu zu veranlassen, ihre Rolle bei der Verwirklichung des Rechts des Kindes auf Information zu spielen.

Bei der Gestaltung des Themas der IFLA Konferenz werden zwei Gruppen oder Ansichten über das Informationszentrum oder Kulturzentrum vorgestellt. Auch wenn diese Ansichten vielleicht die Diskussion erleichtern, sollte man sich der Gefahren bei der Trennung von Information und Kultur bewußt sein. Wenn es wirklich eine wichtige Aufgabe für Bibliothekare gibt, dann wird es die Aufgabe sein, Information und Kultur miteinander zu vereinbaren, indem vielfältige Dienstleistungen angeboten werden, die von einer Überzeugung vom menschlicher Entwicklung getragen werden. Wenn das Konzept von menschlicher Entwicklung Herz und Verstand der Bibliotheksmitarbeiter erfüllt und bei der persönlichen Ausübung ihrer Arbeit und Pflichten zum Ausdruck kommt, kann man bescheiden sagen: die Bibliothek fungiert als Zentrum für menschliche Entwicklung.

Mit der Erfindung der Druckerpresse ist die Möglichkeit, bestimmte Informationen oder Wissen zu verstecken oder zu schützen, nahezu verschwunden. Es hat ebenfalls keinen Sinn, andere davon abzuhalten, Informationen zu verbreiten, die den eigene Überzeugungen widersprechen. Dennoch ist die Geschichte des Buchs auch eine Geschichte seiner Zerstörung. Bücher und Bibliotheken haben sich als verletzlich erwiesen, und sehr oft waren religiöse Werke die ersten und hauptsächlichen Opfer von Diebstahl oder Verbrennung. Die Freiheit eines Menschen ist vor allem eine Freiheit des Herzens und Verstandes.

Die Geschichte der öffentlichen Bibliotheken begann mit der Einrichtung der ersten kostenfreien öffentlichen Bibliothek. Das Konzept der "Kostenfreiheit" entwickelt sich allmählich. Für einen Menschen ist die Bibliothek kostenfrei in dem Sinne, daß die Benutzung aus freier Wahl, einer freiwilligen Entscheidung erfolgt. Die Bibliothek ist auch kostenfrei, wenn keine finanziellen Hindernisse ihrer Benutzung im Weg stehen. Freier Zugang und freie Benutzung bedeuten noch keine freie Bibliothek, wenn die Bibliothek nicht frei von politischen und kommerziellen Ansprüchen und Einflüssen ist. Eine wahrhaft freie Bibliothek befähigt Menschen durch ihre Dienstleistung zur Freiheit. Die Bibliothek bietet Informationsquellen, die dazu beitragen können, daß Menschen sich selbst von dem befreien, was sie bindet. Freie Menschen verdienen es, daß Bibliotheken ihr Recht auf Information schützen.

Eine Voraussetzung für alle Aktivitäten, die auf die Verwirklichung des Rechts auf Information zielen, ist die Anerkennung menschlicher Entwicklung, des Potentials jedes Menschen, ein wahrhafter Mensch zu werden, in dem Sinne wie es traditionelle Geschichten in den Blick nehmen. Das heißt, Menschen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die Qualität eines authentischen Lebens zu erkennen. Diese Qualität ist als eine dynamische Kraft gegenwärtig, eine Quelle, die alle Traditionen und alle kreativen Wesen genutzt haben. Die Ergebnisse dieser Prozesse sollten in einer kulturellen Bewegung sichtbar gemacht werden, in der das Recht auf Information verwirklicht werden könnte. Dieses Plädoyer für das, was nicht nutzbar gemacht werden kann oder nutzlos ist, könnte seinen Ausdruck in einer Schweigenden Bibliothek finden. Texte über authentisches Leben aus verschiedenen Kulturen und Traditionen sollten zusammengebracht und präsentiert werden. Die Bibliothek sollte für das Selbststudium und für menschliche Entwicklung offen sein und als allgemein zugängliche Informationsquelle für jeden Menschen dienen, da er ein Recht auf Information hat.

Appendix

UNITED NATIONS CONVENTION ON THE RIGHTS OF THE CHILD 1989

Article 17

States Parties recognize the important function performed by the mass media and shall ensure that the child has access to information and material from a diversity of national and international sources, especially those aimed at the promotion of his or her social, spiritual and moral well being and physical and mental health. To this end, States Parties shall:

Article 29

  1. States Parties agree that the education of the child shall be directed to:

    (a) The development of the child's personality, talents and mental and physical abilities to their fullest potential;

    (b) The development of respect for human rights and fundamental freedoms, and for the principles enshrined in the Charter of the United Nations;

    (c) The development of respect for the child's parents, his or her own cultural identity, language and values, for the national values of the country in which the child is living; the country from which he or she may originate, and for civilizations different from his or her own;

    (d) The preparation of the child for responsible life in a free society, in the spirit of understanding, peace, tolerance, equality of sexes, and friendship among all peoples, ethnic, national and religious groups and persons of indigenous origin;

    (e) The development of respect for the natural environment.

  2. No part of the present article or article 28 shall be construed so as to interfere with the liberty of individuals and bodies to establish and direct educational institutions, subject always to the observance of the principles set forth in paragraph 1 of the present article and to the requirements that the education given in such institutions shall conform to such minimum standards as may be laid down by the State.